Bausenhagen. In Bausenhagen gibt es liebevoll aufgebarbeitete Möbel. Die Besitzer der Antikdeele, Martin und Thekla Becker, haben keine Lust auf Ruhestand.
Manche zählen schon weit im Voraus die Tage oder überlegen sich ein großes Projekt für den Eintritt in die neue Lebensphase. Nicht so das Fröndenberger Ehepaar Becker: „Über das Aufhören haben wir noch nie nachgedacht“, sagt Thekla Becker. Im Gegenteil: „Nach dem Urlaub oder einem langen Wochenende freuen wir uns, wieder zurück an die Arbeit zu kommen.“ Sie selber wird offiziell demnächst das entsprechende Alter erreichen, ihr Gatte Martin ist schon seit kurzem Rentner. Aber die Antikdeele in Bausenhagen in der Hellkammer, etwas versteckt neben der alten evangelischen Dorfkirche, bleibt geöffnet. Martin Becker bereitet hier alte Möbel, die 100 oder mehr Jahre auf dem Buckel haben, wieder auf, verleiht ihnen neuen Glanz, der den Charme des Alten weiter in sich trägt. Hier am Standort in der Palz haben sie 2023 das 25-jährige Bestehen gefeiert, im kommenden Jahr wird es ihr Geschäft 40 Jahre geben. Dieses Datum soll auf jeden Fall erreicht werden, und auch noch ein ganzes Stück danach soll es weitergehen, sind die beiden überzeugt, ohne einen Zeitpunkt im Kopf, wann es vielleicht enden wird.
Schwieriger Markt: Ehepaar will trotzdem auch im Rentenalter arbeiten
Thekla Becker kommt auf die politischen Diskussionen und Gezerre um Rentenpolitik zu sprechen, um Rentenpakete oder um mögliche Anreize, länger im Beruf zu bleiben. Letzteres kann sich nach aktuellen Umfragen ein durchaus nennenswerter Teil der Arbeitnehmer, wenn auch keine große Mehrheit, durchaus vorstellen. Das alles habe sie dazu inspiriert, eine Lanze zu brechen für das längere Arbeiten. „Darüber wird viel zu wenig geredet.“ Für sie und ihren Mann kann sie nämlich betonen: „Wir haben unser Hobby zum Beruf gemacht.“ Ausgehend von den Umfragen, ist der finanzielle Zugewinn gar nicht unbedingt die Motivation für viele Menschen, länger im Beruf zu bleiben.
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Und auch Thekla Becker betont: „Finanziell ist es nicht unbedingt lohnenswert.“ Nicht nur, weil der Staat diese Entscheidung zu wenig attraktiv gestalte. Sondern auch deshalb, weil das Geschäft mit antiken Möbeln im Moment ziemlich schwierig sei: „Es läuft schlecht, aber im Moment läuft es ja überall schlecht.“ Ihre Einschätzung: Wegen Angst und Unsicherheit hielten die Menschen ihr Geld vielmehr zusammen. Bei einem Blick in ihre Branche berichten beide, es gäbe kaum noch Kollegen, kaum Nachwuchs, Messen und Märkte auch nicht mehr. Über die sozialen Medien hat sich mancher Trend etabliert, etwa 50er-Jahre Möbel aufzuarbeiten. Von Antik aber spricht man erst ab 100 Jahren.
Ehepaar liefert Möbel bis nach Bayern oder Berlin
Und so gäbe eben doch noch die Abnehmer ihrer Möbel, erzählt das Ehepaar, treue Stammkunden darunter. Und auch die hätten nicht nur immer wieder nach der Zukunft der Antikdeele gefragt, sondern die Entscheidung letztlich leicht gemacht. Beckers liefern im großen Umkreis aus, zuletzt nach Bayern oder Berlin. Der Glanz in den Augen der Kunden, wenn sie ein fertig aufgearbeitetes Möbelstück in Empfang nehmen, der sei eben durch nichts zu ersetzen. Und die eigene Befriedigung durch die Arbeit, die Erfüllung durch etwas Schönes, Wertvolles, Nachhaltiges: „Wenn ein Schrank wirklich im desolaten Zustand war und dann hier wiederaufersteht.“ Alte Möbel nicht einfach auf den Müll zu werfen, sei schließlich eine Art von Ressourcenschonung. Grinsend und mit ehrlicher Freude berichten die Beiden auch vom Kontakt mit ihren Kunden, von Geschichten, die alleine einen Artikel füllen könnten: Manche der Abnehmer seien durchaus wohlhabend und ein wenig extravagant, andere möchten das Schränkchen in mehreren Raten begleichen.
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Schwere Handarbeit: E-Bikes gekauft, um fit zu bleiben
Dass Menschen mit Bürojob, die vor allem ihr Gehirn anstrengen, länger arbeiten, mag vielleicht nicht überraschen. Wenn Martin Becker davon erzählt, wie er Möbel mit dem Transporter abholt, auseinanderbaut, in der Werkstatt in Bausenhagen aufarbeitet, dabei immer wieder von links nach rechts räumen, dann wieder zusammenbauen und zum Kunden ausliefern muss, dann wird klar, dass das schwere Handarbeit ist. Einziges technisches Hilfsmittel, seit vielen Jahren unverändert, ist dabei ein Hubwagen, Ameise genannt im Volksmund. Mit der richtigen Technik könne man sich manche Anstrengung sparen, sagt Martin Becker, aber bei weitem nicht alles.
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Gerade wegen der Aktivität hat er aber festgestellt: „Unsere Freunde, die schon zuhause auf dem Sofa sitzen, sind viel öfter krank als wir.“ Bei aller Euphorie weiß auch Thekla Becker: „Wir werden nicht jünger.“ Sie, die den Großteil der Büroarbeit der Deele macht, aber auch bei den Möbeln mit anpackt, weil sich schlicht und ergreifend auch niemand anders als Unterstützung finde, hat für sich ein Rezept: ausgiebiges Dehnen. Und es bleibt nicht bei der körperlichen Arbeit im Job: Um weiter fit zu bleiben, haben sich Martin und Thekla Becker kürzlich E-Bikes gekauft. Und dafür das zweite Auto abgeschafft.
Ganz große Möbel bald nicht mehr im Sortiment
Und dann gibt es doch einen Tribut an das fortgeschrittene Lebensalter: Die ganz großen Möbel, etwa Kleiderschränke, werden Beckers demnächst nicht mehr im Sortiment habe. Sie wollen sich vielleicht auch irgendwann räumlich verkleinern. Deshalb gibt es auf die genannten Stücke nun auch Rabatt. Transport, Auf- und Abbau seien bei diesen doch zu mühselig geworden. „Und ich bin dafür auch zu klein“, lacht Thekla Becker. Die Öffnungszeiten haben sie schon reduziert, bieten aber individuelle Terminvereinbarung an. Und mit der Geburt des ersten Enkelkindes vor sieben Jahren fiel der Sonntag als Schau- und Stöbertag in der Deele weg. Es gibt dann eben doch noch anderes neben der Arbeit...