Fröndenberg. Das „Bündnis für Demokratie“ in Fröndenberg hatte eingeladen, um in einem Vortrag aufzuklären, wo die extreme Rechte im Kreis Unna steht.
Im Februar versammelten sich rund 1300 Bürgerinnen und Bürger auf dem Marktplatz, um gegen rechts zu demonstrieren. Es war ein starkes Zeichen gegen extremistische Tendenzen, in einem Nachtreffen wurden Zielvereinbarungen durch Vertreter der politischen Parteien, der evangelischen und katholischen Kirchen sowie dem Patenschaftskreis für Flüchtlinge formuliert. Darin wird klargestellt, dass das „Bündnis für Demokratie“ Demokratie und Vielfalt mit Menschen aus Fröndenberg in der Ruhrstadt stärken und fördern, über die aktuellen Herausforderungen aufklären und Gegenstrategien entwickeln möchte.
Außerdem will die Gruppierung die Thematik „rechtsextrem“ mit „klarem Blick“ bekannt machen. Darunter fällt die Einladung zum Vortrag „Die kriegen doch eh nix auf die Kette, oder doch?“, in dem die Entwicklungen im Kreis Unna von Leroy Boethel, einem Vertreter der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus“, in einer Präsentation anschaulich dargestellt wurden.
„Seit 16 Jahren gibt es diese Einrichtungen in allen fünf Regierungsbezirken in NRW, wir haben unseren Sitz in Schwerte, sind vier Personen.“
Rund 40 Interessierte kamen in die Gesamtschule, um sich zu informieren. Professor Carsten Schröder von der TH in Köln, dort in den Bereichen Kritische Bildungs- und Alltagsforschung, Professionalität und Politik sowie Soziale Arbeit tätig, begrüßte Zuhörer und Referenten, er freute sich, dass so viele Menschen gekommen waren und leitete anschließend zum Vortrag über.
Der Gastredner stellte seine Einrichtung vor
Der Gastredner stellte zu Beginn seine Einrichtung vor: „Seit 16 Jahren gibt es diese Einrichtungen in allen fünf Regierungsbezirken in NRW, wir haben unseren Sitz in Schwerte, sind vier Personen.“ Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Unterstützung der kritischen Zivilgesellschaft bei der Auseinandersetzung mit Rassismus, Antisemitismus, Antifeminismus und anderen Erscheinungsformen extrem rechter Ideologie. „Wer sich mit rechtsextremen, rassistischen, antifeministischen oder antisemitischen Herausforderungen auseinandersetzen muss oder will, wird von uns beraten“, führt Leroy Boethel aus. „Wir arbeiten vertraulich und kostenlos.“
Wer die extremen rechten Aktivitäten beobachten und erfassen will, muss die Strukturen erfassen, das komplette Spektrum definieren. So gibt es neben den traditionellen Rechten inzwischen die modernisierten Rechten, die die sozialen Medien als ihr Gebiet entdeckt haben. „Die Traditionalisten etwa zeigen eine offene Ablehnung der Demokratie, verwendeten völkische Begriffe, haben Organisationen wie die Freie Kameradschaft. NPD, NSU oder die Reichsbürger sind in dieser Kategorie einzuordnen, wobei für einige die Zeit bereits vorbei zu sein scheint.“
„Mit den Themen Migration und Flucht wird Angst geschürt.“
Die modernen Strategien sind verharmlosender, getarnter: „Es werden keine NS-Begriffe verwendet, die direkte Demokratie wird ausgenutzt, Schmierereien eher unüblich.“
Nicht mit der Wachsamkeit nachlassen
„Natürlich sind einige Organisationen in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr vorhanden, haben sich überlebt, aber deshalb sollte die Aufmerksamkeit nicht nachlassen, es wird wie beschrieben inzwischen cleverer vorgegangen“, beschwor Leroy Boethel die Anwesenden, nicht mit der Wachsamkeit nachzulassen.
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Ein Rückblick: Vor Jahrzehnten wurde in der Region sogar ein NPD-Schulungszentrum aufgebaut, rund 5000 Neonazis sollen durchgeschleust worden sein. Reichsbürger, das Königreich Deutschland hatte einen Ableger in Menden, der aber bereits wieder verschwunden ist, Coronaleugner, Querdenker, „Die Rechte“, alles Gruppierungen, die nicht mehr groß in Erscheinung treten.
Die Aktivitäten gingen bis zu einer Bombendrohung gegen eine Moschee im Kreis Unna, öffentliche Umsturz- und Gewaltfantasien und eben auch zu den bekannten Schmierereien an Haus- und Plakatwänden: „Diese Szenerie ist fast verschwunden.“
Aber Entwarnung kann absolut nicht gegeben werden: „Mit den Themen Migration und Flucht wird Angst geschürt“, so der Referent. „Der Erfolg ist sichtbar, denn in drei Ratsfraktionen im Kreis sitzen jetzt Rechte.“ Die Europawahl steigerte den Zuspruch noch: „Im Kreis Unna gibt es keine Kommune mehr, in der die AfD unter 12 Prozent der Stimmen bekam, in Bergkamen fast 20 Prozent.“
Was kann denn getan werden?
Die Partei hat ein großes Mobilitätspotential, errichtet Infostände in den Fußgängerzonen, erreicht damit viele Menschen. „Es kann Vorsorge getroffen werden, um diese Infoflut einzudämmen, beispielsweise wenn der Partei die Möglichkeit entzogen wird, Säle anzumieten“, gibt Leroy Boethel einen praktischen Hinweis.
„Da wird immer von Lösungen gesprochen. Wenn man fragt, was genau gemein ist, da stellt sich dann heraus, dass die gar keine Lösungen haben.“
Mit den Kampagnenschlagworten „Wir sind ein Volk“ oder „Migrantengewalt ohne Ende“ werden die Menschen erreicht, es gibt vermehrt junge Leute in der Region, die sich an dieser Ideologie orientieren. Allein die Debatte um die Zeltstadt in Selm scheint der AfD Zulauf zu bringen und Wähler zuzutreiben. Bei der Frage aus der Versammlung „Was denn getan werden kann“, gab es den Rat „Einmischen, rechte Räume eingrenzen, Position beziehen, mit guten Begründungen dagegen argumentieren.“ Vor der Haustür bereits tätig werden, bei Diskussionen in Kneipen und am Arbeitsplatz dagegen anreden, ruhig und sachlich. Deutlich machen, was wirklich dahintersteckt: „Da wird immer von Lösungen gesprochen. Wenn man fragt, was genau gemein ist, da stellt sich dann heraus, dass die gar keine Lösungen haben.“ Jeder sollte sich überlegen, wem er die Stimme gibt: „Wer die Rechten unterstützt, unterstützt auch völkische Politik.“
Ein bisschen Unverständnis war bei den Anwesenden zu spüren: „Die etablierten Parteien machen nichts, dabei wäre es durchaus möglich, zu reagieren, jetzt sollen es wieder die Bürgerinnen und Bürger richten.“
Sebastian Richter aus Frömern bedankte sich bei den Gästen und verwies darauf, dass das Banner „Bündnis für Demokratie“ bei Bedarf im Sekretariat der Gesamtschule zu bekommen ist.