Fröndenberg/Menden. Lange hat die Fröndenbergerin Najwa Kordes auf ein Kind gehofft - vergeblich. Nun gründet sie eine Selbsthilfegruppe.

Seit gut zwei Jahrzehnten begleitet das Thema Najwa Kordes Tag für Tag. Schon lange bevor sie ihren Ehemann heiratete, stand für Najwa Kordes fest, dass sie mit dem Mann ihres Herzens gerne Kinder haben möchte. Doch ihr Wunsch erfüllte sich nicht. Die heute 53-Jährige gründet derzeit in Fröndenberg eine Selbsthilfegruppe für Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch.

Therapien, tiefe Verzweiflung, Rückzug, Depressionen und Ängste liegen hinter Najwa Kordes. Dennoch ist sie mutig, geht mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit.

Ich habe immer schon den Wunsch nach Kindern gehabt.
Najwa Kordes

2003, im Alter von 33 Jahren, kam Najwa Kordes aus Marokko nach Deutschland und heiratete ihren heutigen Ehemann. Sie ist das zehnte – und jüngste – Kind ihrer Familie: „Ich habe immer schon den Wunsch nach Kindern gehabt“, erinnert sich Najwa Kordes. „Ich liebe Kinder. Ich möchte meine Liebe weitergeben.“

Als sie nicht schwanger wurde, folgte eine Odyssee von Terminen und die Suche nach der Ursache. „Irgendwann haben wir es dann mit künstlicher Befruchtung versucht“, blickt Najwa Kordes zurück. Damals arbeitete sie in der Gastronomie, setzte sich jeden Abend um 20 Uhr in einem separaten Zimmer eine Spritze zur Vorbereitung für den Eingriff: „Ich hatte so viel Stress damals, das war bestimmt auch nicht gut.“

Befruchtete Eizellen wurden eingesetzt

Dreimal hatte Najwa Kordes Hoffnung, dass die befruchteten Eizellen, die ihr in Münster eingesetzt wurden, ihr zum Mutterglück verhelfen würden. Dreimal nahm sie die körperlich und psychisch anstrengende Prozedur auf sich. Dreimal wurde sie enttäuscht.

Blutung heißt, dass du nicht schwanger bist.
Najwa Kordes berichtet, dass ihr dieser Satz im Krankenhaus gesagt worden sei

„Als wir nach dem dritten Mal nach Hause gefahren sind, habe ich zu meinem Mann gesagt, er soll mit 40 über die Autobahn fahren“, erzählt Najwa Kordes. So fragil fühlte sie sich in ihrer übergroßen Sehnsucht, endlich ein Kind zu bekommen. Alles, einfach alles, wollte sie tun, um den Traum von einem Kind wahr werden zu lassen.

Fünkchen Hoffnung

Doch vergeblich. Tage später setzte die Blutung ein. Najwa Kordes klammerte sich an das Fünkchen Hoffnung, dass es vielleicht „nur“ eine Blutung sei, dass dennoch ein Leben in ihr heranwuchs. Diese Hoffnung wurde ihr im Krankenhaus, in das sie eingeliefert wurde, jäh genommen: „Blutung heißt, dass du nicht schwanger bist“, sei ihr im Krankenhaus ziemlich rüde und unsensibel gesagt worden. „Das ist wie ein Trauma für mich“, erinnert sich Najwa Kordes. Weinend und alleine sei sie zu Fuß nach Hause gelaufen – damals wohnten sie und ihr Mann in Menden im Lahrfeld.

Die Wörter Papa, Mama und Kind liegen aus einzelnen Buchstaben des Familienspiels „Buchstabensuppe“ zusammengesetzt auf einem Tisch (Symbolbild).
Die Wörter Papa, Mama und Kind liegen aus einzelnen Buchstaben des Familienspiels „Buchstabensuppe“ zusammengesetzt auf einem Tisch (Symbolbild). © Braunschweig | Jens Kalaene

Eine vierte künstliche Befruchtung wollte Najwa Kordes nicht mehr. „Ich war damals 39“, blickt sie zurück. Zum einen habe sie eigentlich vor ihrem 40. Geburtstag ein Kind gewollt. Und zum anderen „konnte ich einfach nicht mehr“. Der Druck, den sie von allen Seiten empfand, lastete tonnenschwer auf ihrer Seele.

Ich dachte, ich hätte es akzeptiert.
Najwa Kordes - über ihren Kinderwunsch, der sich nicht erfüllt

2017 dachte Najwa Kordes, dass sie mit Hilfe von Therapien und ihrem Hobby Malen ihren Kinderwunsch verarbeitet und „das Thema abgeschlossen“ hätte: „Ich dachte, ich hätte es akzeptiert.“ Doch als ihre Mutter vor zwei Jahren starb, gewann ihre Verzweiflung wieder Oberhand. Die Depressionen kamen zurück, die Traurigkeit, die Trauer darüber, Mutterschaft nicht erleben zu können.

Rückzug von Freundinnen und Freunden

Sie habe sich von vielen Freundinnen und Freunden zurückgezogen, erzählt Najwa Kordes. Als eine gute Freundin ihr berichtete, dass sie Oma würde, gab das Najwa Kordes einen Stich: „Und ich wollte nicht, dass meine Freundinnen aufpassen müssen, was sie sagen“, erzählt sie. Deshalb habe sie sich immer mehr zurückgezogen. Auch, damit ihr eng verbundene Menschen nicht spürten, wie es ihr ging: „Wenn ich lache, sehen Menschen, die mich gut kennen, dass meine Augen nicht lächeln.“

Im Laufe der Jahre fragten Menschen Najwa Kordes immer wieder: „Und – bist du schwanger?“ oder „Wo ist denn das Problem?“, schildert die Fröndenbergerin. Belastend auch für die 53-Jährige: „Keiner versteht, wie man sich fühlt.“ Deshalb möchte Najwa Kordes nun eine Selbsthilfegruppe für Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch ins Leben rufen.

Najwa Kordes schämte sich, keine Mutter zu sein

Sie möchte anderen betroffenen Frauen klar machen, dass das Selbstwertgefühl nicht davon abhängen dürfe, ob sie Mutter sind oder nicht: „Ich kenne das selbst. Gedanken wie: Ich bin wertlos. Ich habe mich geschämt, keine Mutter zu sein.“ Für sie selbst sei das Ziel ohnehin klar: „Ich muss akzeptieren, dass ich keine Kinder habe.“

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Die Frauen der Selbsthilfegruppe treffen sich künftig einmal im Monat (an einem Donnerstag, 17 Uhr), im Allee-Café in Fröndenberg. Gegenseitige Unterstützung, die Entwicklung neuer Lebensperspektiven sowie ein geschützter Gesprächsraum für Gefühle sollen hier im Fokus stehen.

Interessierte können sich bei der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen im Treffpunkt Gesundheit, Kleppingstraße 4, Schwerte, anmelden. Ansprechpartnerin für alle Fragen ist Susanne Götz. Sie ist zu erreichen unter Telefon 02304-2407022 oder per Mail an selbsthilfe@kreis-unna.de. Alle Anfragen werden vertraulich behandelt.