Fröndenberg. Zu wenig Geld, um Anreise zur Tafel und Lebensmittel zu zahlen: Das ist Realität in Fröndenberg. Die Tafel reagiert mit einem mobilen Angebot.
Es sei kaum in Worte zu fassen, was sich momentan vor den Augen der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern der Fröndenberger Tafel abspiele. Erst vor wenigen Tagen sei eine junge Frau in Tränen ausgebrochen, weil sie 50 Cent zu wenig hatte, um die gespendeten Lebensmittel zu zahlen. Selbst für langjährige Ehrenamtler sei das Elend nur schwer zu ertragen. „Ich kann das bald nicht mehr“, soll eine Helferin gesagt haben. Das Schicksal der Menschen gehe unter die Haut. „Man fragt sich einfach: Was ist in unserem Staat falsch gelaufen?“, sagt Kurt Potthoff. Der Chef der Fröndenberger Tafel berichtet auf Nachfrage über die aktuelle Situation vor Ort. Weil den Menschen zunehmend sogar das Geld für die Anreise zum Ausgabelokal in der Stadtmitte fehle, gibt es jetzt auch ein mobiles Angebot in Ardey.
„Einige haben nicht einmal mehr die zwei Euro für die Lebensmittel.“
Heute findet sie zum zweiten Mal vor dem Bunten Sofa in Ardey statt: die mobile Ausgabe. Zwischen 12 und 13 Uhr können sich Kunden dort am Wagen der Tafel ihre Lebensmittel abholen und müssen nicht, wie sonst, extra in die Stadt fahren. „Wir haben in vielen Gesprächen erfahren, dass die Menschen kein Geld haben, um mit Bus und Bahn in die Stadt zu fahren“, sagt Kurt Potthoff. Hinzu komme, dass die Bahn gerade ohnehin nicht fahre – Schuld ist wie berichtet der Dachs, der den Bahndamm vor Ardey durchlöchert hat. „Einige haben nicht einmal mehr die zwei Euro für die Lebensmittel.“
Es sei nur schwer zu beschreiben, in welcher Not sich diese Menschen befinden würden. Und natürlich werde niemand alleingelassen und ohne Essen weggeschickt. Es gebe immer eine Lösung. Die mobile Lösung soll entlasten – vergangene Woche hätten auf Anhieb vier neue Kunden den Wagen aufgesucht. „Das hat sich total gelohnt“, sagt Kurt Potthoff. Für jeden Menschen, dem geholfen werden kann, sei es Wert, dieses Angebot aufrecht zu erhalten. Erstmal soll es bis Mitte Dezember laufen – aber voraussichtlich werde es zu einem festen Angebot etabliert. Denn die erste Resonanz zeige, „dass sich da noch viel mehr Menschen verstecken“. Oft sei es die Scham, die davon abhalte, Hilfe anzunehmen. Doch die Ehrenamtler wollen die Betroffenen dazu ermuntern, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Niemand müsse sich schämen.
400 Menschen pro Woche mit Lebensmitteln versorgen – eine große Aufgabe
Zusätzlich gibt die Tafel zweimal in der Woche Lebensmittel im neuen Lokal am Bruayplatz aus. Dieses Angebot bleibt auch weiterhin bestehen. Immer dienstags und freitags können sich die Kunden der Tafel mit ihrem Nachweis für einen vergleichsweise geringen Obolus zwischen zwei und fünf Euro Lebensmittel für ihren Haushalt abholen. Die Nachfrage steigt immer weiter – und das nicht nur durch die gestiegene Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine, so Potthoff. Die Ukrainer seien indes sehr dankbar. Die Fluktuation sei ziemlich groß. „Aber sie melden sich ab und bedanken sich, wenn sie unsere Hilfe nicht mehr brauchen“, sagt Kurt Potthoff.
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Generell würden zum Ende des Monats mehr Kunden kommen, als zu Beginn. „Anfangs versuchen alle, erstmal mit ihrem Geld auszukommen.“ Doch das Geld ist knapp. Gestiegene Preise setzen jene Menschen, die ohnehin schon jeden Cent umdrehen müssen, weiter unter Druck. Das spiegelt sich auch in den Zahlen wider. „Als wir am Mühlenberg angefangen haben, hatten wir rund 30 Kunden. Jetzt kümmern wir uns um rund 400 Menschen – pro Woche“, fasst Kurt Potthoff zusammen. Dem gegenüber stehen rund 30 Ehrenamtliche. Besonders erfreulich dabei: „Wir haben glücklicherweise Zuwachs – auch jüngere Menschen helfen mit“, erzählt der Tafelchef.
Sechs Liter Milch für 150 Personen – Zukauf ist unvermeidbar
Die Ehrenamtler sind es auch, die Lebensmittel zu einigen Kunden nach Hause liefern und einmal wöchentlich warme Suppe ausgeben, die im Schmallenbach-Haus zubereitet wird. Dieses Angebot, so Kurt Potthoff, befinde sich allerdings noch in der Phase der Etablierung. Bisher gehen zehn von 60 Suppen über den Tresen. „Die restlichen Suppen werden eingefroren und bei der Ausgabe mit verteilt. Da sind die dann natürlich schnell vergriffen.“
Kurt Potthoff ist auf Spenden angewiesen, um dieses Angebot über 2022 hinaus machen zu können. Über willige Helfer oder Spenden würde man sich sehr freuen. Obwohl die Fröndenberger Bevölkerung ohnehin immer helfe und „phänomenal“ sei. „Unbeschreiblich schön“ sei die Hilfsbereitschaft. Und auch die Sparkasse Unna-Kamen sei ein treuer Partner und unterstütze mit Geld. So sei es beispielsweise möglich, für die Kunden Molkereiprodukte zuzukaufen. Denn davon werde aktuell nur sehr wenig gespendet. „Dienstag haben wir aus den Läden nur sechs Liter Milch bekommen“, so Potthoff – bei 150 zu versorgenden Personen.
Das sind die Termine der Fröndenberger Tafel
- Die normale Lebensmittelausgabe findet zweimal pro Woche im Ladenlokal am Bruayplatz statt. Die Termine sind dienstags und freitags von 13 bis 15 Uhr.
- Neu dazugekommen ist die mobile Ausgabe von Lebensmitteln am Donnerstag. Vor dem Bunten Sofa in Ardey hält der Lieferwagen der Fröndenberger Tafel heute zum zweiten Mal. Vorerst bis Mitte Dezember geben die Helfer zwischen 12 und 13 Uhr hier die Waren aus.
- Die Suppenausgabe im Ladenlokal am Bruayplatz bleibt am Donnerstag zwischen 11 und 12.30 Uhr bestehen. Hier stehen immer rund 60 Portionen zur Verfügung. Die Suppe ist kostenlos.