Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Mit welchem Kanzlerkandidaten soll die SPD zur Bundestagswahl 2025 antreten? Das sagen die Sozialdemokraten aus Schwelm, Gevelsberg, Ennepetal.
Es ist die Frage, über die in diesen Tagen allerorten diskutiert wird: Sollte die SPD mit dem Amtsinhaber Olaf Scholz als Kanzlerkandidat in den bevorstehenden Bundestagswahlkampf ziehen? Oder wäre Verteidigungsminister Boris Pistorius, der bei den persönlichen Beliebtheitswerten weit vor Scholz liegt und mit dem die Sozialdemokraten laut Umfragen besser fahren würden, der richtige Kandidat?
Wir haben uns bei den Ortsvereinsvorsitzenden der Sozialdemokraten in Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal sowie bei den Juso und im Unterbezirk umgehört: Wie ist die Stimmung unter den Mitgliedern und welchen Kandidaten favorisieren sie persönlich?
Daniel Nickel, Vorsitzender des SPD-Ortsverbands in Schwelm, sagt zur Kandidaten-Frage, dass das Bild im Schwelmer Ortsvereinsvorstand durchaus gemischt sei. Es gebe Genossinnen und Genossen, die sagen, nur deshalb auf einen neuen Kandidaten zu setzen, weil ein Teil der Bevölkerung mit Olaf Scholz als Person nicht so zufrieden war in den vergangenen drei Jahren, wäre ein falsches Bild. „Es gibt genauso Genossinnen und Genossen, die sagen, dass eine Wahl auch immer zum gewissen Grad eine Personenwahl ist“, sagt Nickel. Wenn die Sympathiewerte für den jetzigen Kanzler nicht mehr dementsprechend seien, dass die SPD mit ihm eine gute Aussicht auf Erfolg haben kann, sollte man den Spitzenkandidaten wechseln. Nickels persönliche Meinung ist, dass sich die SPD mit einem neuen Kandidaten besser stellen würde. „Herr Pistorius bietet sich da sicherlich an. Aber es gibt auch andere mögliche Kandidatinnen und Kandidaten aus den Reihen der Bundes-SPD“, erklärt Nickel und nennt als möglichen Kandidaten SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil. „Ein sehr sympathischer Mensch und ein sehr versierter Kandidat. Den hat bisher noch keiner groß ins Rennen gebracht. Den könnte ich mir als Kanzler-Kandidaten auch gut vorstellen.“
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Daniel Berenbruch vom SPD-Stadtverband Gevelsberg macht deutlich, dass „Olaf Scholz ein verdienter Bundeskanzler ist“. Gerade zu Beginn des Ukraine-Kriegs habe er Führungsstärke bewiesen. „Aber mit Blick auf die zurückliegenden drei Jahre hat er das zu selten gezeigt.“ Diesen Eindruck habe man auch immer wieder an den Bundestagsabgeordneten Timo Schisanowski weitergegeben. Der habe erklärt, dass der Olaf Scholz in den Fraktionssitzungen ein anderer sei als er sich als Kanzler zeige. „Doch das kriegt niemand mit. Und er erreicht die Menschen nicht mehr so, wie er müsste“, sagt der Gevelsberger SPD-Vorsitzende. Das zeige sich auch in den Umfragewerten. Olaf Scholz liege bei der Beliebtheit der Politiker sogar unter Alice Weidel (AfD). Daniel Berenbruch glaubt, dass die Basis sich deshalb auch einen anderen Kanzlerkandidaten vorstellen könne und dass es dieser auch werden sollte. Er erklärt, dass Scholz einen würdigen Abgang erhalten sollte, den er auch verdient habe. „Er ist gut und kann gut sein, aber das muss er auch aufs Parkett bringen“, sagt Berenbruch.
Ugur Ince ist seit August der Vorsitzende der Jusos im Ennepe-Ruhr-Kreis und Vorsitzender der Jusos in Hattingen. Er sagt, dass es bei den Jusos noch kein einheitliches Meinungsbild gebe. Als es aber um die Frage nach dem Parteivorsitz ging, seien die Jusos klar gegen Olaf Scholz gewesen. Er habe auch als Kanzler keine Jusos-freundliche Politik betrieben. Ugur Ince erklärt: „Ich persönlich bin gegen Scholz als Kanzlerkandidat. Ich weiß aber nicht, ob Boris Pistorius besser geeignet ist. Und andere Kandidaten gibt es nicht.“ Es sei eine schwere Entscheidung. Und wenn er sich entscheiden müsste, sei er eher für Pistorius. Wie seine Jusos-Kollegen das sehen, könne er schlecht einschätzen. Am Sonntag gebe es eine Sitzung der Jusos im Ennepe-Ruhr-Kreis, da werde das Thema sicherlich diskutiert. Die entscheidende Frage sei, soll der Kanzlerkandidat so kurzfristig getauscht werden, wie es bei Joe Biden in den USA war? „Wie wir wissen, hat das ja nicht geklappt.“ Fakt sei aber auch, dass die Ampel abgewählt worden sei, wenn man sich die Umfrageergebnisse anschaut. Und zur Ampel gehöre auch der amtierende Kanzler.
„Die Situation ist extrem verzwickt“, meint der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Ennepetal, Alexander Teske. Sein Ortsverein habe am Freitag Vorstandssitzung, da werde sicher ein Meinungsbild eingeholt. „Wir sind aber natürlich im Vorstand und in der Fraktion und auch mit Mitgliedern im Gespräch. Auch hier in Ennepetal hört man vermehrt Stimmen, dass Olaf Scholz den Staffelstab weitergeben solle. Und man hört als Alternative dann den Namen Boris Pistorius. Ob das den Umfragen geschuldet ist oder der Kompetenz, die man ihm zuschreibt, kann ich nicht beurteilen.“ Er persönlich habe in der Frage gar keinen Favoriten. „Ich könnte mit beiden als Kanzlerkandidaten wunderbar Wahlkampf machen“, so Teske. Sollte es auf Boris Pistorius hinauslaufen, dann wünsche er sich, dass er gegenüber den politischen Konkurrenten angriffslustiger auftrete, sich gegenüber den Bürgern persönlicher zeige und mehr Wärme ausstrahle. „Zugleich sollte er aber auch die kühle, besonnene Art, die Olaf Scholz besonders auszeichnet, mitnehmen.“ Der Ennepetaler SPD-Chef erinnert nicht zuletzt daran, dass die Umfragen vor der Bundestagswahl 2021 auch nicht gut ausgesehen hätten, die SPD am Ende dennoch die Nase vorn gehabt habe.
Ina Blumenthal ist nicht nur Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Ennepe-Ruhr, sondern auch Landtagsabgeordnete für Gevelsberg, Ennepetal, Hagen und Breckerfeld. Sie hält sich bei der K-Frage eher zurück und vermeidet eine persönliche Positionierung zu Scholz oder Pistorius, positioniert sich stattdessen in ihrer Stellungnahme klar gegen die CDU und eine Schwarz-Grün-Regierung auf Bundesebene: „Es stellt sich die Frage, ob das, was wir mit den Sozialkürzungen gerade von Schwarz-Grün in NRW erleben, nur der Auftakt ist für weitere Kürzungsorgien, die dann von Schwarz-Grün in Berlin fortgesetzt würden. Die SPD muss da als Fels in der Brandung mit Klarheit stehen.“ Wer den Job am Ende macht, scheint für Ina Blumenthal zweitrangig: „Wenn der Kanzler sich für eine Kandidatur entscheidet, dann ist das so. Wenn er sich dagegen entscheidet auch. Wir haben zwei starke mögliche Kandidaten.“ Wichtig sei ihrer Meinung nach vor allem, dass die Entscheidung schnell erfolge, damit sich die SPD hinter demjenigen versammeln und in den Wahlkampf starten könne.