Gevelsberg. Kornelia Girgdies schreibt ihr Leben auf und setzt sich dazu mit ihren schwersten Stunden auseinander – aber vor allem mit Rockmusik.

Und plötzlich war da der Punkt, an dem Kornelia Girgsdies ihre Gefühle nicht mehr zurückhalten kann. Während sie den Kugelschreiber in der Hand hält und eine Zeile nach der anderen aus ihrem Leben aufschreibt, heult sie Rotz und Wasser. Auf einmal kommt alles wieder hoch. Der frühe Tod der Mutter, als sie noch Teenagerin war, der Vater ein Alkoholiker. Kornelia Girgsdies – vielen besser bekannt als Else Somebodys – hat ihre Biografie geschrieben. Doch was verleitet eine Frau ohne herausragende Prominenz dazu, ihr Leben auf 300 Seiten zwischen zwei Buchdeckel zu pressen?

Wer Kornelia Girgsdies, die die meiste Zeit ihres Lebens in Gevelsberg verbracht hat, kennenlernt, dem bleibt sie im Gedächtnis. Sie ist offen. Sie erzählt so, dass man ihr gern zuhört. Sie lacht, sie strahlt, sie ist authentisch und versprüht so etwas wie eine vollkommene Begeisterung für die Dinge, die ihr wichtig sind. Da sticht vor allem eine Sacher heraus: die Musik. So ist ihre Biografie auch so etwas wie das Begleitbuch zum Soundtrack ihres Lebens. „Fast alle meine Erinnerungen haben mit Musik zu tun“, sagt sie.

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Ihr Erscheinungsbild macht recht deutlich, auf welche Musik sie steht: Rock und Metal gehören zu ihren Favoriten, „aber grundsätzlich bin ich das sehr breit aufgestellt. Ich liebe zum Beispiel auch Westernhagen, Udo Lindenberg, ZZ Top, Grönemeyer, Stoppok und Pink Floyd. Musik ist einfach der Spirit, der mir eine ungeheure Energie gibt“, sagt die 63-Jährige. Und alles begann mit Tante Ruths Musiktruhe im Jahr 1969 und der Band Shocking Blue. „Das Gitarrenriff hat mich sofort gepackt. Das war so etwas wie eine Initialzündung.“

Es folgte im Jahr 1975 – dem Jahr, in dem ihre Mutter starb – das erste Konzert. „Ich war bei Patty Smith“, erinnert sie sich an einen Moment, mit dem sie im Buch ihre musikalische Reise durch ein turbulentes Leben starten lässt. Krautrock, Hardrock, Heavy Metal – das ist die vorwiegende Hintergrundmusik ihres Lebens und gleichzeitig so etwas wie ihre größte Erfüllung neben ihrer weiteren Passion für Motorsport.

Angesagte Läden vergangener Tage

Else Somebodys nimmt einen mit durch ein Leben, das auch die Erinnerungen vieler Gevelsberger aufflammen lässt – vor allem an die angesagten Läden jener Zeit, als in der Diskothek noch geraucht werden durfte. Das RPL war so etwas wie ihre Stammlokal. Ebenso war sie gern im Sunset – später Kleinbeck – in Sprockhövel, das einen fest ebenso legendären Ruf hatte, wie der Gevelsberger Laden und mittlerweile auch Geschichte ist. Madison, Galaxy, Number One sind weitere klangvolle Namen des Nachtlebens der Region, die längst Vergangenheit sind, mit denen jedoch eine ganze Generation rauschende Nächte verbindet.

Else Somebodys berichtet aus jener Zeit, bringt sie mit ihren Worten zurück. Wer dabei war, hat die Gerüche, die Anziehsachen, den Sound dieser Tage sofort wieder präsent. Und als die wilden Jahre mit durchgefeierten Nächten irgendwann weniger und ruhiger wurden, fand Else Somebodys eine neue Passion: Konzerte und Festivals, wo sie trotz ihrer zierlichen Figur am liebsten in der ersten Reihe steht. Tief in die Welt des Heavy Metal taucht sie ab dem Jahr 2014 ein. Da ist sie das erste Mal auf dem Wacken-Festival und was sie dort erlebt, prägt sie tief.

Das RPL nimmt eine entscheidende Rolle im Leben von Cornelia Girgsdies ein.
Das RPL nimmt eine entscheidende Rolle im Leben von Cornelia Girgsdies ein. © WP | Stefan Scherer

All dies hat sie in wunderbar nachvollziehbaren Worten aufgeschrieben. Aber warum überhaupt? „Schreiben ist einfach voll mein Ding“, sagt sie. Gleichzeitig will sie sehr genau arbeiten. „Ich habe sehr viel recherchiert, ich habe unglaublich viel mit den Zeitzeugen gesprochen, um nichts Falsches aufzuschreiben. Ich habe mir eine Freigabe nach der anderen geholt, dass ich beispielsweise Namen und Begebenheiten verwenden darf.“

Das Manuskript wächst, sie bekommt Kontakt zu Björn Bedey vom Charles Verlag. Der liest zwei Stunden und sagt dann: „Wir machen das mit Dir.“ Plötzlich bekommen die lockeren Memoiren eine Abgabefrist, ein Lektorat. „Da habe ich gemerkt, dass die Sache ernst wird, dass ich tatsächlich ein Buch veröffentlichen werde“, sagt sie und hängt sich ab diesem Zeitpunkt mit vollem Einsatz in dieses Projekt.

Von U2 bis Iron Maiden

Am Ende hat sie auf mehr als 220 Songs verwiesen, schreibt aus den ersten Reihen von U2 in Dublin, David Gilmore in London, Iron Maiden auf dem Wacken-Acker. Die Konzerte sind auch so etwas wie der musikalische Rahmen der vielen anderen Dinge, die das Leben dieser umtriebigen Frau, die in Hagen geboren wurde, bestimmen. Mehr als 40 Jahre arbeitete sie im IT-Bereich der AVU, Jahrzehnte lang nahm sie an Motorsport-Events teil, sie war Komparsin und Kleindarstellerin an den Sets bedeutender Filme, lernt große Stars kennen.

Kornelia Girsdies schreibt all dies so auf, dass man ihr stets abnimmt, dass Dinge genau so passiert sind. Sie führt einen an der Hand durch ihr Leben – auch durch die ganz harten Momente, die sie zum Weinen gebracht haben, als sie sich ihre schwersten Stunden noch einmal in Erinnerung ruft. „Am Ende gehört aber all dies zu mir. Und ich habe mich ganz bewusst dazu entschieden, auch diese Dinge aufzuschreiben.“

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