Ennepetal. Dormakaba will Werke schließen und auch in Ennepetal massiv Stellen abbauen. Die Betriebsräte wollen „um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen“.
Dormakaba will allein in Deutschland 670 Vollzeitstellen abbauen. Mit dieser Schreckensnachricht konfrontierte die Geschäftsleitung die Belegschaft am Donnerstag in einem internen Schreiben. Die Produktionsstätten in Bad Berka (Thüringen), Bühl (Baden-Württemberg) und Velbert (NRW) sollen ganz geschlossen werden. Am Standort Ennepetal, an dem die Deutschlandzentrale der Unternehmensgruppe angesiedelt ist, sollen netto 100 der aktuell 1100 Stellen eingespart werden. Bei den Dormakaba-Betriebsräten und der IG Metall stoßen die Pläne auf scharfe Kritik.
Lesen Sie auch
Die meistgelesenen ArtikelSchwelm: Bürgermeister zu Flüchtlingsheim: „Wir waren einfach zu spät“Ennepetal: AVU klärt auf: Darum kommt es zu Trübungen im TrinkwasserGevelsberg: FSV-Oktoberfest ausverkauft: So doch noch Chance auf Tickets
Bereits am Dienstag waren die Arbeitnehmervertreter der in Deutschland beheimateten Gesellschaften der Gruppe in Düsseldorf über die Grundzüge des Anfang Juli angekündigten „Transformationsprogramms“ informiert worden. Demnach sind in den Bereichen Produktion, Einkauf, Entwicklung, Finanzen, Personal und IT zum Teil harte Einschnitte in Form von Stellenstreichungen und Arbeitsplatzverlagerungen geplant. In der bulgarischen Hauptstadt Sofia will Dormakaba ein Dienstleistungszentrum (Shared Service Center) für die Finanz- und Personalabteilungen in ganz Europa aufbauen. Dadurch würden den Plänen zufolge allein in der Zentrale in Ennepetal etwa 180 Vollzeitstellen wegfallen. Zugleich sollen 80 Produktions-Arbeitsplätze von Bühl nach Ennepetal verlagert werden. Die restlichen der insgesamt 270 Stellen in Bühl sollen nach Sofia wandern. Die Produkte aus Bad Berka werden den Plänen zufolge künftig in Nogales (Mexiko) hergestellt.
Shared Services in Bulgarien
Die Dormakaba-Verantwortlichen rechnen vor, dass durch Aufbau oder Verlagerung von Stellen in Deutschland voraussichtlich netto 530 Vollzeitstellen wegfielen. Die Stellen wolle man möglichst sozialverträglich abbauen. Hauptziele der Einschnitte seien neben der Einrichtung eines Shared Service Centers zur Vereinfachung von Vorgängen die Reduzierung der Standorte und Steigerung der Produktivität, die Bildung von Kompetenzzentren bei der Produktentwicklung, um die Zahl der Produkte zu verringern und die Entwicklungsprozesse zu verbessern sowie die Bildung eines weltweiten Kompetenzzentrums für den IT-Bereich, um Systeme zu vereineinheitlichen und eine höhere Qualität der Daten zu generieren.
Die Dormakaba-Betriebsräte und die IG Metall riefen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu auf, gemeinsam für alle Arbeitsplätze zu kämpfen. „Wir haben diese Informationen mit Erschrecken zur Kenntnis genommen und sind nach der Vorstellung des Arbeitgebers davon überzeugt, dass diese Maßnahmen hauptsächlich ein Kostensparprogramm sind. Wir sehen keine Visionen für die Zukunft und sind zutiefst schockiert über diese Pläne“, heißt es in einem gemeinsam verfassten Schreiben an die Belegschaften. Der Abbau von 670 Vollzeitstellen in Deutschland betreffe etwa ein Drittel aller Beschäftigten der bis jetzt betroffenen Bereiche. „Wir halten die geplanten Maßnahmen für falsch und nicht umsetzbar und werden im Sinne der Beschäftigungssicherung an allen Standorten und zur Sicherstellung der Produktion und Produktverfügbarkeit ab sofort und mit allen Mitteln um jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen.“
Die Arbeitnehmervertreter kritisieren auch, dass der Arbeitgeber seine Pläne durchziehen wolle, ohne auf die Einwände und Bedenken der Arbeitnehmerseite einzugehen. „Es fehlt uns jede Vorstellung, wie man eine Maßnahme mit einer solchen Komplexität anscheinend ohne Berücksichtigung von Fachkräftemangel, Qualität der Produktion, Reputation von dormakaba und vor allem ohne jedes Verantwortungsgefühl für die Beschäftigten durchführen kann.“ Die Betriebsräte stellen klar, dass sie von der Arbeitgeberseite in die Planungen, die dem Vernehmen nach bereits seit Jahresbeginn mit Hilfe von Unternehmensberatern entwickelt worden waren, nicht einbezogen gewesen seien und es auch keinerlei Einverständnis gebe.
Weitere Gesprächsrunden
Geplant ist vonseiten des Vorstandes, dass die Konzepte für die fünf Schwerpunktthemen in den nächsten Wochen mit den Arbeitnehmervertretern detailliert besprochen werden und dann das weitere Vorgehen beraten wird. „Wir werden uns die tiefergehenden Informationen des Arbeitgebers zu den einzelnen Maßnahmen anhören und erst, wenn alle unsere Fragen nachvollziehbar beantwortet sind, können wir Gegenkonzepte erstellen“, erklären die Betriebsräte dazu. Erst danach werde es Verhandlungen mit dem Arbeitgeber geben.
Anfang Juli hatte die Leitung der Unternehmensgruppe, die 2015 aus der Fusion der Ennepetaler Firma Dorma mit der Schweizer Kaba Holding entstanden war und ein weltweit führender Hersteller von automatischen Zutrittslösungen ist, ein tiefgreifendes Transformationsprogramm angekündigt. Bis zum Geschäftsjahr 2025/2026 sollen Kosten in Höhe von umgerechnet 177 Millionen Euro pro Jahr eingespart und netto etwa 800 Vollzeitstellen abgebaut werden (wir berichteten). Für die Umsetzung rechnet die Gruppe mit Sitz im schweizerischen Rümlang mit einmaligen Kosten von 224 Millionen Euro und zusätzlichen Investitionen von 107 Millionen Euro. Die an der Schweizer Börse SIX notierte Dormakaba Holding AG peilt mit Hilfe der Umstrukturierung ein organisches Umsatzwachstum von 3 bis 5 Prozent jährlich sowie jeweils ab dem Geschäftsjahr 2025/26 eine Steigerung der Umsatzrendite von aktuell etwa 13 Prozent auf 16 bis 18 Prozent und eine Kapitalrendite von mehr als 30 Prozent an.