Ennepetal/Breckerfeld. Die AVU investiert Millionen in die Modernisierung der Trinkwasseraufbereitung. An der Ennepetalsperre wird ein neues Wasserwerk gebaut.
Die AVU will an der Ennepetalsperre ein neues Wasserwerk bauen. Die Anlage soll das in die Jahre gekommene Wasserwerk Rohland in Breckerfeld, unmittelbar an der Stadtgrenze zu Ennepetal, ersetzen und direkt daneben errichtet werden. Das aus der Talsperre entnommene Wasser kann in dem Neubau mit modernster Technik zu Trinkwasser aufbereitet werden, die Zugabe von Chlor wird dann nicht mehr erforderlich sein. Außerdem strebt das kommunale Unternehmen die Erhöhung der Versorgungssicherheit und eine effizientere Wassernutzung insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels an. Bis das neue Wasserwerk in Betrieb geht, wird allerdings noch sehr viel Wasser die Ennepe hinunterfließen.
Läuft alles planmäßig, dann wird ab 2031 das Trinkwasser aus dem neuen Werk am Rohland in die Haushalte in die Haushalte von Breckerfeld, Ennepetal, Gevelsberg, Schwelm, Sprockhövel und Wetter geliefert. Der Aufsichtsrat hat die Mittelbereitstellung für die größte Einzelinvestition in der Geschichte des Unternehmens bereits im vergangenen Dezember bewilligt. Die Kosten werden – nach heutigem Stand – auf mehr als 35 Millionen Euro geschätzt. Mit Derk Buchsteiner wurde bereits im Oktober 2021 ein neuer Leiter Trinkwassererzeugung eingestellt, der das Projekt federführend vorantreiben soll. Der 57-jährige Diplom-Ingenieur arbeitete mehr als 35 Jahre lang in leitender Funktion in der Wasserwirtschaft und leitete zuletzt elf Jahre lang ein kommunales Wasserwerk mit Talsperre in der Nordeifel.
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Die Ausgangslage
Das Wasserwerk Rohland, das sich am Rande der Ennepetalsperre befindet, wurde 1978 in Betrieb genommen. Inzwischen ist es in die Jahre gekommen und hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit an seine Grenzen gestoßen. „Die Jahre 2018 bis 2020 waren an vielen Orten im Land stark von Trockenheit betroffen“, erklärt Derk Buchsteiner. Dabei sei der Wasserstand der Talsperre unter das gewohnte Maß gefallen, wenn auch nie unter 5 Millionen Kubikmeter (die Ennepetalsperre hat ein Fassungsvermögen von mehr als 12 Millionen Kubikmeter). „Wir wollen das Rohwasser, also das Waser aus der Talsperre, künftig noch ausgiebiger nutzen“, sagt er. Dafür sei eine Anpassung der Aufbereitung an den Stand der Technik erforderlich.
Hinzu komme, dass man strengere hygienische Anforderungen aus der in diesem Frühjahr zu erwartenden neuen Trinkwasserverordnung beachten müsse. Wesentlich sei, dass das Trinkwasser frei ist von mikrobiologischen Pathogenen wie Viren oder Toxinen aus Algen, beton Buchsteiner. In dieser Hinsicht stoße die Filtration an ihre Grenzen.
Die Technik
Bisher wurde das Rohwasser aus der Ennepetalsperre in einer offenen Schnellfiltrationsanlage aufbereitet. „Das Wasser muss sieben Steine passieren“, nennt Derk Buchsteiner das Prinzip. Dem Rohwasser werden Eisen und Aluminium zugesetzt, was sich an Schmutzstoffe bindet und Flocken bildet. Diese Flocken werden in den verschiedenen Filterschichten (Kiesel beziehungsweise Sand verschiedener Körnung) herausgefiltert. Zum Abschluss wird dem Wasser Chlordioxid zugesetzt, um es chemisch zu desinfizieren.
Im neuen Wasserwerk werde man auf die Chlorierung verzichten können, erklärt Derk Buchsteiner. „Wir werden auf eine UV-Reaktivierung zurückgreifen, um Mikroorganismen unschädlich zu machen. „Das bringt auch eine geschmackliche Verbesserung mit sich“, betont der Ingenieur. Viele Menschen nehmen einen Chlorgeschmack und -geruch des Wassers aus der heimischen Leitung als unangenehm wahr. Bei der neuen Aufbereitungsmethode wird das Wasser, dem weiterhin Flockungsmittel zugesetzt werden, nun in geschlossenen Kesselfiltern gereinigt. „Durch Pumpendruck wird dort mehr Wasser durchgeleitet als beim rein mechanischen Druck bisher“, so Buchsteiner. Es folgt eine Ultrafiltration durch einen Membranfilter, der alles, was größer als 0,2 Mikrometer (0,2 Tausendstel Millimeter) ist, zurückhält. Schließlich wird das Wasser in einem UV-Reaktor desinfiziert, bevor es in den Trinkwasserspeicher geht. Von dort aus wird das Trinkwasser in die Wasserbehälter Schweflinghausen (Ennepetal) und Wengeberg (Breckerfeld) gepumpt. Übrigens: Die UV-Desinfektion wird bereits vielerorts eingesetzt – nicht zuletzt im Wasserwerk Witten-Bommern, an dem die AVU beteiligt ist.
Ganz innovativ soll das neue Wasserwerk am Rohland hinsichtlich der Effizienz sein. Um die Filter zu spülen, wird bisher bereits filtriertes Wasser (Reinwasser) genutzt und anschließend als Abwasser abgeleitet. Mit einer neuen Spülwasseranlage wird dieses Wasser zurück in den Aufbereitungsprozess gegeben, so dass kein Rohwasser „verschwendet“ wird. Dies sei gerade hinsichtlich geringerer Pegelstände eine wichtige Verbesserung, meint Derk Buchsteiner.
Der Standort
„Wir haben natürlich eine Standortanalyse vorgenommen“, erklärt der Leiter Trinkwassererzeugung bei der AVU. Ideal sei eigentlich, ein Wasserwerk in der Auenlage zu platzieren, weil dort der volle Druck aus der Talsperre genutzt werde. Das aktuelle Wasserwerk am Rohland befinde sich oberhalb der Talsperre, das Rohwasser müsse hochgepumpt werden. „Angesichts der vorhandenen Infrastruktur wird der neue Standort aber auf der Freifläche neben der bestehenden Anlage sein“, so Derk Buchsteiner. Dafür werden fünf Reihenhäuser weichen müssen, die einst von AVU-Mitarbeitern bewohnt wurden, als das Wasserwerk noch rund um die Uhr personenbesetzt war. „Die Mitarbeiter sind inzwischen im Ruhestand und die Häuser leer gezogen“, berichtet AVU-Pressesprecher Jörg Prostka.
Die Kunst werde sein, ein neues Wasserwerk neben dem alten zu platzieren, meint Derk Buchsteiner. Zur Inbetriebnahme müsse dann ein Umschluss der Leitungen von Alt auf Neu erfolgen. Um in dieser Zeit die Wasserversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, stünden die beiden Wasserbehälter in Schweflinghausen und am Wengeberg mit je 10.000 Kubikmetern Fassungsvermögen bereit.
Der Zeitplan
2031 will die AVU das neue Wasserwerk in Betrieb nehmen. Der Zeitplan bis dahin sieht vor, dass bis Ende 2024 die Planungen abgeschlossen sind. Gesucht wird aktuell ein Generalplaner. Für 2024/25 ist die Erneuerung der Abwassertechnik vorgesehen. 2025 wird das Baufeld am Rohland freigemacht und 2026/27 die neue Rohwasserleitung von der Talsperre zum Wasserwerk gebaut. Für die Jahre 2027 bis 2030 ist schließlich der Neubau des Wasserwerks geplant, den ein Generalunternehmer errichten soll. Im Zusammenhang mit dem Projekt wird die AVU auch eine Reihe von Leitungen neu bauen beziehungsweise sanieren.
>>>INFO:
Der Aufsichtsrat der AVU hat nicht nur die Mittel für den Neubau des Wasserwerks am Rohland bewilligt, sondern zugleich ein deutliches Bekenntnis zur weiteren Rohwasserentnahme aus der Ennepetalsperre abgegeben. Das Wasser für die Region soll also weiterhin aus der Region kommen.
Das Unternehmen vereinbarte mit dem Ruhrverband, der die Ennepetalsperre betreibt, ab Inbetriebnahme des neuen Wasserwerks für zunächst 30 Jahre Wasser aus der Talsperre entnehmen zu dürfen.
Das Neubauvorhaben hat die AVU bereits der Bezirksregierung Arnsberg vorgestellt. Diese hat eine Zustimmung in Aussicht gestellt, das förmliche Genehmigungsverfahren muss aber noch durchlaufen werden.