Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Der Ansturm bleibt aus, Kunden sind genervt: Die Senkung der Spritsteuer erzielt im Ennepe-Ruhr-Kreis nicht den gewünschten Effekt.
Frust statt Freude: Eigentlich soll die Senkung der Spritsteuer den Verbraucher für die nächsten drei Monate entlasten, doch von Erleichterung ist am Tag der Einführung nichts zu spüren – ganz im Gegenteil. Die Redaktion hörte sich an Tankstellen im Ennepe-Ruhr-Kreis um und stieß größtenteils auf verärgerte und genervte Kunden.
Seit Mittwoch, 1. Juni, trat ein Teil des Entlastungspakets der Ampel-Koalition in Kraft, der die aufgrund des Ukraine-Kriegs steigenden Energiepreise ausgleichen soll. Die Senkung der Spritsteuer findet aber nicht wie in anderen europäischen Ländern direkt bei der Tankstelle statt, sondern bereits bei den Ölgesellschaften. Das Konzept sorgt sowohl bei Verbrauchen als auch bei Pächtern und Betreibern von Tankstellen für verdutze Gesichter. Wie läuft die Rabatt-Aktion ab? Ab wann bekommen die Kunden den vergünstigten Sprit? Die Antworten auf diese Fragen hatte vorab nicht einmal Fatih Ergin, Pächter der SB Tankstelle an der Hagener Straße in Gevelsberg. „Ich bekomme davon nicht so viel mit. Das läuft alles über die Ölgesellschaften“, erzählt Ergin im Gespräch mit der Redaktion. Er hätte sich auch im Vorfeld nicht tiefgehend damit beschäftigt, da er nichts mit der Abwicklung zu tun hat.
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Preise wie vor zwei Wochen
Bei einem Gang über den Platz der Q1 Tankstelle in Ennepetal sind überwiegend genervte Gesichter zu sehen. Ein Blick auf die Preisanzeige zeigt: 1,899 pro Liter Super E10. In den letzten Tagen bewegten sich die Preise für Benzin noch oberhalb der Zwei-Euro-Marke, da müsste die Freude der Kunden über die 20 bis 30 Cent Ersparnis pro Liter eigentlich größer sein, oder? „Das ist doch alles Trickserei“, sagt ein Kunde, als er sich an der Schlange zum Bezahlen anstellt. Bis vor zwei Wochen sei der Spritpreis auf ähnlichem Niveau wie am ersten Tag der Steuersenkung gewesen, nur die Tage davor seien die Zahlen wieder in die Höhe geschossen. Der Kunde, der namentlich nicht genannt werden will, glaubt dabei nicht an einen Zufall und ergänzt: „Vergleicht man die Preise von gestern und heute denkt man sich, dass man die 30 Cent wirklich gespart hat. Vor zwei Wochen habe ich aber genau den gleichen Betrag an der Kasse bezahlt. Das kann doch keiner ernst nehmen.“
Die Verbraucher sind sauer, deutlich schonender ist der Ausflug zur Tankstelle für ihr Portemonnaie nämlich nicht. Auch Kundin Heike Siebert kritisiert den Tank-Rabatt scharf. Auf Gran Canaria würde das System sehr gut laufen, im Gegensatz zu Deutschland, denn dort würden die Leute nachweislich an den Tankstellen sparen. „Hier werden lediglich die Reichen noch reicher, in diesem Fall die Ölgesellschaften. Eigentlich werden die Menschen in diesem Land nur noch in die Irre geführt“, so die Gevelsbergerin. Die paar Cents, die momentan gespart werden, würden nicht viel weiterhelfen.
Kaum positive Resonanzen
Ein älterer Herr reit sich als Nächstes in die Schlange ein, auch für ihn bleibt der gewünschte Effekt aus. Der Spritpreis für Benzin sei zwar momentan wieder bei unter 1,90 Euro pro Liter und das würde auch schick aussehen, aber das sei immer noch kein Vergleich zum vorherigen Jahr. „Jetzt zahle ich vielleicht 1,88 Euro für einen Liter, aber ich habe auch schon mal 1,28 Euro gezahlt. Kann man da von Ersparnis sprechen?“, fragt der Kunde in einem sarkastischen Ton.
Zwischen den verärgerten Gesichtern verbirgt sich dennoch eine Besucherin, die freudestrahlend aus ihrem Auto steigt. Hamiyet Günes freut sich, dass Benzin keine zwei Euro pro Liter kostet. „Die letzten Wochen war der Sprit wieder so teuer, dass ich meist nur für 25 oder 30 Euro getankt habe“, erzählt Günes. Sie sei extra heute zur Tankstelle gefahren, um von dem Rabatt zu profitieren. „Heute fahre ich dann mal wieder mit einem vollen Tank vom Hof“, erzählt Hamiyet Günes lachend.
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Eine positive Einstellung zu der Senkung der Spritsteuer, oder vielmehr dem tatsächlichen Effekt für die Verbraucher, haben nur wenige Befragte an den Tankstellen. Auch der befürchtete Ansturm bleibt im Ennepe-Ruhr-Kreis größtenteils aus. Nur an der Q1-Filiale in Ennepetal füllten sich die Warteschlangen. Ein wesentlicher Unterschied soll laut dem Finanzministerium erst nach und nach festzustellen sein. Ob und wie weit die Preise für Benzin, Diesel und Co. im EN-Kreis noch sinken, bleibt abzuwarten.
Info: Super E10 kostete am Montag im Durchschnitt 2,133 Euro pro Liter, Diesel 2,029 Euro. Bei einer vollständigen Weitergabe der Steuersenkung - ohne weitere Preisschwankungen - ergäbe sich also ein Spritpreis von rund 1,86 Euro für Diesel und von rund 1,78 bei E10. Wie viel der Sprit an der Tankstelle kostet, bestimmen Tankstellenbetreiber und Mineralölkonzerne. Sie sind nicht zur Weitergabe der Steuersenkung verpflichtet. Die Steuerbelastung auf Kraftstoffe sinkt ab Anfang Juni bis Ende August um 35,2 Cent pro Liter bei Superbenzin und um 16,7 Cent pro Liter bei Diesel. Beide Werte sind inklusive Mehrwertsteuer und aus europarechtlichen Gründen das auf diesem Wege maximal mögliche. Die Steuersenkung gilt für drei Monate. Das Finanzministerium hatte darauf hingewiesen, dass Tanken möglicherweise erst nach und nach billiger werden wird.