Gevelsberg. Der Mann, der im Mai in Gevelsberg auf Polizisten geschossen hatte, steht nun vor Gericht. Im Vorfeld kommen neue Details ans Licht.

Es ist ein Fall, der Anfang Mai bundesweit Entsetzen auslöste: Ein damals 36-Jähriger aus Ennepetal eröffnet nachts bei einer Verkehrskontrolle in Gevelsberg plötzlich das Feuer auf einen Polizisten. Erst Stunden später kann ein Sondereinsatzkommando den Mann nach einer weiteren Schießerei stellen. Am 13. Januar soll nun der Prozess gegen ihn vor dem Landgericht Hagen beginnen. Dabei geht es auch um bislang unbekannte Details.

Los ging in der Tatnacht alles eigentlich ganz harmlos: Kurz vor Mitternacht fällt einer Streifenwagenbesatzung auf der Mühlenstraße in Höhe der Kartbahn ein schwarzer 5er BMW älteren Modells auf. Der Wagen trägt ein Oberhausener Kennzeichen. Wohl aufgrund des Fahrstils, so teilte die ermittelnde Staatsanwältin Sandra Ley damals mit, entscheiden sich die beiden Polizisten dazu, den Fahrer auf möglichen Drogenkonsum zu testen. „Er war zunächst auch sehr kooperativ, gab ohne Diskussion eine Urinprobe ab“, hieß es.

Doch dann ändert sich die bis dahin ruhige Situation blitzschnell. Der Deutsche hechtet in sein Auto, hat plötzlich eine Schusswaffe in der Hand und eröffnet das Feuer auf die beiden Polizisten.

Weste rettet Polizisten das Leben

Einer von ihnen, zu dieser Zeit 28 Jahre alt und mit einer schusssichereren Weste bekleidet, geht verletzt zu Boden. Sein Kollege erwidert das Feuer und schießt auf den Wagen des Ennepetalers. Der soll wiederum zurückgeschossen, aber nicht getroffen haben. Mit dem schwarzen Kombi rast er schließlich in Richtung Gevelsberger Innenstadt davon. Vor der Sparkasse kracht er über die Verkehrsinseln, zerstört seinen Wagen.

Nur Minuten später ist Gevelsberg hermetisch abgeriegelt, die ganze Stadt voller Polizei. Ein Sondereinsatzkommando durchsucht Hinterhöfe, Panzerwagen rollen durch die Straßen, auch ein Hubschrauber kreist über der Stadt. Vier Stunden lang jagen die Beamten den bewaffneten Mann. Schließlich schlägt die Kugel eines SEK-Mannes in seinen Oberschenkel ein. Zugriff, Verhaftung.

+++Nichts mehr verpassen: Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Newsletter für Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal+++

Der brutale Angriff löste einen kollektiven Schock aus – auch bei den Beamten der Kreispolizeibehörde Ennepe-Ruhr. Schließlich war es ihr Kollege, auf den der Täter geschossen hatte. Glücklicherweise hatte er lediglich die Schutzweste des jungen Streifenpolizisten getroffen. Die Kugel soll in ihr stecken geblieben sein.

NRW-Innenminister Herbert Reul forderte danach eine gesellschaftliche Debatte über Gewalt und richtete dem getroffenen Polizisten gute Besserung und viel Kraft bei der Verarbeitung dieses traumatischen Erlebnisses aus.

Schon per Haftbefehl gesucht

Der mittlerweile 37-Jährige Schütze muss sich nun wegen diverser Delikte verantworten: Verstoß gegen das Waffengesetz, Fahren ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, versuchter Mord in drei Fällen, davon in zwei Fällen tateinheitlich mit bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in einem Fall tateinheitlich dazu mit gefährlicher Körperverletzung. Auch das unerlaubte Entfernen vom Unfallort führt die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift auf.

Darin heißt es außerdem, dass der Angeklagte in der Tatnacht bereits in einem weiterem Strafverfahren per Haftbefehl gesucht worden sei. Darüber hinaus soll er während der Verkehrskontrolle neben seiner Waffe rund 51 Gramm Heroin in seinem Wagen gehabt haben. Ihm soll bewusst gewesen sein, dass die Drogen im Falle seiner Festnahme bei einer Durchsuchung des Autos gefunden worden wären.

Den Tod des Polizeibeamten habe der Angeklagte während er schoss schließlich billigend in Kauf genommen, heißt es in der Anklageschrift weiter. Auch soll er mit seiner Waffe mindestens drei Schüsse auf einen der SEK-Beamten in der Absicht abgegeben haben, diesen zu töten und sich einer Festnahme zu entziehen.

Der 37-jährige Ennepetaler soll bereits wegen Drogendelikten vorbestraft sein. So sei er wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Er befindet sich laut Gericht derzeit in Untersuchungshaft.

Schwerstes angeklagtes Delikt

Für versuchten Mord als schwerstes angeklagtes Delikt sieht das Gesetz im Regelfall eine Freiheitsstrafe von drei Jahren bis zu 15 Jahren vor. Gefährliche Körperverletzung geht im Regelfall mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren einher, bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Regelfall mit einer Freiheitsstrafe von fünf bis 15 Jahren Freiheitsstrafe.

Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort wird normalerweise mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet. Fahren ohne Fahrerlaubnis bringt eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr mit sich. Für den dem Angeklagten zur Last gelegten Verstoß gegen das Waffengesetz sieht das Gesetz im Regelfall eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vor.

Für das Verfahren sind insgesamt 16 Hauptverhandlungstage bis zum 17. März 2021 vorgesehen.

Weitere Nachrichten aus Ihrer Stadt finden Sie auch hier.