Gevelsberg. Volker Schmidt ist einer von wenigen männlichen Sterbebegleitern für das Hospiz Emmaus in Gevelsberg. Darum hat er sich dafür entschieden.
Für Volker Schmidt sind es Kleinigkeiten. Für Kinder und Jugendliche, deren Geschwister oder Eltern sterbenskrank sind, machen sie aber einen großen Unterschied. Einfach mal rausgehen und sich einen schönen Tag machen. Scherzen und lachen können. Schlichtweg Normalität erleben. Ohne die alles bestimmende Krankheit, wegen der sie sich selbst zurücknehmen und in den Hintergrund treten.
So in etwa beschreibt Volker Schmidt seine Aufgabe als ehrenamtlicher Sterbebegleiter für das Ökumenische Hospiz Emmaus in Gevelsberg. Jahrelang engagierte sich der 50-Jährige, der selbst Vater ist, während seiner Freizeit als Trainer im Jugendsport. Nicht zuletzt deshalb soll und möchte er für das Hospiz vor allem junge Menschen begleiten. Dabei ist auch entscheidend, dass er ein Mann ist.
Anderer Zugang zu Menschen
Männer sind in der ehrenamtlichen Hospizarbeit nämlich schwer zu finden. Ein Problem, das auch die Einrichtung in Gevelsberg kennt. Deshalb hat das Emmaus-Team einen Männerschnupperkurs eingerichtet. Der lief über vier Abende und beinhaltete auch ein Praktikum – beispielsweise im Altenheim, bei der Lebenshilfe, beim palliativen Dienst oder im stationären Kinderhospiz.
Ein Angebot mit Erfolg. Von elf Teilnehmern haben acht schließlich direkt am Qualifizierungskurs zum ehrenamtlichen Sterbebegleiter teilgenommen. Passend zum Welthospiztag am 9. Oktober 2021 erhielten sie ihre Zertifikate.
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Sie können die Sterbebegleitung künftig um etwas bereichern, das sich am ehesten wohl als ein anderer Zugang zu bestimmten Menschen beschreiben lässt.
Viele Möglichkeiten für Helfer
Volker Schmidt kann dafür ein konkretes Beispiel nennen. Er hat sein Praktikum für den Qualifizierungskurs in einem Hospiz in Gelsenkirchen gemacht, wo er mit schwerstbehinderten Kindern und Jugendlichen arbeitete, die eine verkürzte Lebenserwartung haben. „Da hatte ich einen Jugendlichen Mitte 20, dem ich helfen sollte, sich zu rasieren“, erinnert sich der Gevelsberger. „Bei den Frauen aus der Einrichtung hat er sich dagegen gewehrt.“
Also sprach Schmidt mit dem jungen Mann, lockerte die Situation noch mit einem Witz auf. „Ich meinte, wenn wir gleich in die Disko wollen, müssen wir uns jetzt die Haare schneiden“, erzählt er. „Das hat geklappt. Er war locker und die männliche Stimme hat geholfen. Das kannte er nämlich von zuhause.“
Volker Schmidt weiß, dass es Sterbende gibt, die beim Hospiz speziell nach männlichen Begleitern fragen. Dabei seien die Möglichkeiten, sich einzubringen, vielfältig. Ein einfaches Gespräch, ein offenes Ohr oder ein stillschweigender Spaziergang können schon reichen, die Schritte auf dem letzten Weg zu erleichtern.
Eigene Erfahrungen gemacht
Das wissen die ehrenamtlichen Sterbebegleiter beim Hospiz Emmaus in Gevelsberg auch aus eigener Erfahrung. „Jeder von uns hatte irgendeinen Sterbefall und hat da mal was erlebt“, sagt Schmidt. Bei ihm waren es gleich mehrere Todesfälle in seinem persönlichen Umfeld, die ihn dazu brachten, sich mit den Themen Hospiz und Sterbebegleitung zu beschäftigen.
Premiere für Hospiz
Der Männerqualifizierungskurs ist eine Premiere für das Emmaus-Hospiz, weil es erstmalig einen Kurs für Männer und einen für Frauen gab. Weitere Informationen zum Thema unter www.hospiz-emmaus.de,02332/61021 und info@hospiz-emmaus.de
Einen Teil des Qualifizierungskurses macht daher auch die sogenannte Biographie-Arbeit aus, bei der sich die Teilnehmer mit ihren eigenen Erlebnissen auseinandersetzen. „Man muss seine eigenen Sachen auf der Kette haben, bevor man sich mit so einem Thema befasst“, erklärt Volker Schmidt den Hintergrund dessen. „Das Hospizteam setzt Ehrenamtliche aber auch in Situationen ein, die sie nicht überfordern, wie es bei besonders schlimmen Fällen der Fall wäre.“ Die Unterstützung für die Ehrenamtlichen durch die Einrichtung sei groß.
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„Wenn etwas kommt, gibt es Gesprächsgruppen im Hospiz, in denen Dinge aufgearbeitet werden“, sagt der 50-Jährige. Er wirbt dafür, dass sich noch mehr Helferinnen und Helfer beim Gevelsberger Hospiz melden. „Es gibt genug Möglichkeiten, sich einzubringen. Und wenn man einfach im Altenheim Getränke verteilt und dabei kurz mit den Bewohnern quatscht“, gibt er ein Beispiel. Außerdem betont Schmidt: „Es ist keine Verpflichtung, wenn man mal keine Zeit hat, ist das in Ordnung.“
Lebens- statt Sterbebegleitung
Ihm selbst gibt dieses Ehrenamt viel. Allein, wenn er auf sein Praktikum im Kinder- und Jugendhospiz in Gelsenkirchen zurückblickt. „Das war eine schöne Zeit, weil man einfach mit anpacken und helfen konnte“, erinnert er sich. „Das war tief bewegend.“
Aus Schmidts Sicht haben viele ein falsches Bild vom Hospiz. „Die denken, ein Hospiz wäre etwas Endgültiges“, sagt er. „Wenn sie ins Hospiz kommen, kommen sie nicht wieder zurück. Deshalb gehen sie nicht hin.“ Und ja: Die Hauptaufgabe sei die Sterbebegleitung. Aber: „Treffender ist, dass es eine Lebensbegleitung ist“, schildert der Gevelsberger seine Sicht auf das Thema. „Es ist der letzte Lebensweg, aber trotzdem kann man ja noch schöne Tage haben.“