Gevelsberg. Das Hospiz Emmaus in Gevelsberg hat einen Schnupperkurs für männliche Sterbebegleiter durchgeführt. Warum das so wichtig ist.
„Wie oft sagt man sich, lebe jeden Tag so, als ob es der letzte wäre. Und am nächsten Morgen ist dieser Vorsatz schon wieder vergessen“, sagt Jürgen Krause und spricht dabei auch von sich selbst. Was ihn verändert hat, ist der Verlust seines Vaters, seine Zeit im ökumenischen Hospiz Emmaus und der Wunsch, sich zum ehrenamtlichen Trauer- und Sterbebegleiter ausbilden zu lassen: Weil er helfen will, weil es zu wenige Männer gibt und weil diese Erfahrung auch sein Leben bereichert.
In unserer Zeitung hat er gelesen, dass es im Hospiz 50 ehrenamtliche Sterbebegleiter gibt, aber nur fünf Männer. „Da besteht ein Bedarf“, habe er sich damals gedacht und zum Hörer gegriffen. Insgesamt waren es am Ende zehn Interessierte, die sich für den Schnupperkurs für Männer gemeldet haben. Es war der erste dieser Art, aber garantiert nicht der letzte, da sind sich die Verantwortlichen im Hospiz sicher. „Diese Abende haben mir viel gebracht“, sagt Teilnehmer Volker Schmidt.
Die Gespräche, die Themen, die besondere Atmosphäre. Auch das Hospiz profitiert davon. Die meisten wollen sich nämlich weiter ehrenamtlich engagieren, „einige haben sich bereits für die nächste Qualifizierung angemeldet“, sagt Michaela Pesenacker, die immer auf der Suche nach personeller Verstärkung im Team ist.
Es besteht ein hoher Bedarf
Sie erzählt von den vielen Menschen, die im Ennepe-Ruhr-Kreis begleitet werden, vom hohen Bedarf, den unterschiedlichen Lebensgeschichten und Bedürfnissen. „Manch einer braucht einen Mann an seiner Seite“, erklärt die stellvertretende Geschäftsführerin vom Hospiz Emmaus. „Das bedeutet nicht, dass Männer etwas besser machen“, betont Dirk Locatelli, sondern nur anders.
Er ist seit fünf Jahren ehrenamtlich im Hospiz-Team dabei, hat gemeinsam mit Georg Siegler durch die Abende geführt und weiß, dass es nicht immer nur ums Reden geht. „Manchmal reicht es einfach nur, ein Stück zusammen spazieren zu gehen und gemeinsam zu schweigen.“ Dirk Locatelli erzählt auch von seinem Vater und davon, was er gebraucht hätte. Männer kommunizieren anders, seien oftmals pragmatischer veranlagt und gehen anders mit Trauer um.
Auch bei Jürgen Krause war es der Tod des Vaters, der ihn zum Hospiz führte. Während seine Schwestern redeten, hat er oftmals nur die Hand gehalten. „Es war keine belastende Stille, es tat uns beiden gut.“ Er war auch dabei, als das Leben den Körper seines Vaters verließ. In diesem Augenblick hätten seine Augen gestrahlt, „da war keine Angst. Das hat auch mir die Angst genommen“, erzählt er. In dieser Zeit des Abschiednehmens habe er viel gelernt – vor allem über das Leben.
Bei Volker Schmidt waren es gleich mehrere Todesfälle im engen Umkreis. Der Tod eines Freundes erschütterte ihn besonders, was ihn letztlich dazu brachte, vieles zu überdenken. Und die Erkenntnis, wie viel es bewirken kann, einfach nur da zu sein. Er erzählt von der Mutter zweier Kinder, ihrem verstorbenen Mann und wie gut es den Kindern tut, sie ein paar Stunden abzulenken.
Er engagierte sich seit 14 Jahren im Jugendsport, jetzt möchte er beim Hospiz mithelfen. Aber nicht als Trauer- oder Sterbebegleiter, soweit sei er noch nicht. „Es gibt viele andere Möglichkeiten, um sich im Hospiz einzubringen“, weiß Michaela Pesenacker. Projektarbeit mit Kindern und Jugendlichen, Öffentlichkeitsaktionen, Fahrten zum Arzt oder zu Behörden, Kontakte herstellen, die Möglichkeit zu helfen sei vielfältig.
Voraussetzungen für die Aufgabe
Was man mitbringen muss, um dieser Aufgabe gewachsen zu sein? „Wichtig ist die Bereitschaft, sich selbst zu hinterfragen“, sagt die Frau vom Hospiz. Dazu gehören auch emotionale Stabilität, Empathie und die Freude, sich immer wieder neu auf unterschiedliche Menschen einzulassen. Zudem hätten viele Ehrenamtliche eigene Verlusterlebnisse, die sie zur Hospizarbeit bringen, und die sie auch gestärkt hätten. Sie freut sich, dass das ehrenamtliche Team größer wird, wodurch auch das Angebot erweitert werden könne.
Noch individueller und persönlicher. „Die Trauer steht im Hospiz nicht im Mittelpunkt“, weiß Michaela Pesenacker. Es geht darum, die Zeit, mit Freude zu gestalten, besondere Erinnerungen zu schaffen. Für alle Beteiligten.
„Ich bin kein selbstloser Samariter“, sagt Jürgen Krause. „Mir bringt das was, hier mitzumachen.“ Er kann jedem nur empfehlen, sich mehr mit dem Thema auseinander zu setzen. Er weiß jetzt, dass „wenn es auf den Tod zugeht, es zu spät ist, Dinge zu regeln, die schief gelaufen sind. Dann geht es um andere Dinge, vieles spielt für den Sterbenden keine Rolle mehr. Man sollte also nichts aufschieben.“
Er hat erfahren, dass man in Würde sterben könne, dass es ein wunderbares Netzwerk im Ennepe-Ruhr-Kreis gebe, dass man nicht allein sein müsse, „und dass es nicht nur um Trauer geht“. Er freut sich auf die nächsten Treffen. Der erste Schnupperkursus ist zwar vorbei, die Gruppe wird aber weiter regelmäßig zusammenkommen, während der zweite Kurs bereits vorbereitet wird. Wieder nur für Männer.
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