Ennepe-Ruhr/Gevelsberg. In Gevelsberg entsteht eine Long-Covid-Selbsthilfegruppe. Für den südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis soll es das erste Angebot dieser Art sein.
Es ist ein Angebot, das es in der Form im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis noch nicht gibt. Das sagt zumindest Susanne Auferkorte von der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe (Kiss) in Gevelsberg. Sie hat einen Überblick über Anlaufstellen für von Long-Covid Betroffene in ganz Deutschland. Im Ennepe-Ruhr-Kreis gibt es nach ihren Angaben sonst nur eine Selbsthilfegruppe in Witten.
Das soll sich jetzt ändern. Im März möchte die Kiss ein eigenes Angebot schaffen, das denen, die nach ihrer Covid-19 Erkrankung immer noch mit den Folgen kämpfen, eine Möglichkeit zum Austausch mit anderen Betroffenen bieten soll.
Den Anstoß dazu hat die Gevelsbergerin Anja Oetzel gegeben. Sie kämpft seit 2020 mit Long-Covid und weiß sehr genau, was die Krankheit, über die in der breiten Gesellschaft immer noch nicht viel bekannt ist, anrichten kann – und mit welchen Schwierigkeiten es die Betroffenen über das Körperliche hinaus noch zu tun kriegen.
Früh in der Pandemie angesteckt
Schlaflosigkeit in der Nacht. Erschöpfung am Tag. Konzentrationsstörungen und kognitive Einschränkungen. Anja Oetzel vergisst selbst die einfachsten und alltäglichen Wörter plötzlich. Selbst ihre Arbeitsstelle hat sie von Vollzeit auf 33 Stunden in der Woche reduziert. Trotzdem sei sie zwischendurch immer wieder krank ausgefallen.
Gründungstermin
Termin zur Gründung für die Long-Covid-Selbsthilfegruppe bei der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe (Kiss), Kölner Straße 25 in Gevelsberg, ist Donnerstag, 17. März, 16 Uhr.Information und Anmeldung: Kiss, 02332/66 40 29, kiss-ensued@en-kreis.de
Die 45-Jährige hat sich recht früh in der Pandemie mit dem Coronavirus angesteckt. „Bei mir hat man am Anfang gesagt, ich hätte eine Bronchitis“, hat sie schon einmal im Interview mit dieser Redaktion gesagt. Sie fühlte sich von den Ärzten nicht ernst genommen.
Später erhält sie die Diagnose Long-Covid-Syndrom, auch von einem Fatigue-Syndrom ist die Rede. Anhaltende Müdigkeit und Antriebslosigkeit sind Anja Oetzels ständige Begleiter. Von Anfang September bis Anfang Oktober 2021 verbrachte sie mehrere Wochen in einer Reha-Einrichtung in Hessen, die nach eigenen Angaben ein Therapiekonzept speziell für Menschen entwickelt hat, die sich körperlich und mental von einer Covid-19-Erkrankung erholen müssen. Die Gevelsbergerin wird daraus aber arbeitsunfähig wieder entlassen.
Austauschmöglichkeit wichtig
Der Kontakt zu anderen Long-Covid-Betroffenen habe ihr gezeigt, wie unterschiedlich die Folgen der Erkrankung sein können, so Anja Oetzel. Heute weiß sie: „Es ist wichtig, dass es Austauschmöglichkeiten gibt.“ Besonders, weil nicht jeder das Thema ernst nehme. „Man sieht die Erkrankung nicht. Man muss dem ganzen ein Gesicht geben und zeigen, dass es sie gibt“, macht die 45-Jährige klar.
Besagte Austauschmöglichkeit wollte sie schließlich selbst schaffen. Ihr Hausarzt gab ihr die Empfehlung, sich dafür an die Kiss zu wenden. Dort rannte sie offene Türen ein. „Das ist sehr glücklich gelaufen“, freut sich Susanne Auferkorte, die die Kontakt- und Informationsstelle leitet. „Das Netzwerk an Covid-Selbsthilfegruppen in Deutschland wächst.“
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Die Kiss bietet an der Kölner Straße in Gevelsberg nun die Räumlichkeiten und die organisatorische Unterstützung für ein eigenes Angebot. „Die Treffen sollen unten in unserem großen Raum ebenerdig stattfinden“, erklärt Auferkorte. Das komme denen entgegen, die sich wegen ihrer Erkrankung mit Treppensteigen schwertäten. „Frau Oetzel hat uns auch empfohlen, die Termine nicht spätabends stattfinden zu lassen.“ Das sei einfacher für diejenigen, die wie Anja Oetzel selbst auch mit einem Fatigue-Syndrom zu kämpfen hätten.
Auch Angehörige einladen
Die Treffen bei der Kiss finden unter Einhaltung der geltenden Coronaschutzverordnung statt. Heißt: Maximal 15 Personen können an den Treffen teilnehmen. Es gilt 3G, mitmachen kann also, wer geimpft, genesen oder getestet ist. „Wir bieten den Leuten an, sich vorab schon einmal bei uns zu melden und zu informieren“, erklärt Susanne Auferkorte. „Wir erklären dann zum Beispiel, was Selbsthilfe eigentlich ist, nämlich der Austausch von Betroffenen. Da ist kein Therapeut mit bei.“
Die Kiss-Leiterin wird die Gruppen-Treffen am Anfang begleiten und anleiten, bis diese eigenständig ablaufen können. „Dann können wir schauen, wie sich die Gruppe orientiert“, so Auferkorte weiter. „Also ist es ein reiner Gesprächskreis oder wollen wir zum Beispiel auch Experten zu bestimmten Therapien einladen?“ Auch Entspannungsübungen oder Ausflüge in die Natur seien denkbar. „Da kann man wirklich ganz kreativ sein“, ermutigt die Diplom-Sozialarbeiterin.
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Anja Oetzel macht direkt einen Vorschlag: „Vielleicht kann man auch die direkten Familienangehörigen einladen.“ Sie weiß aus eigener Erfahrung, dass für diese bestimmte Situationen vor dem Hintergrund der Erkrankung nicht immer ganz nachzuvollziehen sind. „Deswegen ist es so wichtig, darüber zu informieren, was Long-Covid ist“, macht Susanne Auferkorte klar.