Ennepetal. Nachdem das Hochwasser im Heilenbecker Tal in Ennepetal eine Zuwegung zu vier Häusern zerstörte, könnte den Bewohnern die Zwangsräumung drohen.
Den Bewohnern von vier Häusern an der Heilenbecker Straße droht die Räumung. Weil das Hochwasser im Juli die Zuwegung, die über die an der Stelle verrohrte Heilenbecke führte, zerstört hat, können Feuerwehr und Rettungsdienst die zum Teil Jahrhunderte alten Häuser nicht mehr erreichen. Die Eigentümerin des Grundstücks, über das die Anlieger fahren müssen, will den Weg nicht wiederherstellen. Da eine schnelle Einigung nicht in Sicht scheint, sieht sich die Ennepetaler Stadtverwaltung möglicherweise gezwungen, den Bewohnern die Nutzung ihrer Häuser zu untersagen.
Der Fall ist kompliziert: Die Fluten aufgrund des Starkregens im Juli richteten im Heilenbecker Tal stellenweise erhebliche Schäden an (wir berichteten). In besagtem Bereich wurde die Verrohrung des Flusses auseinandergerissen und der darüber führende Weg zerstört. Diesen nutzten seit Jahrzehnten die Bewohner der dahinter liegenden Häuser. Dazu mussten sie über ein privates Grundstück fahren, zu dem der Weg über die Heilenbecke ebenfalls gehört. „Ein Wegerecht gibt es aber nicht“, sagt der Anwalt der Grundstückseigentümerin, Meinolf Schütte. Es gebe keinen Eintrag oder einen entsprechenden Vertrag. Die Eigentümerin habe es einfach hingenommen, dass ihr Grundstück von den Nachbarn benutzt wird.
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Beim Hochwasser habe seine Mandantin nur mit Müh’ und Not verhindern können, dass Wasser in ihr Haus eindringt, erklärt der Rechtsanwalt im Gespräch mit dieser Zeitung. Zudem seien Teile ihrer dort befindlichen Firma beschädigt worden. Um die Überflutungsgefahr für die Zukunft einzudämmen, soll das Flussbett an der Stelle verbreitert werden. Dem Vorhaben habe die Untere Wasserbehörde beim Ennepe-Ruhr-Kreis zugestimmt, so Meinolf Schütte. Kreis und Stadt streben ohnehin seit einigen Jahren an, den Flusslauf aus Gründen des Hochwasserschutzes offener zu gestalten.
Anwälte eingeschaltet
Die Grundstückseigentümerin wolle vor dem Hintergrund dieser Pläne die asphaltierte Zuwegung über die Heilenbecke nicht wiederherstellen, weil sie diese selbst überhaupt nicht benötige, sagt Schütte. Die Bewohner der dahinter liegenden Häuser könnten ihrer Meinung nach einen Forstweg der wenige hundert Meter entfernt auf die Heilenbecker Straße treffe, nutzen. Aus den Reihen der Anwohner sei allerdings die Erwartung geäußert worden dass die Eigentümerin den Weg auf ihre Kosten wieder herstellt.
Nachdem die Stadtverwaltung von dem Problem erfahren hatte, wollte diese die Beteiligten an einen Tisch holen, um nach einer Lösung zu suchen. Doch noch bevor dieses Treffen stattfinden konnte, habe ein Anlieger einen Anwalt eingeschaltet, berichtet Meinolf Schütte „Daraufhin meinte meine Mandantin, dass ein Gespräch nichts bringt.“
Aus den Reihen der Nachbarn widerspricht man der Darstellung von Meinolf Schütte. „Wir gehen davon aus, dass die Wiederherstellung des Weges aus der Hochwasserhilfe des Landes zu 80 Prozent finanziert werden kann“, sagt eine der Betroffenen, die ungenannt bleiben möchte. „Die restlichen 20 Prozent würden wir dann durch vier teilen. Die Grundstückseigentümerin habe dann gar keine Kosten. „Und wenn die Heilenbecke umgeleitet werden soll, wären wir sogar bereit, etwas Grundstück abzugeben, um den Weg darüber zu führen.“
Anlieger: Forstweg ungeeignet
Die Anwohnerin sagt auch, dass es ein altes Wegerecht von 1888 für Pferdefuhrwerke gebe. Inwieweit das zum Tragen kommen könnte, müsse juristisch geprüft werden. Sie machte auch deutlich, dass der Forstweg keineswegs eine geeignete Verbindung zur Heilenbecker Straße darstelle. Höchstens mit Allradantrieb komme man mit großer Mühe über den mehrere hundert Meter langen Weg, der mitten durch den Wald führt. Der Weg ist in einem erkennbar schlechten Zustand.
Laut Meinolf Schütte berufe sich der Anwalt eines Anliegers auf das so genannte Notwegerecht, das im BGB geregelt ist. In §917, Abs. 1 BGB heißt es, dass der Eigentümer eines Grundstücks, dem „die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege“ fehlt, von den Nachbarn verlangen kann, „die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung“ zu dulden. „Wir bestreiten, dass in diesem Fall ein Notwegerecht besteht, da es eben einen anderen Weg über den Forstweg zum öffentlichen Straße gibt“, erklärt Meinolf Schütte. Er ergänzte, dass im Falle der Anwendung dieses Paragraphen die Nutznießer – also die Eigentümer der dadurch erreichbaren Grundstücke – die Kosten für den Notwegebau tragen müssten. Darüber hinaus besagt §917 Abs. 2 BGB, dass die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, durch eine Geldrente zu entschädigen sind.
Regelung in Landesbauordnung
In der Landesbauordnung heißt es: „Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Zur Brandbekämpfung muss eine ausreichende Wassermenge zur Verfügung stehen (§14BauO NRW).Auf dieser Grundlage wäre die Stadt gezwungen, tätig zu werden, wenn – wie im konkreten Fall – ein Wohnhaus nicht oder nicht rechtzeitig von Rettungskräften zu erreichen ist. Eine Nutzungsuntersagung zu Wohnzwecken gehört zu den denkbaren Maßnahmen.
Die Fronten sind offenkundig verhärtet, es droht eine gerichtliche Auseinandersetzung. Daher befasst sich die Stadtverwaltung mit einer tiefgreifenden Maßnahme: Aufgrund des Bauordnungsrechts müsse man in Erwägung ziehen, den Bewohnern der Häuser die Nutzung zu Wohnzwecken zu untersagen, wie Stadt-Pressesprecher Hans-Günter Adrian auf Nachfrage dieser Zeitung erklärte. Kurz gesagt: Die Betreffenden müssten ihre Häuser räumen. Man habe ihnen in Gesprächen bereits deutlich gemacht, dass dies auf sie zukommen könne, wenn es keine einvernehmliche Lösung gebe, so Adrian. Hintergrund: Die Feuerwehr habe Befahrungsversuche auf dem besagten Forstweg gemacht und sei gescheitert. Feuerwehr und Rettungsdienst können die vier Häuser im Notfall also nicht erreichen – und schon gar nicht in der vorgegebenen Zeit und Stärke.
Nachdem inzwischen ein weiteres anwaltliches Schreiben von Seiten der Anlieger eingegangen sei, so Adrian, müsse man nun zunächst juristisch prüfen, welche Maßnahmen man tatsächlich ergreifen werde.