Dortmund. Über 100 Frauen haben sich informiert, wie sie in der Dortmunder Politik mitmischen könnten. Sogar eine eigene Frauen-Partei könnte sich eine von ihnen vorstellen.
In Deutschland gibt es mehr Bürgermeister, die Thomas heißen, als Bürgermeisterinnen. Für diesen gar nicht mal so lustigen Fun Fact ist Dortmund das beste Beispiel. Doch das soll sich ändern. Mit dem Programm „She For Democracy“ will die Stadt Frauen dazu auffordern, in der Politik mitzumischen. Das Interesse ist offenbar da: Zum Auftakt der Kampagne sind über 100 Frauen ins Rathaus gekommen.
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Der ganze Ratssaal voll besetzt mit Frauen: Es ist schon ein mehr als ungewöhnliches Bild, das sich da am Freitagabend im Rathaus am Friedensplatz bietet. Kein Platz mehr frei, einige Teilnehmerinnen warten daher vor der Tür geduldig auf die anschließenden Gesprächsrunden. Warum sie sich die Mühe machen? „Jetzt ist nicht mehr die Zeit zu schweigen“, sagt eine der Wartenden energisch. „Unsere Zukunft ist gefährdet.“
Gleichstellungsbeauftragte will Dortmund zum Vorbild machen
Die junge Dortmunderin könnte sich von daher gut vorstellen, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren. Bei welcher Partei? Da ist sie sich noch nicht sicher. Nur bei „dieser links woken Bewegung“ soll es sicher nicht sein. Auch andere Teilnehmerinnen sind an diesem Abend noch auf der Suche nach dem passenden Bündnis. Lisa hört sich an, was „Volt“ so alles vorhat – und ist angetan von der Pro-Europa-Partei. „Den Termin vom nächsten Stammtisch habe ich mir notiert“, sagt die 24-Jährige. „Da werde ich auf jeden Fall mal hingehen.“
So etwas hören Katrin Kieseier und Maresa Feldmann vom Gleichstellungsbüro gerne. „Es wäre wunderbar, wenn uns Frauen in ein paar Jahren sagen würden: 2025 habe ich an eurem Programm teilgenommen – und jetzt bin ich in der Politik aktiv“, so die Gleichstellungsbeauftragte Feldmann. Schließlich wolle die Stadt mit der Kampagne den Umbruch in der Gesellschaft begleiten. „Ich hoffe, Dortmund kann da als Vorbild für andere Kommunen dienen.“
Frauen liegen viele Themen auf dem Herzen
Mit dem Zulauf beim Auftaktabend sind die beiden Veranstalterinnen daher mehr als zufrieden. Ganz viele neue Gesichter hätten sie gesehen, junge wie alte, mit Kinderwagen und mit Rollstuhl. Über 100 Teilnehmerinnen seien ein toller Start. Kieseier: „Ich wäre schon mit 50 zufrieden gewesen.“
Doch was hat die Frauen hergetrieben? Bei der Frage, welche Probleme in Dortmund im Argen liegen, brauchen die Befragten jedenfalls nicht lange zu überlegen. Mehr Busse und Bahnen und eine bessere Fahrradinfrastruktur wünscht sich Sonia Martins. Die Kultur möchte Juso-Frau Eva Bielecki stärken, Sozialarbeiterin Mariele liegen Obdachlose und Drogensüchtige am Herzen. „Auch gegen die Kinderarmut müsste man was tun.“
„Politik braucht einen langen Atem“
Sicherheit von Frauen stünde bei Jenny Kolbus ganz oben auf der Liste. „Im Hauptbahnhof etwa sollten sie sich auch abends wohlfühlen können“, sagt sie. Die Jugendreferentin des evangelischen Kirchenkreises würde sich wünschen, dass Frauen stärker ermutigt würden, in den politischen Gremien mitzumachen. „Sie müssen mehr gefragt werden, sonst trauen sie sich das nicht zu.“
Sonia Martins geht einen ganzen Schritt weiter. Anstatt sich über die Verhältnisse zu beschweren, will sie lieber selbst was tun – und das gründlich. Die 41-jährige Prozessmanagerin überlegt, eine eigene Partei nur für Frauen zu gründen. „Denn ich bin überzeugt, dass Frauen Konflikte anders lösen.“
Wie das funktionieren könnte und welche Hürden es gibt, darüber hat sie sich bei den Eröffnungsvorträgen und den anschließenden Gesprächsrunden informiert. Acht Ratsvertreterinnen standen den Besucherinnen Rede und Antwort. „Lasst euch aufstellen“, riet etwa Birgit Unger, sachkundige Bürgerin für die Grünen, einer Unschlüssigen. Etwas ändern könne schließlich nur der, der mitmache. Schnelle Ergebnisse sollten die Frauen dabei aber nicht erwarten. „Politik braucht einen langen Atem.“
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Lisa und Mariele kann das das nicht schrecken. „Der Abend war wirklich inspirierend“, meinen die 24-Jährigen. „Er hat uns wirklich Mut gemacht.“
So geht das Programm weiter: Kommunalpolitik für Einsteigerinnen – Mitreden, Mitgestalten, Bewegen, Di 25. Februar, 18 bis 20 Uhr, online; Workshop: „Mutmuskeltraining© “ – Für mehr Mut auf Ihrem Weg in die Kommunalpolitik, Sa 22. März, 9 bis 15 Uhr, Rathaus. Mehr Infos gibt es hier.
Der Artikel wurde zunächst am 20. Januar 2025 veröffentlicht.
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