Dortmund. Wieder nichts verstanden? Heilpädagogin Antje Klöcker berät schwerhörige Menschen in Dortmund. Warum teure Geräte nicht immer die besten sind.

Schwerhörig wird man nicht mit einem Paukenschlag. Oft ist es ein schleichender Prozess. Am Anfang wundern sich die Menschen vielleicht, warum sie im Freundeskreis mal wieder die Pointe bei einem Witz verpasst haben. Dann fällt ihnen auf, wie oft sie im Job „Wie bitte?“ sagen. Und dann klingeln die Nachbarn mit der Bitte, den Fernseher leiser zu drehen, weil sie die neue Netflix- oder Amazon-Serie bei sich in der Wohnung laut mitsprechen können. Spätestens jetzt ist es Zeit für einen Hörtest.

Antje Klöcker, die als Diplom-Heilpädagogin im Zentrum für Gehörlosenkultur in Dortmund schwerhörige Menschen berät, empfiehlt, zunächst einen HNO-Arzt aufzusuchen, bevor man zum Hörgeräteakustiker geht. Denn nur er kann auch ein Hörgerät verordnen, dessen Kosten für eine einfache Hilfe die Krankenkasse übernimmt. Der Arzt oder die Ärztin können zudem Krankheiten ausschließen.

Die WHO warnt vor dem ständigen Lärm

Antje Klöcker betont, dass die ständige Beschallung, vor der die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt, nur eine mögliche Ursache für Schwerhörigkeit ist. „Es kann sich auch durch eine Viruserkrankung eine Hörschädigung entwickeln.“ Eine genetische Veranlagung sei ebenfalls möglich, Hörsturz, Medikamenteneinfluss, Drogenmissbrauch, zählt sie weitere Gründe auf. Auch kann der Arzt oder die Ärztin überprüfen, ob sogenannte Cochlea Implantate das Hören wieder verbessern können.

Diplom-Heilpädagogin Antje Klöcker berät schwerhörige Menschen in Dortmund.
Diplom-Heilpädagogin Antje Klöcker berät schwerhörige Menschen in Dortmund. © Markus Mielek / mielek.com | Markus Mielek / mielek.com

Und manchmal kommt die Erleichterung für Betroffene schneller als gedacht: Wenn der HNO-Arzt oder die Ärztin die Ohren ausspülen. „Bei sehr leichten Fällen der Schwerhörigkeit wäre das eine mögliche Lösung des Problems.“

Wenn Menschen jedoch auch dann ihr Gegenüber nicht mehr richtig verstehen, wird der Arzt oder die Ärztin ein Hörgerät verordnen. Und mit diesem Schreiben geht man zu einem Hörgeräteakustiker. „Es ist wichtig, dass man einen Akustiker seines Vertrauens findet“, betont die 41-Jährige. „Man sollte nicht das Gefühl haben, er will mir einfach nur etwas verkaufen. Er sollte darauf eingehen, was ich brauche. Benötige ich zum Beispiel wirklich Bluetooth?“ Nicht jeder möchte sein Hörgerät mit dem Handy verbinden, um darüber zum Beispiel Musik zu hören oder zu telefonieren.

Hörgeräte mit T-Spule helfen bei Veranstaltungen

Als wichtig erachtet Antje Klöcker jedoch die sogenannte T-Spule. Mit der können Betroffene wieder Veranstaltungen in Räumen folgen, die über eine induktive Höranlage verfügen. Das Signal kommt dann direkt aufs Ohr, ohne dass Nebengeräusche oder Nachhall den Klang stören. Auch lassen sich so zusätzliche Geräte anschließen, etwa um besser an Konferenzen teilnehmen zu können.

Hörgeräte darf man zunächst im Alltag testen, bevor man sich entscheidet. Antje Klöcker empfiehlt, mit einem zuzahlungsfreien Gerät zu beginnen, das von der Krankenkasse finanziert wird. „Mit den günstigeren Geräten kommt man im Leben weiter, man kann wieder Lebensqualität gewinnen.“ Wenn jemand also mittellos ist, müsse das nicht heißen, dass man abgehängt wird. Wer sich mehr leisten kann, testet vielleicht später noch ein Hörgerät mit weiteren Funktionen. Ein Gerät kann dadurch mehrere Tausend Euro zusätzlich kosten.

Sobald man einem Gespräch nicht mehr folgen kann, wird es Zeit für einen Hörtest.
Sobald man einem Gespräch nicht mehr folgen kann, wird es Zeit für einen Hörtest. © Shutterstock / Kittyfly | Kittyfly

„Zu den einzelnen Geräten kann man ein Hörtagebuch führen“, so Antje Klöcker. Das gebe es zum Beispiel vom Deutschen Schwerhörigenbund. Dort notiert man sich, wie man mit dem Gerät in allen möglichen Lebenslagen hört: im Gespräch, beim Spaziergang, im Meeting oder in der vollbesetzten Kantine oder im Restaurant. Wie klingt es beim Telefonieren? „Solch ein Tagebuch hilft später bei der Argumentation gegenüber der Krankenkasse, warum ich als schwerhöriger Mensch dieses oder jenes Hörgerät benötige.“

Bei der Technik habe sich in den vergangenen zehn Jahren viel getan, so Antje Klöcker. „Aber ein Hörgerät ist ein Gerät, das erstmal alles lauter macht in der Umgebung.“ Somit bliebe es für hörgeschädigte Menschen weiterhin eine Herausforderung, anderen Personen beim Gespräch in einem lauten Restaurant zu folgen. „Beim aktuellen Stand der Technik ist es noch so, dass man da nicht alles wegfiltern kann, auch nicht mit Richtmikrofonen.“ Das ist eine Funktion, mit der das Hörgerät erkennt, zu welcher Geräuschquelle man seinen Kopf richtet.

Vertrauen zum Hörgeräteakustiker

Es komme schließlich auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Hörgeräteakustiker an, betont Antje Klöcker: „Wie kann er das Gerät optimieren für meine Bedarfe?“ Manchmal hilft auch noch eine Zusatztechnik, die mit dem Hörgerät gekoppelt ist. Zum Beispiel ein Mikrofon, das man im lauten Restaurant auf den Tisch stellt und in das die Freunde sprechen. „Das ist auch eine Möglichkeit, die mir hilft, wieder mehr am Leben teilhaben zu können.“

Während man sich an eine Brille innerhalb weniger Stunden oder Tage gewöhnt, braucht es bei einem Hörgerät einen längeren Atem. „Bei der Anpassung von Hörgeräten ist Geduld ganz wichtig“, so die Diplom-Heilpädagogin. „Die Entscheidung sollte man nicht übers Knie brechen.“ Schließlich trage man so ein Gerät mindestens sechs Jahre, bevor die Krankenkasse ein neues bezuschusst. Ein Hörgerät werde schon mal mehrere Wochen lang getestet. „Wenn man das Gefühl hat, es ist noch nicht das Richtige, dann probiert man noch ein drittes oder viertes Gerät.“

Vor- und Nachteile der Im-Ohr-Hörgeräte

Viele Hörgeräte-Akustiker werben mit Hilfen, die im Ohr verschwinden. Sie sind noch unauffälliger als die Geräte, die man hinter dem Ohr trägt. Es fehlt also der kleine Schlauch, der sonst das individuell angepasste Ohrstück, die Otoplastik, mit dem Gerät verbindet. Doch Antje Klöcker gibt zu bedenken, dass diese Geräte häufig hart sind und es so zu Druckstellen kommen kann: „Sie sind sehr klein, da passt auch nicht viel Technik rein. Oftmals ist die Klangqualität nicht so gut wie bei den Geräten, die man hinter dem Ohr trägt.“

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