Balve. Stadt setzt ein Zeichen durch die Teilnahme an den „Orange Days“. Zahl weiblicher Opfer ist in Balve angestiegen.

Dunkle Gassen, fremde Städte, verlassene Straßen: das scheinen die gefährlichsten Orte für Frauen zu sein. Falsch gedacht. Am gefährdetsten sind Frauen im eigenen Zuhause. Das zeigt das Lagebild zur Gewalt an Frauen vom Bundeskriminalamt. Denn fast jeden Tag wird eine Frau von einem Mann getötet. In den meisten Fällen ist der (Ex-)Mann der Täter. Die Gewalt an Frauen steigt. Balve will dagegenhalten, und setzt ein Zeichen durch die Teilnahme an den „Orange Days“, erklärt Steffi Friske, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Balve.

Mehr als 140.000 Frauen in Deutschland wurden 2023 Opfer von Partnerschaftsgewalt

Jede Form der Gewalt an Frauen, sei es häusliche Gewalt, Tötungsdelikte, Sexualstraftaten oder digitale Gewalt, ist gestiegen, so das Bundeskriminalamt (BKA). Michael Kretschmer, BKA-Vizepräsident, geht davon aus, dass die Dunkelziffer gerade bei der häuslichen Gewalt noch weitaus höher sei. Mehr als 140.000 Frauen in Deutschland wurden 2023 Opfer von Partnerschaftsgewalt.

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„Jeden Tag werden mehr als 140 Frauen und Mädchen in Deutschland Opfer einer Sexualstraftat. Sie werden Opfer, weil sie Frauen sind. Das ist unerträglich – und verlangt konsequentes Handeln“, sagt Innenministerin Nancy Faeser. Doch wie begründet sich der Anstieg der Gewalt an Frauen? Das BKA sieht hier zwei Möglichkeiten. Einerseits könnte die zunehmende Emanzipation von Frauen für Männer „als Bedrohung ihrer männlichen Position bei traditionellen Rollenbildern aufgefasst werden“, andererseits könnte sich die Anzeigenbereitschaft der betroffenen Frauen erhöhen, denn „immer häufiger sind Frauen nicht bereit, Gewalt stillschweigend zu erdulden, sondern bringen Straftaten zur Anzeige.“

Bürgerbüro wird orange angeleuchtet

Auch die Stadt Balve möchte ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen setzen und nimmt an den „Orange Days“ teil. Die UN-Kampagne findet weltweit statt und möchte auf alltägliche und sexualisierte Gewalt und Femizide, also dem Mord an Frauen, weil sie Frauen sind, aufmerksam machen. Balve will zeigen, „Gewalt an Frauen wird nicht toleriert“, betont die Gleichstellungsbeauftragte.

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Passend zum heutigen internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt an Frauen und dem Start der „Orange Days“ wird das Bürgerbüro nachts orange angeleuchtet. Die Aktion endet am 10. Dezember, am Tag der Menschenrechte.

Anlaufstellen für Hilfe bekanntmachen

Friske organisierte die Aktion in Zusammenarbeit mit der Frauenorganisation „Zonta“ in Arnsberg. Zusätzlich will sie Plakate mit Anlaufstellen für konkrete Hilfe aufhängen. „Das möchte ich breit verteilen, damit Frauen ganz diskret und schnell einen Zettel mitnehmen können“, erklärt sie.

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Doch wie sieht es in Balve und im Märkischen Kreis aus? Ist auch hier die Gewalt an Frauen gestiegen? Laut der Pressestelle der Polizei gab es 2022 2946 weibliche Opfer im Märkischen Kreis. 2023 sank die Zahl auf 2844. Auch die Zahl der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen sank von 323 auf 283 Fälle. In Balve ist wiederum ein Anstieg der Gesamtzahlen weiblicher Opfer zu verzeichnen. Davon wurden 2022 fünf Frauen Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, im Jahr 2023 waren es sechs Frauen.

Jeden ersten Mittwoch Sprechstunde der Gleichstellung

Seit knapp einem Jahr bietet Friske die Sprechstunde der Gleichstellung an. Jeden ersten Mittwoch im Monat findet diese von 16 bis 17 Uhr im Bürgerhaus statt. Der nächste Termin ist der 4. Dezember. Die Gleichstellungsbeauftragte wünscht sich, dass dieses Angebot noch bekannter wird, denn: „Ich muss ehrlich sagen, dass die Resonanz gering ist. Das liegt vermutlich keineswegs daran, dass der Bedarf nicht da wäre. Die Gründe sind auch für mich schwer zu greifen. Zum größten Teil ist es gewiss schlicht zu wenig bekannt.“

„Die Drohkulisse, die gewalttätige Partner aufbauen, ist nicht zu unterschätzen.“

Steffi Friske
Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Balve

Die Dunkelziffer zur Gewalt an Frauen muss wesentlich höher sein als die erfassten Zahlen, so BKA-Vizepräsident Kretschmer. Frauen scheinen sich oft keine Hilfe zu suchen. Friske kann sich mehrere Gründe dafür vorstellen: „Wer eine Partnerschaft eingeht, hat doch meist die Vorstellung von Harmonie und Liebe. Wenn dieses Bild massiv gestört wird, will man sich das ja kaum selbst eingestehen. Manchmal sind es aber auch schlicht Existenzängste. Die Drohkulisse, die gewalttätige Partner aufbauen, ist nicht zu unterschätzen.“ Auch die finanzielle Abhängigkeit könne maßgeblich sein. Sie glaubt, Frauen brauchen „den Mut, sich zu öffnen und natürlich gehört dazu auch die entsprechende Hilfe-Infrastruktur.“

Friske gibt einen Denkanstoß: „Gegen Gewalt an Frauen zu sein erscheint das Normalste der Welt, doch mischen wir uns wirklich ein, wenn wir unmittelbar damit konfrontiert sind? Sprechen wir den netten Nachbarn an, wenn wir etwas mitbekommen?“

Hilfs- und Präventionsangebote

Weisser Ring e.V. Telefon: 116 006 / Onlineberatung: https://weisser-ring.de/hilfe-fuer-opfer/onlineberatung

Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ Telefon: 116 016

Kinder- und Jugendtelefon „Nummer gegen Kummer“ Telefon: 116 111

Hilfetelefon bei sexualisierter Gewalt Telefon: 0800 22 55 530

Telefonseelsorge Telefon: 0800 1110111 oder 0800 1110222

Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) https://www.polizei-beratung.de / https://www.polizeifürdich.de