Mellen. Golddorf Mellen gestaltet seine Zukunft am liebsten selbst. Kein Wunder, dass dort ab Freitag, 11. Juni, die Zukunft der Mobilität erlebbar wird.

Damals haben sie gelacht. Damals, das war 2017. Damals hatte Stefan Schneider aus Mellen die Idee bei einer Gesprächsrunde über den Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“im Golddorfein Projekt zum autonomes Fahren zu starten, ein Projekt mit Autos, die nicht länger von Menschen, sondern viel von Rechnern gesteuert werden. Vier Jahre hat Stefan Schneiders Idee gute Chancen, Wirklichkeit zu werden, und keiner lacht mehr.

Donnerstagnachmittag, bestes Radelwetter. Ein Junge rollt mit seinem E-Bike beim 24-Stunden-Kiosk im Landmarkt vor, zieht sich hastig sein T-Shirt übers Kinn: „Ich will ‘was Süßes kaufen“, stottert er leicht verlegen. Die Mobilität der Dorfjugend hat sich schon verändert. Wer noch mir purer Muskelkraft radelt, ist von gestern.

ImLandmarkt indes geht es um die Mobilität von morgen. Ein Team der Stadtwerke Menden/Balve um Alessa Näpel und Matthias Thelen haben eine „Mobilitätstestinsel“ im hinteren Raum des Landmarktes aufgebaut.

Eigentümer Björn Freiburg hat Raum zur Verfügung gestellt. Für kreative Ideen ist der hauptberufliche Podologe immer zu haben. Er selbst sprudelt über davon.

Kein Wunder, dass auch eine Mitarbeiterin aus seinem Team eine künstlerische Ader hat: Sandra Vogler. Ungezählte Bilder hängen an der Wand. Gesichter in Acryl scheinen sich dafür zu interessieren, was in der magischen Box der „Mobilitätstestinsel“ abgeht.

Bürgermeister Hubertus Mühling im Fahrsimulator: Dort kann er erleben, wie sich eine Tour beim autonomen Fahrer anfühlt.
Bürgermeister Hubertus Mühling im Fahrsimulator: Dort kann er erleben, wie sich eine Tour beim autonomen Fahrer anfühlt. © WP | jürgen overkott

„Wir haben die Mobilitätstestinsel wie einen Parcours angelegt“, erläutert Alessa Näpel. Durch den Parcours führen zwei Mitarbeiter: Angelika Krom und Jan Philipp Müller. Sie kommt aus Menden, er wohnt im Dorf. Der Sportwissenschaftler an der Uni Münster dreht leidenschaftlich gern die Kurbel. Mobilität vereint bei ihm Bedürfnis und Leidenschaft. Die beiden Fachleute stellen Interessierten Mobilitätsprojekte der Zukunft vor. Per VR-Brille – PC-Zocker kennen sie – erlauben einen Blick ins Jahr 2049. Eine Computer-Animation führt Seh-Leuten Lösungen großstädtischer Verkehrsprobleme buchstäblich vor Augen. Augenfällig sind auch Touren per Fahrsimulator.

Ortsvorsteher sichert sich Termin

Bürgermeister Hubertus Mühling nimmt dort beim Pressegespräch Platz. Er könnte, wenn er wollte, per Einspieler sehen, wie sich aus der Fahrerperspektive eine Tour von Mellen nach Langenholthausen oder von Mellen zum Balver Bahnhof anfühlt – ohne Hand am Steuer.

Erklärungen sind Silber, Einspieler Gold.

Werbung für Autonomes Fahren im Landmarkt Mellen: Dienstleister Manuel Trilling (links) und Gebäude-Eigentümer Björn Freiburg haben die Planungen für die Räume abgeschlossen.
Werbung für Autonomes Fahren im Landmarkt Mellen: Dienstleister Manuel Trilling (links) und Gebäude-Eigentümer Björn Freiburg haben die Planungen für die Räume abgeschlossen. © Landmarkt Mellen | Björn Freiburg

Doch die beiden „Innovation Guides“, wie Krom und Müller in bestem Marketing-Denglisch heißen, liefern mehr als Informationen in Worten und Bildern. Sie fragen die Besucherschar der „Mobilitätstestinsel“ obendrein gezielt nach Ansichten und Einsichten, Erfahrungen und Wünschen. All das wird auf einer Wand festgehalten.

Als Dankeschön werden die Besucher in bester Retro-Technik auf Polaroids gebannt, die an eine Pinnwand gepappt werden. „Für die ersten 150 Besucher haben auch einen Sticker mit Balver Mammut“, verspricht Alessa Näpel.

Doch was versprechen sich die Stadtwerke Menden/Balve und ihre Kooperationspartner davon? Mendens Stadtwerke-Vertriebschef Alexander Nickel will zukunftsträchtige Mobilität vorstellen: „Wir reden nicht von einer zusätzlichen Bushaltestelle.“ Zugleich ist ihm wichtig, die Wünsche der Dorfbewohner zu erfahren. „Das ist klassische Bürgerbeteiligung“, meint Bürgermeister Mühling.

Das Projekt läuft über drei Jahre. Grundlinien sind im September 2020 festgelegt worden. In Mellen startet das Vorhaben am heutigen Freitag, 11. Juni. Es läuft in Mellen bis zum 16. August. Ortsvorsteher Daniel Schulze Tertilt hat sich bereits einen Termin gesichert. Am Freitag kommt er um 17 Uhr.

HINTERGRUND

Via Projekt-Homepage können Termine für die „Mobilitätstestinsel“ in Mellen können gebucht werden. Sie heißt www.zukunftswerkstatt-mobilitaet.de.

Das über drei Jahre laufende Projekt wird vom Bund gefördert Er trägt 70 Prozent der Kosten. Voraussetzung für Autonomes Fahren ist schnelles Internet. Die Leitungen werden gerade gelegt.

Das Vorhaben wird wissenschaftlich begleitet – vom Nürnberger Innovatioslabor Joseph’s GmbH.An den Ergebnissen ist neben heimischen Unternehmen die kreis-eigene Busgesellschaft MVG interessiert.