Essen. Talentawards 2024 vergeben: Hohe Auszeichnung für Engagement, das wirkt. Egal, ob es um Technik, Trauer oder Demokratie geht.
Die Talentmetropole Ruhr hat auch in diesem Jahr wieder vorbildliche Talentförderer im Revier ausgezeichnet. Vier Talentawards wurden am Donnerstagabend (31. Oktober) verliehen an:
Maik Ikert
Mechthild-Schröter-Rupier
Milad Tabesch & Selvican Sahin
Christiane Gühmann
Lesen Sie hier das Porträt der Essener Schulleiterin Christiane Gühmann, die unter schwierigsten Bedingungen arbeitet, aber nie ein Kind aufgibt -- und im Folgenden die Kurzporträts der anderen Preisträger.
Maik Ikert: Begeistert Schüler und Schülerinnen für Technik
Der 28-jährige Technik-Fan gründete schon 2013 an der Evangelischen Gesamtschule in Gelsenkirchen-Bismarck eine Software-AG – weil ihm selbst zur Schulzeit eine solche AG gefehlt hat. Schulleitung und Schülerinnen wie Schüler waren begeistert. Bis heute ist die Software AG von der fünften Klasse bis zur Oberstufe ein „Dauerbrenner“. Auch weil Ikert sich an den Wünschen der Teilnehmenden orientiert: „Wir machen das, was die Schüler und Schülerinnen wollen. Wenn sie sagen, wir bauen jetzt einen Snackautomaten, dann planen und bauen wir einen Snackautomaten.“
Maik Ikert hat sein Engagement längst ausgedehnt, unter anderem bietet er inzwischen in der Projektwoche der Gesamtschule alljährlich ein Technikthema an. In diesem Jahr hat er mit den Teilnehmenden ein automatisiertes Fangspiel entwickelt. „Im Anschluss“, erzählt Maik Ikert, „kamen auch andere Schulen auf uns zu und haben gefragt, ob sie das Ding mieten können.“
„Man muss die Zugangsschwelle niedrig setzen“, ist Ikert überzeugt. Es gehe nicht darum, ein top Programmierer zu werden, aber ohne ein gewisses Technikverständnis werde man es in Zukunft und auf dem Arbeitsmarkt schwer haben. Es gibt kaum einen Job, in dem man es nicht mit Computern zu tun hat, meint Maik Ikert.
Darüber hinaus ist es ihm wichtig, zu vermitteln: Noten sind nicht alles. Maik Ikert ist selbst ziemlich ungern zur Schule gegangen, hat seinen Realschulabschluss an der Gesamtschule „gerade so“ bestanden, er hat eine Ausbildung und ebenso sein Studium abgebrochen. Trotzdem hat Ikert nicht aufgegeben – bis er das gefunden hat, was ihm Spaß macht. Heute ist er Fachinformatiker Systemintegration bei einer renommierten Firma in Essen. Er kümmert sich darum, dass die Computersysteme laufen und vor Hackerangriffen geschützt sind. Hier sei er endlich angekommen, sagt der Fachinformatiker.
Der Talentaward
Einmal im Jahr vergibt die Talentmetropole Ruhr, eine Tochter der Bildungsmetropole Ruhr, ihren Talentaward – die bundesweit erste Auszeichnung für Menschen, die sich in besonderem Maße für die Entdeckung und Entwicklung von Begabungen bei jungen Menschen einsetzen.
Am heutigen Donnerstag (31. Oktober) werden die vier Talentawards für 2024 vergeben.
Seit 2013 wurden bereits 75 vorbildliche Talentförderer und 46 Projekte geehrt. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und projektgebunden einzusetzen.
Mechthild Schroeter-Rupieper: Begleitet durch die Trauer
Abgestempelt als Störenfried, Ärger mit Lehrern oder Erziehern, schlechte Noten – das kann passieren, wenn die Trauer von Kindern und Jugendlichen nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen nicht gesehen und aufgefangen wird. Genau das leistet Mechthild Schroeter-Rupieper: Durch spezielle Trauergruppen unterstützt sie Kinder und Jugendliche, die Vater, Muter, Schwester oder Bruder verloren haben. Sie kommen dazu aus ganz NRW ins Gelsenkirchener „Lavia-Haus“.
Oft sei die Traurigkeit überwältigend, so Schroeter-Rupieper. Und das könne dazu führen, dass Kinder Angst hätten zu weinen, krank würden, nicht mehr in die Kita oder Schule gingen. In Einzel- oder Gruppenstunden lernen Betroffene Krisen zu bewältigen, sie üben– etwa mit einem Emotionswürfel – ihre Gefühle zu benennen oder sie kreieren ihre eigene „Trostsalbe“, deren Duft sie tröstet, wenn die Traurigkeit kommt. Diese kann auch mal heimlich unter dem Schultisch auf die Hand gerieben werden.
Gleichzeitig arbeiten sie aber auch daran, wieder zu erkennen, wer sie trotz der Erfahrung des Verlustes sind und was sie alles können: schwierige Themen kommunizieren, für sich selbst und andere da sein und Talente und Interessen hinter der Trauer erkennen. „Wir geben ihnen ihre Zukunftsperspektiven zurück“, fasst Mechthild Schroeter-Rupieper zusammen.
Milad Tabesch & Selvican Sahin: Fördern politische Teilhabe
Junge Menschen im Ruhrgebiet haben das Potenzial, Europa mitzugestalten, glauben Milad Tabesch und Selvican Sahin. Dafür müssen die Forderungen, Sorgen und Wünsche, aber auch die Kritik junger Menschen im Ruhrgebiet Gehör finden. „Wir müssen insbesondere dahin gehen, wo die jungen Leute sich nicht angesprochen fühlen, wo sie nicht das Gefühl haben, dass ihre Stimme etwas wert ist“, betont Tabesch.
Mit Blick auf die anstehenden Europawahlen startete Milad Tabesch im Sommer 2023 mit dem einzigartigen Projekt „Ruhrpott für Europa“. Das Ziel: Jungen Menschen den Zugang zu politischer Bildung eröffnen, sie dazu ermutigen, das Ruhrgebiet und Europa aktiv mitzugestalten. Dies stieß auf so großes Interesse, dass er schon bald Unterstützung brauchte und Selvican Sahin ins Projekt einstieg.
„Oftmals sind Jugendliche frustriert, fühlen sich nicht gehört, wollen sich engagieren, wollen etwas unternehmen, wissen aber nicht, wie und wo sie ansetzen können. Unser Ziel ist es, durch Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit dieser Gruppe von Menschen Gehör zu verschaffen, ihnen Mut zuzusprechen und ihnen bewusst zu machen, dass jeder von ihnen etwas in der Gesellschaft verändern kann“, erzählt Sahin.
Mit öffentlichen Veranstaltungen, bei denen sie Jugendliche mit Experten und Expertinnen aus Politik und Gesellschaft zusammenbrachten, sowie einer starken Präsenz auf Social Media schafften es die beiden jungen Menschen zu verdeutlichen, dass ihre Stimme sehr wohl eine Bedeutung hat. Aber sie führten auch über 50 Workshops an Schulen im gesamten Ruhrgebiet durch, die 875 Jugendliche besuchten. Wenn Teilnehmer am Ende fragten: „Wie kann ich mitmachen, wie kann ich mich auch engagieren?“ – ist das für Tabesch und Sahin das größte Lob.
„Ruhrpott für Europa“ endete im Übrigen nicht mit der Europawahl: Unter dem Dach der mittlerweile gegründeten Initiative „Young Politics“ geht es weiter. red