Remscheid/Den Haag. In Den Haag stirbt ein Somalier (23) nach schweren Schlägen. Die Täter sollen Deutsche sein, zwei von ihnen wurden am Mittwoch ausgeliefert.
Ende Juli wird im Kneipenviertel von Den Haag ein junger Somalier zusammengeschlagen, der 23-Jährige stirbt im Krankenhaus an seinen schweren Verletzungen. Die Suche nach den Tätern führt die niederländische Polizei zwei Wochen später nach Deutschland: In Remscheid werden vier Männer festgenommen, der Jüngste ist 19, die beiden ältesten sind ebenfalls 23. Zwei von ihnen sind am Mittwoch ins Nachbarland ausgeliefert worden, für einen prüft das Oberlandesgericht Düsseldorf das Verfahren noch.
Drei Jahre wartete der Flüchtling aus Somalia bereits auf eine befristete Aufenthaltserlaubnis in den Niederlanden, seit Januar wohnte er mit mehr als 650 anderen Menschen in einer Asylbewerber-Unterkunft im nordholländischen Heerhugowaard, nordöstlich von Alkmaar. Dort liegt er nun auch begraben. Nach Informationen des „Algemeen Dagblad“ (AD) war Abdi R. ein ruhiger Typ, begeisterter Fußballspieler, einer, der nie Streit suchte. Doch in der Nacht zu Sonntag, 21. Juli, muss es in Den Haag zu einer Auseinandersetzung gekommen sein.
Zwischen halb eins und eins, meldet die Polizei, sei ein Streit zwischen dem Somalier und einer Gruppe von vier Personen „in tödliche Gewalt gemündet“. Der 23-Jährige erliegt am folgenden Morgen in einer Klinik seinen schweren Verletzungen. Der Auslöser für den gewalttätigen Disput ist nach wie vor unklar. Auch, warum der Flüchtling sich an dem sehr warmen Sommerabend zusammen mit einem Freund im rund 100 Kilometer und eine gute Autostunde entfernten Den Haag aufhielt, ist nicht bekannt.
Den Haag: Vier Männer sollen brutal zugeschlagen haben
Rettungskräfte finden den jungen Mann auf dem zentralen Platz in der Innenstadt. Zeugen berichten später, es sei viel Blut geflossen, das spätere Opfer habe einen schweren Schlag gegen den Kopf bekommen. Andere Umstehende erzählen gegenüber dem AD, der kleinere Mann habe zuerst ausgeteilt. Doch nach zuverlässigen Zeugen, Fotos und Videos suchen die Ermittler mehr als zwei Wochen vergebens. Offenbar hätten die Menschen sich „nicht sicher genug gefühlt, ihre Aufnahmen mit der Polizei zu teilen“, schreiben die Ermittler in einer Mitteilung.
Schon am Tattag mischt sich die Spurensicherung unter die Gäste der Straßencafés, später verteilen Polizeibeamte Handzettel in der Stadt, stellen Plakate auf, bitten eindringlich um Mithilfe. Auch in englischer Sprache werden Zeugen aufgerufen, sich zu melden, auf öffentlich ausgehängten Stadtplänen wird der Ort der Geschehnisse eingezeichnet: Der verlagerte sich offenbar von der Straße Lange Poten hin zu Het Plein, Hotspot des Nachtlebens von Den Haag, das Parlament tagt ebenfalls an diesem Platz.
SMS an alle Zeugen: „Dein Telefon war dort, hilf uns!“
Den Durchbruch bringt möglicherweise eine sogenannte „SMS-Bombe“: Die Polizei schickt Kurznachrichten an Handys, die zur Tatzeit in der örtlichen Funkzelle eingeloggt waren. Ein Mann sei am 21. Juli auf „Het Plein“ durch Gewalt ums Leben gekommen, heißt es darin. „Du empfängst diese SMS, weil dein Telefon dort war.“ Ob man etwas gesehen oder gefilmt habe? „Hilf uns!“
Nach mehreren Tipps gehen die Ermittler zunächst von acht Tatverdächtigen aus, schließlich verdichten sich die Hinweise auf die vier Männer aus Deutschland. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit einem europäischen Haftbefehl an die Kollegen im Bergischen, vorgeworfen wird dem Quartett demnach schwere Körperverletzung mit Todesfolge.
Am Dienstag, 6. August, gut zwei Wochen nach dem Tod von Abdi R., stürmen nach einem Bericht des Remscheider Generalanzeigers schwer bewaffnete Einsatzkräfte der Polizei mehrere Wohnungen in der Stadt. Die Beschuldigten lassen sich offenbar widerstandslos festnehmen, sie sitzen bereits seit sechs Wochen in Düsseldorf in Haft. Das Auslieferungsgesuch der niederländischen Staatsanwaltschaft wird geprüft.
Verfahren in den Niederlanden: Zwei Männer werden diese Woche ausgeliefert
Wie eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft dieser Zeitung bestätigt, haben zwei der Männer ihrer Auslieferung an die niederländischen Behörden bereits zugestimmt. Am Mittwoch (18. September) bestätigten die Behörden in Den Haag die Ankunft der beiden. Sie hätten nach dem Gesetz eigentlich innerhalb von zehn Tagen überstellt werden sollen; zunächst wartete man aber noch auf die Entscheidung in den anderen Fällen. Diese Beschuldigten hatten die Auslieferung zunächst verweigert, was ihr gutes Recht ist, wie es heißt. Über das weitere Verfahren entscheidet jetzt das Oberlandesgericht Düsseldorf. Der zuständige Senat prüft mögliche „Zulässigkeitshindernisse“, die es im ersten Fall inzwischen verneint hat, wie die Generalstaatsanwaltschaft am Dienstag (10. September) sagt. Auch für den dritten Mann gibt es also jetzt eine „Zulässigkeitserklärung“. Warum die vierte noch fehlt, teilt das Gericht nicht mit.
Bei der Entscheidung geht es aber nicht um die Schuldfrage: Ob die Festgenommen die Tat begangen haben oder nicht, muss ein niederländisches Gericht klären. Die Ermittlungen sind in Den Haag noch nicht beendet, erst in der vergangenen Woche untersuchte die Polizei ein weiteres Mal den Tatort, machte dort Bilder. Sollten der 19- und der 21-Jährige sowie die beiden 23-Jährigen in einem Hauptverfahren in den Niederlanden tatsächlich verurteilt werden, könnten sie eine Strafe dann wiederum in Deutschland verbüßen.