Hagen. Sie machen sich den Glasfaserausbau und den Wegfall des „Nebenkostenprivilegs“ zunutze. Aggressive Drücker durchstreifen die Stadt.

Die alte Dame lebt in einem Haus des Hagener Wohnungsvereins und hatte zum Glück so gute Antennen für die Situation, dass sie sich nicht an der eigenen Wohnungstür abzocken ließ. Denn als es klingelte und freundliche aber bestimmte Männer mit ihr im Treppenhaus einen neuen Vertrag über ihre Internetversorgung abschließen wollten, da brach sie das Gespräch ab. „Drückerkolonnen“, wie der Wohnungsverein sie nennt, fallen aktuell über die großen Wohnhäuser her.

Vor allem in den großen Wohnblöcken der Wohnungsvereine tummeln sich die Drücker aktuell.
Vor allem in den großen Wohnblöcken der Wohnungsvereine tummeln sich die Drücker aktuell. © dpa | Christophe Gateau

„Wir haben bereits Betretungsverbote für unseren Hausbestand ausgesprochen, die aber immer wieder ignoriert werden“, sagt Matthias Lüdecke, Vorsitzender des Vorstandes des Hagener Wohnungsvereins. Im Rahmen des Glasfaserausbaus würden Drückerkolonnen durch die Häuser ziehen.

Das „Nebenkostenprivileg“

Die aggressiven Werber machen sich auch die teilweise Verwirrung oder Verunsicherung rund um das Mitte 2024 wegfallende „Nebenkostenprivileg“ zunutze. Das entsprechende Gesetz trat am 1. Dezember 2021 in Kraft, allerdings gibt es eine Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2024. Spätestens ab dem 1. Juli 2024 können Mieter ihre Fernsehempfangsart frei wählen.“

Hat ein Mehrfamilienhaus einen gemeinsamen Kabelanschluss, dürfen die Eigentümer oder die Verwaltung die Kabelgebühren bislang über die Nebenkosten mit abrechnen – das ist das „Nebenkostenprivileg“. Man zahlt aber bislang auch für den gemeinschaftlichen Kabelanschluss, wenn man ihn nicht nutzen möchte, weshalb die Politik das Privileg kippte.

Schluss am 1. Juli 2024

Bleiben wir beim Beispiel des Wohnungsvereins. „Der Wohnungsverein betreibt ein eigenes Glasfaser-Kabelnetz, über das für unsere Mieter SD/HD-Fernsehen und Radio zu empfangen ist. Weitere Produkte wie Internet (bis zu 1 Gigabit) oder fremdsprachige Programme sind über unseren Betreiber buchbar. Insofern weisen wir unsere Mieter immer ausdrücklich darauf hin, keine Produkte an der Haustür zu buchen. Unser Kabelnetz wird trotz mangelnder Umlagefähigkeit der Kabelnetzgebühren ab 30. Juni 2024 für unsere Mieter unverändert weiter betrieben“, sagt Vorstand Matthias Lüdecke deutlich.

„In unserem Ausbaugebiet Hagen-Nord (Boele) sind aktuell Mitarbeiter unseres Vertriebspartners „Ranger“ unterwegs und mit der Vermarktung von Glasfaseranschlüssen beauftragt. Klarerweise entscheidet ausschließlich der Kunde selbst darüber, ob ein Vertrag an der Haustür, im Internet, im Shop oder über die Hotline einen Vertrag abgeschlossen werden soll“, erklärt Telekom-Sprecher George McKinney auf Anfrage der Redaktion. Die Telekom gehört zu den größten Glasfaser-Akteuren auf dem Ausbau-Markt aktuell.

Eigentümer müssen zustimmen

Für Mieter bedürfe es grundsätzlich der Zustimmung des Eigentümers, „damit wir das Privatgrundstück betreten bzw. die Leitung dort verlegen dürfen“, so McKinney. Eine Einschränkung gelte derzeit noch für Mieter des Wohnungsvereins. „Dafür liegen uns noch nicht die erforderlichen Zustimmungen vor, damit wir die Leitungen auf die Grundstücke bzw. innerhalb der Gebäude verlegen dürfen. Hierzu laufen derzeit noch die Verhandlungen mit dem Wohnungsverein.“

Der Direktvertrieb, also das Haustürgeschäft bleibe wichtig, streitet die Telekom nicht ab, dass es diese Besuche gibt. „Aber nach klaren Regeln“, wie das Unternehmen erklärt und auf den „Code of contact“ verweist. Darin sei festgelegt, wie die Kundenkontakte im Auftrag der Telekom ablaufen sollen. Die Mitarbeitenden tragen Telekom-Kleidung und einen Ausweis mit Lichtbild in Sichthöhe. Darüber hinaus haben sie immer eine Rückrufnummer dabei, über die man den Mitarbeitenden identifizieren lassen könne. Diese Nummer laute bundesweit 0800/ 8266347. Die Telekom habe eine Über-80-Regelung eingeführt. Interessierte Kunden dieses Alters würden zur Beratung an den nächsten Shop oder die Hotline verwiesen. Bis auf eine Ausnahme: Glasfaseranschlüsse bis ins Haus vermarkten wir vor Ort bis zum Alter von 85 Jahren“, erklärt das Unternehmen.

Auch personelle Konsequenzen

Wenn es in einem Vertriebsgebiet zu Beschwerden komme, werde sofort mit den verantwortlichen Mitarbeitenden Kontakt aufgenommen und bei Bedarf nachgesteuert. „Die Maßnahmen reichen von Nachschulungen bis hin zu personalrechtlichen Konsequenzen“, so die Telekom.