Hagen. In Hagen kümmert sich ein Sozialarbeiter um mehrere Pflegekinder. Dann kommt es zu einem sexuellen Übergriff. So Urteilt das Gericht.
Vom Schöffengericht verurteilt: Ein Sozialarbeiter (42), dem das Jugendamt Hagen regelmäßig Pflegekinder anvertraut hatte. Jetzt ist er wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen vorbestraft.
Ein Haus mit Ladenlokal in Hagen. Hier arbeitete der Angeklagte jahrelang für einen freien Träger, hier wohnte er auch selbst mit seiner Frau. Die Kinder und Jugendlichen, die er amtlich betreute, hatten in der zweiten Etage eigene Zimmer. Im ersten Stock lebten sie in einer Art Wohngemeinschaft als „pädagogische Familie" zusammen. Der Angeklagte war ihr offizieller Pflegevater, die soziale Aufgabe sah er als Berufung an. Es war durchaus auch lukrativ: Sein damaliges monatliches Nettoeinkommen beziffert er selbst auf „zwischen 8000 und 9000 Euro".
Doch dann der 7. Dezember 2021, der Tag, an dem er durch seine Übergriffigkeit alles zerstörte. Es war gegen 21 Uhr. Er sei leicht alkoholisiert gewesen, sagt er, hätte drei Bier getrunken. Da traf er auf die 16-jährige Pflegetochter, die in Schlafbekleidung vor dem Haus im Eingang stand und rauchte. Nach einem kurzen Gespräch gingen beide noch ins Ladenlokal, um dort die Heizung auszuschalten. Dabei blieb es nicht.
An Brüste und in Intimbereich gegrapscht
Nach der Version des Angeklagten hätten sie sich in den hinteren Raum zurückgezogen, „weil vorne die Fahrräder standen und dort zu wenig Platz war." Denn plötzlich wollte das Mädchen tanzen. „Freestyle", wie sie es nannte. Der Sozialarbeiter: „Ich habe versucht, die Tanzschritte mitzumachen, was mir leider nicht gelungen ist." Stattdessen saß er kurz darauf auf einem Stuhl – und die 16-jährige Betreute auf seinem Schoß: „Das war wie bei Tausendundeiner Nacht, eine ganz vertraute Beziehung", beschreibt es der Pflegevater, der ihr an die Brüste griff und sie im Intimbereich befingerte. „Aber nur ganz kurz", verteidigt er sein Verhalten.
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Staatsanwältin Beatriz Föhring hält ihm vor: „Sie waren ihr Pflegevater und hätten eigentlich Erziehungsaufgaben wahrnehmen müssen." Der Angeklagte gesteht: „Ich habe keine Erklärung dafür, wie es dazu kommen konnte. Ich war überwältigt von dem, was da passierte. Ich konnte es nicht mehr steuern."
Keine Tätigkeit mehr mit Jugendlichen
Doch kurz darauf, so der angeklagte Pflegevater, sei ihm klar geworden: „Das ging zu weit, ich habe eine Grenze überschritten." Deshalb habe er alles abrupt beendet. Beide seien auf ihre Zimmer gegangen: „Aber vorher habe ich den Stuhl weggeräumt." Am nächsten Morgen sei die Pflegetochter zum Unterricht gegangen, ohne den Vorfall vom Vortag zu thematisieren: „Dabei hatte ich doch noch ein Perspektivgespräch mit ihr geplant, wie ihre Reise bei uns weitergehen könnte".
Auf dem Weg zur Schule telefonierte sie mit einer Freundin, die ebenfalls ein ehemaliges Pflegekind des Angeklagten war und in der Vergangenheit ebenfalls Erfahrungen mit dessen grenzüberschreitendem Verhalten gemacht hatte – das haben die Ermittlungen in dem Fall ergeben. Eine Anzeige wurde erst am darauffolgenden Wochenende erstattet, nachdem auch der Vater des Opfers von dem Übergriff erfahren hatte.
Staatsanwältin fordert Gefängnisstrafe
Staatsanwältin Föhring forderte drei Jahre Gefängnis, Verteidiger René Litschner beantragte „eine deutlich mildere Strafe, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann". Diesem Antrag folgte das Schöffengericht, verhängte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr. Richter Michael Brass: „Es ist zu sexuellen Handlungen gekommen, die natürlich nicht hätten stattfinden dürfen. Die Verurteilung wird deshalb zu Recht berufliche Konsequenzen für ihn haben. Eine Tätigkeit mit Kindern und Jugendlichen wird er nicht mehr ausüben dürfen."