Saßmicke. Seit 2016 wurde die Idee von einem Schreibtisch auf den nächsten geschoben. Die Saßmicker bauten die Bank nun einfach selbst.

In den 1980er-Jahren war es noch Alltag: das Mitfahren per Anhalter. Autofahrer erkannten am ausgestreckten Daumen, dass am Straßenrand stehende Menschen darum baten, mitgenommen zu werden. Inzwischen ist dieser Trend fast ausgestorben. Allerdings macht sich insbesondere im ländlichen Raum eine moderne Nachfolge-Variante davon breit: die Mitfahrerbank. Bundesweit sind diese Einrichtungen inzwischen zu finden, meist blau eingefärbt aus Gründen der Wiedererkennbarkeit. An einer Art Haltestellenmast werden Klappschilder angebracht, und wer kein Auto hat, aber mitgenommen werden möchte, klappt einfach sein Wunschziel auf und nimmt Platz auf der blauen Bank in der Hoffnung, dass motorisierte Verkehrsteilnehmer sie mitnehmen.

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Im Kreis Olpe wurde diese Idee im Jahr 2016 erstmals öffentlich thematisiert: Damals stellte Grünen-Fraktionschef Fred Hansen diese Mitfahrerbänke in einer Sitzung des Kreis-Umwelt- und Strukturausschusses vor – und holte sich eine blutige Nase. Was Hansen im Urlaub im Raum Bedburg als ein von der Caritas unterstütztes Projekt kennengelernt hatte, wurde zunächst als unliebsame Konkurrenz zum öffentlichen Personennahverkehr missverstanden. Doch als die Olper Grünen das Thema kurz darauf in der Stadtverordnetenversammlung der Kreisstadt aufs Tapet brachten, stießen sie auf offenere Ohren. Die Verwaltung fand das Projekt auf kommunaler Ebene so interessant, dass sie es als mögliches Förderprojekt für LEADER-Zuschussmittel ansah und eine Umfrage auf den Weg brachte. Ganz vorn mit dabei: die Ortschaft Saßmicke. Denn hier sind die Voraussetzungen für eine solche Mitfahrerbank nahezu ideal: Hier führt eine einzige Straße in den Ort hinein und auch wieder heraus, sodass alle Autofahrer den Bereich der Biggebrücke passieren müssen.

Mehrere Planungsbüros kontaktiert

Nun sollte man meinen, wenn ein Dorf ein solches Projekt unterstützen möchte und eine Stadt es interessant findet, sollte es möglich sein, eine Bank blau zu streichen und dann zusammen mit einem Klappschild aufzustellen. Doch es geschah nichts. Die für LEADER in der Arbeitsgemeinschaft „BiggeLand“ zusammengefassten Kommunen Olpe, Wenden, Attendorn und Drolshagen schrieben mehrere Planungsbüros an. Das Ergebnis: Dem Regionalmanagement wurde empfohlen, die Mitfahrerbänke nicht separat zu betrachten, sondern in eine „übergeordnete Mobilitätsstrategie“ einzubetten – das Ganze schlief ein. 2019 dann ein Neustart: Im Olper Umweltausschuss fand ein Antrag des fraktionslosen Grünen Christian Hohn, zunächst unterhalb der auf Bergen liegenden Olper Wohngebiete solche Bänke aufzustellen, eine breite Mehrheit. Die Folgen: keine. Zumindest bis zum 14. Juni des Jahres 2023. In der Sitzung des Bauausschusses am Donnerstag präsentierte der Leiter des Bauordnungs- und Planungsamts, Arne Bubenheim, stolz ein Foto: In Altenkleusheim sei soeben die erste „Pilot-Mitfahrerbank“ der Stadt aufgestellt worden, in Kürze würden weitere folgen. Was er nicht wusste: Praktisch gleichzeitig band in Saßmicke der Zement ab, mit dessen Hilfe ein Schildermast neben einer blauen Bank am Ortsein- und -ausgang befestigt worden war, und am Freitag präsentierte Ortsvorsteherin Sandra Kurz-Schneider zum Abschluss des Rundgangs den Mitgliedern der Bewertungskommission des Wettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“ stolz die komplett in Eigeninitiative der Saßmicker angeschaffte und aufgebaute Mitfahrerbank.

Vier Ziele zur Wahl

Sie steht neben einer Sitzgruppe kurz vor der Nepomuk-Brücke. Vier Schilder können aufgeklappt werden: „Schützenplatz“, „Kärmetze“, „Olpe“ und „Gerlingen“ stehen als Ziele darauf, und während zwei davon wohl nur zu sehr begrenzten Zeiten, dann aber umso häufiger aufgeklappt werden dürften, werden die beiden anderen wohl ganzjährig Verwendung finden. Bei der Kommission, für die das Konzept der Mitfahrerbank zum Großteil neu war, stieß die Idee auf Zustimmung, und Mitglied Christine Droste beschloss spontan, die neue Bank einzuweihen. Mit weiteren Mitgliedern nahm sie auf der Bank Platz, nachdem sie das Schild „Olpe“ aufgeklappt hatte, und als Stadtplaner Kai Thomalla den Feuerwehr-Mannschaftstransportwagen kurze Zeit später wunschgemäß an der neuen Bank stoppte, waren die Anwesenden sicher, dass dieses Bild in Zukunft Normalität werde, so logisch und einfach ist das Konzept und die Örtlichkeit für das Angebot praktisch wie maßgeschneidert. Sandra Kurz-Schneider gab den städtischen Mitarbeitern in der Kommission noch einen Tipp mit auf den Weg: Für das Geld, das die Stadt gespart habe, könne gern ein Ballfangzaun für den nahen Bolzplatz angeschafft werden, damit der Ball nicht so oft in die Bigge rolle. Aber die Saßmicker hätten eben die Nase voll davon gehabt, noch länger zu warten, sondern Lust, diese eigentlich alte und bewährte, aber neu erfundene und doch wirklich so einfache Art der umweltfreundlichen Mobilität endlich auszuprobieren.