Buschey. Das Schicksal von Gerda Overbeck ist grauenvoll. Am 6. Juni 1939 wurde sie auf Anordnung der Nazis zwangssterilisiert. Hagen erinnert daran.
Der Ort, an dem die kleine Gruppe steht, wurde nicht zufällig gewählt. Hier, vor dem Agaplesion Allgemeinen Krankenhaus Hagen in der Grünstraße, erinnert ein Stolperstein jetzt an das schreckliche Schicksal von Gerda Overbeck. Die junge Frau wurde 1939 zu NS-Zeiten in dem Hagener Krankenhaus von den Nazis zwangssterilisiert und starb an den Folgen des Eingriffs.
„Gerda war eins von insgesamt 1000 Opfern, denen das gleiche Schicksal aufgrund ,angeborenen Schwachsinns’ widerfahren ist“, sagt die Buchautorin Sheri Stern. Sie ist keine Unbekannte in Hagen. Vor allem nicht im Bezirk Hohenlimburg. Dreimal hat die Jüdin aus Baltimore (USA) den Bezirk besucht, zuletzt im Oktober. Ziel waren die Stolpersteine, die an ermordete Mitglieder der Familie Stern vor deren einstigem Wohnhaus in der Wesselbach erinnern. Nur ein Sohn konnte damals in die USA flüchten, Eltern und Tochter wurden 1942 deportiert und ermordet.
Nachdem der Termin für die Zwangssterilisierung feststand, schrieb Gerda einen Brief an Hitler persönlich, in dem sie um Gnade bat. Daraufhin bekam der Amtsarzt die Aufforderung, die Sterilisation so zeitnah wie möglich durchzuführen.
Lungenentzündung angegeben
Nachdem das 17-jährige Mädchen nicht freiwillig zu dem Termin erschienen war, führte die Polizei Gerda von ihrem Arbeitsplatz wie eine Schwerkriminelle ab. Letztendlich starb sie mit nur 18 Jahren an den Folgen der Operation. Als Todesursache wurde eine schwere Lungenentzündung angegeben und die verantwortlichen Ärzte erlangten nach der Operation hohes Ansehen in der Gesellschaft”, sagt Historiker und Autor Reiner Stöcker.
Er erinnert in seinem Buch „Vergessene NS-Opfer – Zwangssterilisierung in Hagen“ ebenfalls an die tragische Geschichte. „Die meisten Opfer haben nach den Geschehnissen nie wieder über den Vorfall geredet und aus diesem Grund ist es so wichtig, zu erinnern“, berichtet der Autor. Die Autorin Sheri Stern schaltete sich aus Baltimore extra per Videoanruf dazu, um ebenfalls ein paar persönliche Worte an die Menschen zu richten, die an diesem besonderen Tag der Opfer und vor allem Gerdas gedenken.
Ein emotionaler Brief
Als Sheri ihre eigenen Worte zum Ausdruck brachte, war deutlich zu sehen, dass sie ihre Tränen unterdrücken musste. Um Gerdas Geschichte zu erzählen und das Leid deutlich zu machen, lasen drei Schülerinnen des Rahel-Varnhagen-Kollegs einen emotionalen Brief, geschrieben von Sheri Stern vor. „Wann werden Hass, Intoleranz und Völkermorde endlich aufhören?“ fragt sich die Autorin. Auch auf den Ukraine-Krieg bezieht sich Sheri und sagt: „Ich bete inständig, dass die Verbrechen an den Ukrainern aufhören.“
Das Verlegen der Stolpersteine ist ein Zeichen der Hoffnung, das die Opfer nicht vergessen lässt. Die Autorin lebt in Baltimore (USA). Sie spendete die Erlöse ihres verkauften Buches ausschließlich, um die Stolpersteinverlegung hier am Allgemeinen Krankenhaus zu ermöglichen und damit ein Zeichen zu setzen. Zum Schluss erklärt Frauke Hayungs, Seelsorgerin und Pfarrerin des evangelischen Kirchenkreises: „Es ist wichtig, dass wir jetzt hier stehen und uns erinnern.“
Und die Geschichte von Gerda Overbeck ist nicht die einzige, die nicht in Vergessenheit geraten soll. An diesem Tag wurden insgesamt fünf weitere Stolpersteine für weitere Menschen verlegt. Erinnert werden soll auch an die Familie Laser, Hartmut Stadtler, Martha Wassermann und Ernst Meyer. Allesamt vom NS-Regime verfolgt und ermordet.