Menden. Eine Mendenerin soll ihre neue Arbeitsstelle beim Jobcenter zu spät gemeldet haben. Das Gericht spricht sie vom Vorwurf des Leistungsbetrugs frei.
Hat Melanie R. aus Menden den Staat um Sozialleistungen betrogen, weil sie eine neue Arbeitsstelle zu spät meldete? So jedenfalls wurde es ihr in einem Gerichtsverfahren vorgeworfen. Der Ausgang aber war eindeutig. Hilfe bekam sie in diesem Fall von dem Iserlohner Verein Aufrecht e.V., wo man berichtet, dass es sich hierbei keinesfalls um einen Einzelfall handele.
Die Mendenerin Melanie R. (ihren kompletten Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen) ist seit gut eineinhalb Jahren, so erzählt sie, sehr glücklich in ihrem neuen Job als Bürokraft. Das war nicht immer so. Vor gut zwei Jahren war sie arbeitslos, bezog Arbeitslosengeld II, besser bekannt als Hartz 4. Dann aber tat sich eine neue berufliche Tür auf, sie sollte den Aufbau einer Vermietung von Lagerboxen und -räumen mitgestalten. Das Jobcenter wirft ihr vor, diese Arbeitsaufnahme zu spät gemeldet und deshalb gut 1700 Euro Sozialleistungen zu Unrecht kassiert zu haben.
Rückforderung und Bußgeld
Neben der Rückforderung dieses Geldes gab es für Melanie R. deshalb ein Bußgeld über circa 450 Euro, eingegangen im Mai vergangenen Jahres. Das aber wollte die Mendenerin nicht auf sich sitzen lassen und wehrte sich dagegen vor Gericht. Denn nach ihrer Darstellung hat sie nichts falsch gemacht.
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Im Prozess vor dem Mendener Amtsgericht wie auch im Gespräch mit der Westfalenpost erzählt sie ihre Version: Bei dem Jobangebot in der Lagervermietung im Frühling 2019 sei ihre erste Euphorie ganz schnell verflogen, erzählt R., als sie damals zum ersten Mal den potenziellen neuen Arbeitsplatz besuchte. „Der Raum war 5000 Quadratmeter nichts.“ Später habe sich auch herausgestellt, dass ihr Büro voller Schimmel sei. Deshalb hätte sie dem Jobcenter zwar schon von der neuen Möglichkeit berichtet, wollte aber erstmal abwarten, ob sie diese Arbeitsstelle tatsächlich würde antreten können.
Angeklagte legt E-Mails vor
In der Gerichtsverhandlung konnte sie E-Mails vorlegen, die anhand des Datums bewiesen, dass sie das Jobcenter zeitnah, nämlich jeweils nach wenigen Tagen, über die Änderungen ihrer beruflichen Situation informierte. Von genau diesem Schriftverkehr, welcher die Angeklagte entlastet, wollte das Jobcenter im Vorfeld nichts gewusst haben. Eine Mitarbeiterin, die als Zeugin aussagte, hatte diese Mails auch nicht in ihren Unterlagen, wollte in ihrer Aussage dann aber auch nicht ausschließen, dass sich R. absolut korrekt verhalten haben könnte. „Ich kann hier kein strafbares Verhalten feststellen", konstatierte abschließend der Richter und sprach die Angeklagte frei. Wo die Mails in der Behörde möglicherweise verschollen sein könnten, wurde nicht weiter erläutert.
Diskrepanz zwischen Arbeitsaufnahme und erstem Lohn
Ein großes Problem, so erzählten Ulrich Wockelmann und Timo Saul von Aufrecht e.V. im Rahmen der Verhandlung, sei für viele Betroffene auch die komplizierte Behördensprache, wo der Verein mit der „Übersetzung“ helfe. In Prozessen um Sozialleistungsbetrug gehe es vor allem immer wieder um die Diskrepanz zwischen Arbeitsaufnahme und erstem Lohneingang. Schließlich sei das Geld vom Staat ja erst bei zweiterem nicht mehr nötig. Melanie R., so berichtet sie, habe auch schon mehrfach die Erfahrung machen müssen, einen Job zwar angetreten zu sein, dann aber kein Geld erhalten zu haben.
Ulrich Wockelmann ärgert das ganz massiv, denn das alles hier sei beileibe kein Einzelfall. Wockelmann ist Vorsitzender des in Iserlohn beheimateten und vor allem im Märkischen Kreis aktiven Aufrecht e.V. Der Verein berät Menschen in Arbeitslosigkeit in ihrem Bemühen um staatliche Unterstützung. Nicht nur vor Gericht, wo jetzt Wockelmann zusammen mit anderen Mitstreitern auch selber vor Ort war, sondern auch im bürokratischen Austausch mit den entsprechenden Behörden oder als Begleitung bei Beratungsterminen.
Kritik an Behörden
Darüber kam vor einigen Jahren auch schon Melanie R. in Kontakt mit Aufrecht e.V. „Der Verein hat mir bei mehreren Dingen schon geholfen", erzählt die Mendenerin. „Deshalb mache ich auch immer Werbung für ihn bei Menschen, die diese Hilfe auch gebrauchen könnten.“ Bußgelder und Verfahren wegen ähnlicher Anschuldigungen wie hier gegen Melanie R. – also zuviel gezahlte Leistungen wegen versäumter Meldungen – gäbe es allein im Märkischen Kreis pro Jahr gut 1800, sagt Ulrich Wockelmann. Und die Behörden, so will es Bockelmann vorsichtig formulieren, seien oft durchaus nachlässig im Auffinden entlastender Dokumente von den Leistungsbeziehern.
Auch in diesem Fall habe der Verein nach Aufforderungen nicht die kompletten Akten erhalten. Wockelmann: „In den Behörden wird viel Mist verzapft.“ Man könne teilweise durchaus Absicht unterstellen. Als Antragsteller werde man sofort wie ein potenzieller Betrüger behandelt.
Die Lehre aus dem Fall
Melanie R. jedenfalls rät als Lehre aus ihrem Fall, jeglichen Austausch zu dokumentieren und zu sichern. Nie könne man sich sicher sein, dass auch alles ankommt. Sie lacht ein wenig bitter: „Selbst wenn ich einen Brief dort direkt vor Ort einwerfe, mache ich ein Foto davon.“
Der Job in der Lagervermietung habe sich dann schnell zerschlagen, zum Glück wie sie sagt. Denn an der neuen Arbeitsstelle, die sich ganz schnell danach aufgetan habe, sei sie nun wahnsinnig zufrieden.
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