Gerlingen. Die Interessengemeinschaft will bei einer Entlastungsstraße aufs Gaspedal drücken. Zentrales Thema beim WP-Mobil in Gerlingen war der Verkehr.
Seit einem Jahr drücken die Gerlinger aufs Gaspedal im Kampf gegen den drohenden Verkehrskollaps. Seit der Gründung der „Interessengemeinschaft Besser Leben in Gerlingen“ läuft der unermüdliche Einsatz gegen die Fahrzeug-Lawinen in der Ortsdurchfahrt, der Koblenzer Straße. Durch die Amazon-Ansiedlung im vergangenen Jahr hat das Problem noch weiter an Fahrt aufgenommen. Karl Josef Luke ist einer der Initiatoren der Interessensgemeinschaft. Und er brachte beim WP-Mobil am Dienstagabend im Schützenheim auf den Punkt, was wohl alle in der mit 2608 Menschen drittgrößten Ortschaft der Gemeinde Wenden denken: „Ich bin hier groß geworden. Wir wollen, dass auch unsere Kinder und Enkel ein lebenswertes Gerlingen haben. Dafür wollen wir kämpfen. Wir haben viele Mitstreiter.“
Beim Besuch der rollenden WP-Lokalredaktion wurde schnell klar, was den Gerlinger auf den Nägeln brennt. Moderiert wurde die Veranstaltung zum Auftakt unserer Tour durch den Kreis Olpe von Redaktionsleiterin Verena Hallermann. Nach etlichen Jahren muss das Verkehrsproblem jetzt endlich mit dem Bau einer Entlastungsstraße gelöst werden. „Einer der Gründe für mich, in die Politik zu gehen, war der Verkehr in Gerlingen“, unterstrich Sven Scharz, der seit den vergangenen Kommunalwahlen für die SPD im Wendener Rat ist.
Weitere Steigerung
„Danke an Amazon“, meinte Luke in Richtung des Online-Versandriesen, der das Thema wieder ganz nach oben auf die Agenda gebracht hat. „In den letzten sechs Wochen ist eine weitere Steigerung des Verkehrs zu erkennen. Die Rush-Hour hat sich von halb vier auf halb zwei verschoben. Die Belastungsspanne ist breiter geworden“, berichtete Ortsvorsteher Benjamin Hacke. Linksabbiegen sei mittlerweile ein Abenteuer, so Luke.
Auch Bürgermeister Bernd Clemens war Gast beim WP-Mobil. Der „Gerlinger Junge“ ist selbst hautnah betroffen: „Der Verkehr war schon immer eine Katastrophe. Wir haben hier gestanden, weil gar nichts mehr ging, auch ohne die Amazon-Fahrzeuge war die Belastung schon da.“ Beim Besuch des WP-Mobils teilte der Bürgermeister mit, dass die mit Spannung erwartete Machbarkeitsstudie für die Entlastungsstraße bei der Gemeinde Wenden eingetroffen sei. Die Ortsumgehung soll von der Einmündung Ludwig-Erhard-Straße/L 512 durch das Industriegebiet „Auf der Mark“, von dort südlich des Autobahnkreuzes in einem Tunnel unter der A 45 und in Höhe der Firma Dietrich wieder auf die Koblenzer Straße (L 512) führen.
Gespräche mit Straßen NRW
Zum Ergebnis der Studie, die auch eine Kostenschätzung enthalten soll, wollte Clemens aber noch nichts sagen: „Die Verkehrsanalyse wird nächste Woche im Rat nicht-öffentlich vorgestellt. Dann werden Gespräche mit Straßen NRW geführt und im Mai gibt es die Veröffentlichung.“
Das geht der engagierten Interessengemeinschaft aber nicht schnell genug. „Es gibt ein gesteigertes Interesse am Ergebnis. Es macht mich doch sehr unglücklich, dass das noch einmal zwei Monate geschoben werden soll. Dann ist schon fast wieder Sommerpause“, kritisierte Karl Josef Luke. Er sei dankbar für den öffentlichen Druck, doch es gebe keine einfachen Lösungen, betonte der Bürgermeister: „Wir müssen jetzt gemeinsam, nach vorne blicken, dass es zügig vorangeht.“ Clemens geht von einer Bauzeit der Straße von sechs bis acht Jahren aus: „Das ist schon optimistisch.“
Ampelschaltungen ein Ärgernis
Pessimistischer ist da CDU-Ratsherr Franz-Josef Henke. Die Klärung über die nötigen Grundstücke und die Planung würden allein drei bis vier Jahre dauern: „Ich sehe da noch große Probleme.“
Die Marschroute der Interessengemeinschaft ist indes klar. „Politik und Verwaltung müssen mit beiden Füßen auf dem Gas stehen. Wir wollen keinen Berliner Flughafen“, forderte Luke. Absoluter Worst Case sei, wenn es einen Unfall auf der A 45 gibt und der Verkehr durch Gerlingen umgeleitet werde: „Dann bleibst du am besten zu Hause.“
Ein rotes Tuch ist für die Gerlinger weiterhin die fehlende Abstimmung der Ampeln in der Ortsdurchfahrt. „Da werden wir vom Straßenbetrieb im Stich gelassen. Die haben wieder daran herumgeschraubt und es ist noch viel schlechter geworden. Der Straßenbauträger ist im 21. Jahrhundert nicht in der Lage, Abhilfe zu schaffen“, schüttelte Uwe Lixfeld, 2. Brudermeister der St.-Antonius-Schützenbruderschaft Gerlingen, den Kopf. Bürgermeister Clemens pflichtete ihm bei: „Das verstehe ich auch überhaupt nicht. Alle zwei, drei Wochen führen die neue Intervalle ein. Besser geworden ist bis heute nichts. Wir werden da am Ball bleiben.“
Ein Ärgernis für die Schützen ist es, dass es beim Schützenfest keine Sperrung der Koblenzer Straße gibt, wenn sie diese passieren. „Das sind maximal zehn Minuten. Wir wollen dann eine Sperrung, aber der Landesbetrieb sagt, dass das nicht geht“, so Lixfeld.
„Wir wollen den Verkehr aus Gerlingen haben. Das verfolgen wir überparteilich und neutral“, sagte Karl Josef Luke. In Richtung des Bürgermeisters meinte er: „Der Zug scheint ja auf dem richtigen Gleis zu sein. Du sitzt auf der Lok und musst die Bremse lockern, dass wir das Ziel erreichen.“ Luke machte deutlich, dass die Interessengemeinschaft weiterhin kämpfen und nicht nachlassen wird. „Das ist ein dickes Brett, aber wir haben gute Bohrer“, sagte er.