Hagen. Der Ukraine-Krieg verunsichert private Anleger und Kleinsparer. Hier die wichtigsten Hinweise, die die Märkische Bank in Hagen ihren Kunden gibt.
Natürlich blicken sie nicht in die Glaskugel. Aber sie versuchen durchaus, mit Hilfe von Wirtschaftsdaten, Interpretationen von Analysten, aber auch mit Instinkt für Märkte, Risikoabschätzungen und reichlich Erfahrung halbwegs fundiert in die Zukunft zu blicken. Doch die finanztektonischen Beben, die parallel zu einer globalen Pandemie und einer galoppierenden Inflation jetzt obendrein sich noch aus dem Ukraine-Krieg ergeben, die hatten selbst die cleversten Banker nicht auf dem Zettel. Und der eher unbedarfte Kleinsparer und Privatanleger noch viel weniger. Was wird aus dem, was wir uns mühsam zur Seite gelegt haben, wie können wir unseren Besitzstand schützen und was müssen wir tun, um nicht alles zu verlieren? Fragen gibt es reichlich, die Artur Merz, Vorstandssprecher der Märkischen Bank in Hagen, und seine Beraterteams ihren verunsicherten Kunden beantworten müssen.
„Von dem unendlichen Leid der Menschen in der Ukraine mal abgesehen, ist mir mit diesem Krieg erst wieder deutlich geworden, dass wir nur Marionetten sind in dem weltpolitischen Geschacher“, frustriert den Mann, der als Führungskraft eines Kreditinstituts eigentlich eine Macher-Rolle ausfüllt, dass er zurzeit wenig agieren, sondern nur reagieren kann. Ähnliche Signale erhält er auch von seinen genossenschaftlichen Dachorganisationen. Für den Kriegsfall in Europa liegt dort kein Masterplan in den Schubladen: „Wir können nur die Ruhe bewahren, und das tun wir auch.“
Erhöhter Rückkopplungsbedarf
In den Privatkundengesprächen – und die Anfragen kommen reichlich – ist in diesen Tagen besondere Sensibilität gefordert. Die Menschen formulieren angesichts der Bilder des Schreckens und des Entsetzens vor allem Sorgen und Ängste, Mitgefühl und Hilflosigkeit. Erst in zweiter Hinsicht geht es um die finanzielle Rückkopplung mit den Bankberatern.
Viele Menschen möchte einfach nur erfahren, ob es tatsächlich richtig ist, nicht in operative Hektik zu verfallen, sondern bei den unterschiedlichen Anlageformen die Nerven zu bewahren. „Grundsätzlich gilt weiterhin das, was wir auch in der Vergangenheit empfohlen haben: Anleger sollten bei ihren Investments nicht alles auf eine Karte setzen. Eine Streuung und die Diversifikation sind immer zu empfehlen. Letztlich gilt es, mit einem Berater immer die individuelle Situation zu bewerten“, rät Merz zu gesunder Gelassenheit.
Nur von russischen Papieren haben sich die meisten Kunden fix getrennt – Neuinvestitionen auf diesem Terrain sind verpönt. „Die heftigen Schwankungen des Aktienmarktes seit dem Beginn des Krieges haben unsere Beraterinnen und Berater selbstverständlich immer im Blick“, weiß auch der Märkische-Bank-Chef, dass zurzeit fast jede politische Nachricht heftige Bewegung an den Börsenplätzen auslöst. Allerdings vermag er bislang noch nicht verlässlich einzuschätzen, ob vor diesem Hintergrund die Menschen geplante Investitionsentscheidungen oder größere Anschaffungen bereits zurückstellen: „Wer sich allerdings um hohe Energiepreise und andere steigende Kosten sorgt, wird sein Konsumverhalten höchstwahrscheinlich anpassen.“
Zurückhaltung erwartet die Märkische Bank zudem bei den Baufinanzierungen. „Die Kunden werden schon seit längerer Zeit mit stark steigenden Preisen für Baumaterial und Immobilien konfrontiert“, kennt der Vorstandssprecher natürlich die jüngsten Entwicklungen. „Dieser Zustand wird durch den Krieg nun weiter verschärft. Zudem rechnen einige Kunden mit steigenden Zinsen für ihre Baufinanzierung.“
Nackenschläge für Unternehmer
Aber auch bei den Firmenkunden nimmt die Märkische Bank angesichts des Kriegsgeschehens durchaus Verunsicherung wahr. Preisanstiege bei den Rohstoff- und Materialkosten, Lieferengpässe, Containermangel und jetzt auch noch rasant explodierende Energiekosten diktieren den Alltag in den Betrieben. „In solchen Zeiten versuchen die Firmenkunden, vorsorglich Lagerbestände aufzubauen, um handlungsfähig zu bleiben“, erzählt Merz. „Entsprechend liegen uns vermehrt Anfragen vor, die Kreditlinien für Betriebsmittel zu erhöhen. Parallel gibt es wiederum das Phänomen, dass Preissteigerungen und Lagerhaltung bei den Unternehmen zu Kapitalbindungseffekten führen, was wiederum den Ertrag schmälert.“
Doppelt schwierig wird es zurzeit zudem für jene Betriebe, die Corona-Mittel in Anspruch genommen haben: Denn nach zwei tilgungsfreien Jahren starten ausgerechnet jetzt die Rückzahlungen. Wurde aufgrund der Coronahilfen und der extrem günstigen Zinsen im Markt zuletzt eher ein Liquiditätsüberschuss registriert, dreht sich hier gerade die Lage um.
Erwartungen an die Zentralbank
Eine Entwicklung zur Unzeit. Denn aufgrund der aktuellen Energiepreisentwicklung, stetig steigender Materialkosten sowie steigender Preise für Nahrungsmittel werde auch die Inflationsrate noch anhaltend auf dem höchsten Stand seit Jahrzehnten verharren, so die Prognose des Hagener Bankers. Hier wäre, so Merz weiter, eigentlich die Europäische Zentralbank (EZB) gefordert, durch eine Anhebung der Zinsen entgegenzuwirken. Dies wiederum wäre jedoch Gift für die weiterhin hoch verschuldeten Staaten des europäischen Südens. „Die spannende Frage bleibt in meinen Augen, wann die EZB einen Zinsschnitt macht – sie hat sich ja zuletzt von den Marktmechanismen entkoppelt. Es wird eine Kunst sein, beim Drehen an der Zinsschraube die richtige Balance zu finden.“
Allerdings möchte Artur Merz keineswegs als passionierter Pessimist verstanden werden – er sieht in der aktuellen Krise durchaus Chancen und Perspektiven: „Wir sind als Gesellschaft in Europa am 24. Februar mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges aus einem Dornröschenschlaf geweckt worden. Jetzt müssen wir unser Miteinander neu sortieren und werden uns sicherlich zukunftsfester organisieren.“ Aber auch hier gilt zunächst einmal das Credo der Stunde: Ruhe bewahren.
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