Hagen. Auch in Hagen wird das Förderprogramm für ältere Migranten ausgerollt. Was unter „kultursensibler Altenhilfe und Altenpflege“ zu verstehen ist.

Die Aufgabe ist groß. Sie ist umfangreich und notwendig. Und vor allem: Überfällig. Mehr als 40 Prozent der Hagener haben einen Migrationshintergrund, nirgendwo ist der Anteil in NRW höher. So ist es nahezu zwangsläufig, dass die Volmestadt zu den 21 Kommunen im Land gehört, in denen das Förderprogramm „Guter Lebensabend NRW“ ausgerollt wird.

Darum geht es: Seniorinnen und Senioren mit Einwanderungsgeschichte „kultursensible Altenhilfe und Altenpflege“ bieten zu können.

Was sperrig klingt, ist eigentlich ganz einfach: Es fällt auf, dass Menschen mit Einwanderungsgeschichte die Einrichtungen und Dienste in der Stadt, die Beratung, Betreuung und Begleitung bieten, unterdurchschnittlich in Anspruch nehmen. Das soll sich durch das Projekt, befristet bis Ende 2022, ändern.

Informationen nur in deutscher Sprache

Bis dahin sollen Strukturen aufgebaut werden, die tragfähig sind auch für zukünftige Bedarfe. „Es gibt die entsprechenden Informationen nur in deutscher Sprache“, hat Ayse Musanovic etwa festgestellt, dass es ein riesiges Informations-Defizit gibt. Seit Juli ist die Diplom-Pädagogin bei der Stadt beschäftigt. Gemeinsam mit einer Kollegin vom Caritasverband als Kooperationspartner ist sie nun dabei, alle Fäden zusammenzubringen.

Aufklären und sensibilisieren

Dass das viele sind, hat sie bereits gemerkt. Aufgabe des Programms wird unter anderem sein, die Bedarfe für ältere Menschen mit Einwanderungsgeschichte und deren Angehörige zu ermitteln. „Traditionell übernahmen die Frauen die Versorgung und Pflege der älteren Familienangehörigen“, sagt Ayse Musanovic. „Heute aber arbeiten auch die Frauen – und schnell stellt sich Überforderung ein, wenn die Pflege für einen Laien zusätzlich auf der Agenda steht.“

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So will man aufklären, will sensibilisieren – beide Seiten. Die Pflegenden müssen wissen, was für Angebote es in der Stadt gibt; die Anbieter müssen erfahren, mit welchen Mitteln sie ihre Türen jedem öffnen könnten. „Das sind oft kleine Veränderungen“, sagt Martina Gleiß, die Sozialplanung für Senioren bei der Stadt verantwortet und Projektleiterin ist. Sei es ein separater Gebetsraum für Muslime oder ein religionskonformer Speiseplan, um nur zwei zu nennen. Beim Caritasverband ist das Projekt bewusst im Bereich „Soziale Dienste“ angesiedelt. Der katholische Wohlfahrtsverband sieht sich als gesamtgesellschaftlicher Anbieter.

Zugang in die Communitys

Das ist den Beteiligten sehr wichtig: „Es sollen keine Parallel-Angebote in der Stadt aufgebaut werden“, sagt Carla Warburg vom Caritasverband. „Wir wollen auf die bestehenden Einrichtungen und Dienste zugehen, wollen Fragebögen verteilen, in denen Bedarfe und Angebote abgefragt werden“, erklärt die Sozialarbeiterin.

So will man zum Beispiel Pflegedienst- und Heimleitungen an einen Tisch bringen und aufklären. Damit jeder zu Pflegende die Pflege bekommt, die er möchte. Wichtiger Türöffner sind zudem die insgesamt 51 Migrantenselbstorganisationen in der Stadt. Hierüber erhofft man sich Zugang in die Communitys – hofft, auch durch persönliche Kontakte aufklären zu können. Mitarbeitende­ in Pflege und Beratung sollen geschult werden, wie kultursensible Altenhilfe umgesetzt werden kann. Geplant sind zudem niederschwellige Angebote für Pflegende.

Anwerbeabkommen wurde 1961 geschlossen

Kontakt und Information: Stadt Hagen, Ayse Musanovic, 02331/207-2995, ayse.musanovic@stadt-hagen.de oder direkt beim Caritasverband Hagen, Carla­ Warburg, erreichbar unter 02331/918490, c.warburg@caritas-hagen.de.Am 31. Oktober 1961 wurde in Bonn das Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei abgeschlossen.„Bis zum Anwerbestopp 1973 reisten insgesamt 867.000 türkische Gastarbeiter in die Bundesrepublik Deutschland, rund 500.000 kehrten wieder zurück in die Türkei“, heißt es in einem Wikipedia-Eintrag.

Dass in den Einrichtungen – auch coronabedingt – viele andere Sorgen und Probleme den Alltag bestimmen, ist den Fachfrauen bewusst. Und doch hoffen sie auf Interesse, hoffen darauf, dass einige Häuser konkrete Änderungen vornehmen, um sich breiter aufzustellen als bisher.

Das Förderprogramm „Guter Lebensabend NRW“ wird dabei von zwei unabhängigen Instituten wissenschaftlich begleitet. Viel wird hinter den Kulissen derzeit vorbereitet und geplant. Ein erster greifbarer Aufschlag ist für Ende Oktober geplant.

Neben dem 60. Jahrestag des Anwerbeabkommens mit der Türkei, der in der letzten Oktoberwoche begangen wird, laden Martina Gleiß und ihr Team zu einem virtuellen Treffen als Auftaktveranstaltung ein. Hier gibt es dann mehr Details und Hintergründe zum Förderprogramm.