Hagen. Vor 25 Jahren flieht der Schwerverbrecher Norman Franz aus der Hagener JVA. Bis heute wird er auf der ganzen Welt verfolgt. Eine Spurensuche.
Es scheint fast, als wäre er ein Geist. Norman Volker Franz. Der Mann, der wegen mehrfachen Mordes gesucht wird. Der seit 25 Jahren untergetaucht, und wie vom Erdboden verschluckt ist. Der vor genau 25 Jahren mit Engelshaar seine Gitterstäbe durchsägte – und aus seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Hagen über das Dach entkam. Deutschlands meistgesuchter Mörder.
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Die Redaktion hat versucht, Kontakt zum ehemaligen JVA-Leiter Michael Skirl aufzunehmen, der nach der spektakulären Flucht der Presse an einem Modell den Fluchtweg aufzeigte und ein kleines Messer, mit der sich der verurteilte Mörder angeblich in die Freiheit sägte, in die Kamera hielt. Später stellte sich heraus, dass das ein Irrtum war: Norman Franz war mit Hilfe von Engelshaar entkommen, das seine Frau in einem Gürtel in die Anstalt geschmuggelt hatte.
Michael Skirl stand nicht für ein Gespräch zur Verfügung. Auch die JVA Hagen hat eine Anfrage der Redaktion mit Blick auf zahlreiche Anfragen abgelehnt. Zu groß ist das Medieninteresse an diesem einmaligen Fall.
Die Fahndung läuft weiter
„Die Zielfahnder haben langen Atem“, sagt Frank Scheulen, Erster Kriminalhauptkommissar und Sprecher vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA) mit Blick auf den Fall, von dem sich die Ermittler im vergangenen Jahr durch die weltweite Fahndung und die Zusammenarbeit mit Interpol und Europol neue Hinweise erhofften: „Bislang gibt es keine neuen Hinweise. Keine Erkenntnisse, wo sich Franz aufhalten könnte.“
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Die letzten Bilder von Franz stammen aus dem Jahr 1998, wurden nach seiner Festnahme in Albufeira (Portugal) gemacht. Er dürfte mittlerweile anders aussehen. „Ob man ihn nach so langer Zeit noch fassen kann, die Frage muss ich offen lassen. Es kommt auf die Hinweise an. Darauf, dass die Leute wissen, dass wir noch nach ihm fahnden. Und die Fahndung läuft weiter, bis er verhaftet wird – oder wir die Erkenntnis erlangen, dass er verstorben ist“, sagt Frank Scheulen. „Solange gehen wir davon aus, dass er sich irgendwo versteckt hält.“
Gleich zweimal gelingt die Flucht
Der Fall ist nicht ohne Grund einmalig – schließlich gelang dem Fünffachmörder gleich zweimal die Flucht aus einem Gefängnis.
Ein Blick auf die Chronologie des Falls: Norman Franz, der 1970 in Neheim geboren wird, wird später Mitglied einer Bande, die Zigaretten schmuggelt, mit Waffen handelt und Raubüberfälle begeht. Im Mai 1995 geraten sie mit einer rivalisierenden, polnischen Gang aneinander. Auf einem Parkplatz in Syburg wirft der damals 25-Jährige eine Handgranate ins Auto der rivalisierenden Polen. Ein Insasse stirbt sofort. Einem zweiten schießen die Männer mehrmals in den Kopf, dem dritten gelingt schwer verletzt die Flucht. Franz setzt sich ins Ausland ab, wird jedoch mit seiner Freundin geschnappt und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Anfang 1997 wird er aus Wuppertal in die JVA Hagen verlegt. Nur einen Monat später gelingt ihm die in Gefängniskreisen bis heute legendäre Flucht.
Nur zwei Wochen, nachdem er mit seiner Frau im Auto aus Hagen türmte, folgt ein Raubüberfall in Weimar, Franz erschießt einen Menschen. Im Juli 1997 erschießt Franz erneut zwei Menschen bei einem Raubüberfall.
Bis zu seiner Festnahme am 24. Oktober 1998 in Albufeira hat er laut Bundeskriminalamt dort zusammen mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind gelebt. „Seit seiner erneuten Flucht am 28. Juli 1999 aus dem Zentralgefängnis von Lissabon wird nach ihm „weltweit wegen fünffachen Mordes gefahndet“, so das BKA.
Stimmaufnahme macht Hoffnung
Warum die Behörden erst im letzten Jahr die weltweite Fahndung gestartet haben, ist leicht erklärt: Die Möglichkeit der weltweiten Öffentlichkeitsfahndung über Interpol und deren Social-Media-Kanäle ist eine relativ neue Möglichkeit. „Wenn wir neue Möglichkeiten zur Fahndung sehen, dann nutzen wir sie auch“, erklärt Frank Scheulen. Das gelte auch mit Blick auf die kommenden Jahre: „Es kann sein, dass sich dann weitere, neue Fahndungsmöglichkeiten ergeben.“
Hoffnung macht den Ermittlern weiter eine Stimmaufnahme, die aus der Zeit in Portugal stammt: Franz spricht dort mit seiner Frau. Der Klang der Stimme sei wichtig, um jemanden zu erkennen, auch wenn er mittlerweile anders aussieht. Und auch wenn es bislang keine neuen Hinweise gibt, läuft die Fahndung weiter. Und es bleibt die Hoffnung, einen der meistgesuchten Mörder noch zu fassen.