Hagen. Mit dem neuen Regionalplan muss die Politik Farbe bekennen. Es geht um die Balance zwischen Wirtschafts- und Umweltinteressen.
Dass Hagen neue Gewerbe- und Industrieflächen braucht, um der heimischen Wirtschaft Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten zu bewahren und zugleich Neuansiedlungen zu ermöglichen, ist unbestritten. Doch wenn es zum Schwur kommt, welche Areale für eine solche Entwicklung in Frage kommen, steigt bei Bürgern und letztlich in der Politik oft gewaltig der Blutdruck.
Veränderungen für den Regionalplan
Die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr (RVR) hat Ende 2021 beschlossen, ein zweites Beteiligungsverfahren zum Regionalplan Ruhr durchzuführen. Denn die Auswertung der Stellungnahmen nach der ersten öffentlichen Auslegung hat dazu geführt, dass Inhalte des Planwerkes noch einmal überarbeitet worden sind.Der geänderte Entwurf des Regionalplans Ruhr, die überarbeitete Begründung und der ergänzte Umweltbericht werden nun erneut ausgelegt. Bürgerinnen und Bürger, Vereine und Initiativen, Unternehmen, Verbände, Behörden, Kreise und Städte haben Gelegenheit, sich mit den geänderten Planinhalten erneut zu befassen und hierzu Stellung zu nehmen. Entsprechend muss sich auch der Hagener Rat noch einmal positionieren.Ursprünglich hatte Hagen fünf Vorschläge für die Ausweisung neuer Gewerbe- und Industrieansiedlungsbereiche (GIB) in den Prozess eingespeist. Dabei wurden die Flächenvorschläge rund um das Gut Herbeck und an der Grundschötteler Straße in Haspe komplett berücksichtigt und im neuen Regionalplan auch als GIB festgelegt.Hingegen wird die Fläche in Haßley zwischen dem Dorf und dem Raiffeisenmarkt lediglich als Allgemeiner Siedlungsbereich festgelegt, weil das Areal noch einmal verkleinert wurde. Eine bauleitplanerische Entwicklung für ein wohnverträgliches Gewerbegebiet ist dennoch möglich.Die Fläche Röhrenspring unweit von Fley wurde für den künftigen Regionalplan ebenfalls nicht als GIB berücksichtigt. Hier waren zahlreiche kritische Stellungnahmen aus der Öffentlichkeit eingegangen, die auf die Verkehrs- und Umweltbelastungen durch Lkw-Verkehre in Gewerbe- und Industriegebieten verwiesen. Daher wurde mit Rücksicht auf die Anwohner das bestehende GIB Röhrenspring nur leicht arrondiert, um es sauber von der Wohnbebauung abzugrenzen.Ähnlich wurde mit der Fläche „Auf dem Hühnerkamp“ (Sauerlandstraße Nord) ebenfalls bei Fley verfahren, wo es lediglich zu einer Arrondierung, aber keiner fundamentalen Ausweitung der bestehenden Gewerbegebietsgrenzen kommt.
So zuletzt auch bei der abschließenden Entscheidung, ob es denn nun tatsächlich eine so kluge Idee sei, an der oberen Grundschötteler Straße unweit der A1-Anschlussstelle Haspe/Volmarstein jetzt auch auf Hagener Seite weitere Ansiedlungsflächen auszuweisen. Was lange Jahre angesichts der erheblichen Neigung der dortigen Wiesen als baulich zu komplex galt, wurde plötzlich akut, als die Firma Abus aus der Nachbarstadt Wetter auf 63.000 Quadratmetern Expansionsgelüste anmeldete. Denn bei der geplanten Millioneninvestition handelt es sich nicht etwa um ein harmloses, eher bescheiden dimensioniertes Produktionsgebäude, sondern ein eher als monströser Koloss daherkommendes, 30 Meter hohes Hochregallager mit einer Fläche von zwei Fußballfeldern und somit einem Raumvolumen von 410.000 Kubikmetern.
Rat gibt Gewerbeflächen Priorität
Eine Projektidee, die vor allem in Reihen der Grünen in der zunächst zuständigen Bezirksvertretung Haspe den Puls massiv beschleunigte. Doch der begleitende Dezernent Sebastian Arlt machte deutlich, dass der Rat bei der Anmeldung der Fläche für den Regionalplan Ruhr natürlich die Umwelt- und Landschaftsbelange abgewogen und mögliche Bedenken bereits verworfen habe: „Die Bedarfssicherung von Gewerbeflächen hatte Priorität“, fasste der Umweltdezernent den ursprünglichen Entscheidungsprozess aus dem Jahr 2018 zusammen.
Nach den Starkregenfällen des vergangenen Sommers und dem sich daraus ergebendem Jahrhunderthochwasser müsse neu nachgedacht werden, mahnen jetzt die Grünen anlässlich der zweiten politischen Beteiligungsrunde zum Regionalplan Ruhr zum Umdenken. Und auch der Hasper CDU-Vertreter Gerd Romberg zeigte sich zunächst einmal zögerlich: „Wir halten dort grundsätzlich eine Gewerbefläche weiterhin für sinnvoll. Wie sie ausgestaltet wird, ist allerdings ein anderes Thema“, gab sich der Hasper Politiker mit Blick auf den Abus-Entwurf äußerst zurückhaltend und verwies zunächst einmal auf die vertiefenden Beratungen in seiner Fraktion sowie in den Fachgremien. Denn der Umweltausschuss (3. Mai) sowie der Stadtentwicklungsausschuss (5. Mai) werden sich vor der abschließenden Entscheidung des Rates am 12. Mai ebenfalls noch einmal der Thematik stellen müssen.
„Wir haben heute die historische Chance, eine politische Fehleinschätzung zu korrigieren“, wetterte derweil die Grünen-Vertreterin Nicole Schneidmüller-Gaiser. „Mir ist unbegreiflich, wie man nach den Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr die Bedenken der Klima- und Wasser-Fachleute so ignorieren kann“, zeigte sie sich erbost, dass die Hasper Politik sich dennoch mit 9:2 Stimmen für das Gewerbegebiet im Hasper Norden aussprach.
„Alle Gutachten von Fachleuten, die zur Bewertung hinzugezogen wurden, betonen die klimaökologische Bedeutung, das schützenswerte Landschaftsbild und vor allem die Bedeutung der Wiese als Schwamm bei Starkregenereignissen“, zitierte die stellvertretende Bezirksbürgermeisterin sowohl den Regionalplan, die Klimaanalysekarte der Stadt Hagen als auch eine Stellungnahme der Unteren Wasserbehörde. Die Kaltluftschneise dort sorge in Richtung Spielbrink für eine nächtliche Abkühlung. Exakt mit diesem Argument hatten die Hasper zuletzt noch den Bau einer vergleichsweise harmlos anmutenden kinderpsychiatrischen Tagesklinik am Quambusch abgelehnt.
Zugleich erinnerten die Grünen daran, dass unter dem landwirtschaftlich genutzten Areal der verrohrte Schülinghauser Bach verlaufe, der bei einer Gewerbeentwicklung nicht bloß freigelegt, sondern an jeder Seite auch mit fünf Metern Uferzonen versehen werden müsse. Damit sei das Abus-Projekt in der bislang dargebotenen Form gar nicht umsetzbar.
Appelle an das Umweltgewissen
„Wir müssen endlich damit anfangen, besser auf unsere Flächen aufzupassen“, appellierte Grünen-Ratsherr Daniel Adam an die übrigen Fraktionen. Eine geordnete Stadtentwicklung bedeute, dass nicht bloß die Wünsche von Investoren umgesetzt würden. Daher regte er an, der Firma Abus zumindest eine konsequente Fassadenbegrünung – und dies nicht bloß, wie vom Gutachter empfohlen, als Anstrich – sowie eine flächendeckende Photovoltaikanlage für die Projektplanung ins Stammbuch zu schreiben. „Ich erwarte von zeitgemäßer Flächenpolitik, dass sie Ökonomie und Ökologie gleichermaßen in den Blick nimmt.“