Attendorn. Die EuroParcs Gruppe aus den Niederlanden sieht in ihrem Konzept an der Bigge Dauercamping nicht mehr vor. Die Betroffenen sind sauer.

Als sie am Dienstag den Brief in den Händen hielt und dessen Inhalt las, fing Denise Heckmann (31) an zu weinen. Und ihr kleiner Sohn gleich mit. „Ich wusste in diesem Moment nicht mehr, was ich sagen sollte. Wir sind am Boden zerstört“, erklärt die examinierte Pflegefachkraft aus Witten. Denn mit dieser Kündigung hatte die Dauercamperin von der Waldenburger Bucht in Attendorn wirklich nicht gerechnet. Genauso wenig wie ihre Leidgenossen, die nun wissen: Spätestens am 31. März nächsten Jahres müssen die weit mehr als 100 Dauercamper ihren Stellplatz an der Bigge räumen.

Ein Herz und eine Seele. Volker Gröne, hier mit seiner Enkelin Sophia Mali, kommt gerne mit seiner Frau Gabriele nach Attendorn.
Ein Herz und eine Seele. Volker Gröne, hier mit seiner Enkelin Sophia Mali, kommt gerne mit seiner Frau Gabriele nach Attendorn. © Unbekannt | Privat

Der neue Betreiber der Campinganlage, die EuroParcs Gruppe aus den Niederlanden, sieht das Modell Dauercamping in ihrem Konzept nicht mehr vor. Begründung: „Mit der Erweiterung des Konzeptes um ein zeitgemäßes, touristisch attraktives Unterkunftsangebot, das unter anderem Baumhäuser, Chalets, Tiny-Häuser und Glamping umfassen wird, erfolgt eine komplette Umgestaltung des Areals, das Dauercamping zukünftig nicht vorsieht“, erklärt Stefanie Härpfer, Direktorin von EuroParcs Deutschland. Schon in wenigen Wochen sollen die Bagger anrücken, um mit den Umbau- und Modernisierungsarbeiten zu starten.

Sie lieben das Osterfeuer

Denise Heckmann und ihr Mann Falko kommen seit August 2015 nahezu wöchentlich nach Attendorn. Immer dann, wenn es die Arbeit zulässt. Beide stammen aus einer Campingfamilie und haben die Hansestadt längst in ihr Herz geschlossen, auch mit den Traditionen sind sie warm geworden: „Wir lieben das Osterfeuer in Attendorn“, erklärt die 31-Jährige im Gespräch mit dieser Redaktion. Das alles soll plötzlich vorbei sein? Heckmann, die gemeinsam mit ihrem Falko eine Online-Petition unter dem Motto „Wir wollen hier nicht weg“ mit schon jetzt mehr als 250 Unterschriften gestartet hat, will es nicht glauben. „Die können uns doch nicht einfach so rausschmeißen.“ Nicht zuletzt den Dauercampern sei es zu verdanken, dass die Betreiber in Zeiten der Coronapandemie Geld verdient hätten. „Denn wir haben die ganze Zeit über unsere Pacht bezahlt“.

+++ Lesen Sie hier ein Interview mit der Direktion Stefanie Härpfer +++

Jutta Rose (65) aus Duisburg kämpft im Gespräch mit dieser Redaktion mit den Tränen. Seit 14 Jahren kommt sie nach Attendorn, bis Sommer letzten Jahres gemeinsam mit ihrem Mann. Doch im September verstarb er. „Wir Dauercamper laufen ins offene Messer, das ist eine Unverschämtheit, uns so abzusägen“, sagt die Seniorin, die so gerne auf dem Campingplatz an der Waldenburger Bucht das Erbe ihres verstorbenen Mannes weiterführen würde.

Mehr als nur Erholung

Für Gabriele Gröne (63) aus Duisburg ist ebenfalls eine Welt zusammengebrochen. Seit 30 Jahren kommt sie nach Attendorn, mit ihrem Mann, früher mit ihren Kindern, die mittlerweile erwachsen sind. Eine Enkeltochter begleite sie heute regelmäßig. Für die 63-Jährige ist die Campinganlage mehr als Erholung. Denn hier kann sie ihre Sorgen – Gröne ist schwer an Krebs erkrankt – ein bisschen beiseite schieben. „Wenn ich auf meiner Terrasse sitze, die frische Luft einatme, und in die Wälder gucke, dann vergesse ich meine Krankheit. Es fühlt sich grausam an, so beiseite gefegt zu werden.“

Kommen seit vielen Jahren nach Attendorn: Denise und Falko Heckmann aus Witten, hier mit einem leckeren Cocktail in der Hand
Kommen seit vielen Jahren nach Attendorn: Denise und Falko Heckmann aus Witten, hier mit einem leckeren Cocktail in der Hand © Unbekannt | Privat

Im Frühjahr nächsten Jahres soll damit Schluss sein? Noch will Gröne nicht aufgeben und deutet im Gespräch mit dieser Redaktion an, dass die Gruppe notfalls bereit sei, Anwälte einzuschalten. Allerdings scheinen die Erfolgsausschichten gering, da die Dauercamper Jahresverträge (Sommer-Winter-Saison) unterschrieben haben und EuroParcs ihnen fristgerecht gekündigt hat.

Seit 1987 hier

Klaus Knop aus Bochum ist schon seit den 1980er Jahren Dauercamper. Seine beiden Söhne haben vor nicht einmal einem Jahr einen Dauercampingplatz an der Waldenburg übernommen und viel Geld investiert. Alles für die Katz? „Ich habe schon einiges erlebt hier, aber das ist die größte Sauerei. Da kommen die Holländer und wollen uns vertreiben“, nimmt der 65-Jährige aus dem Ruhrpott kein Blatt vor den Mund.

Er kenne Camper, die hätten sich erst kürzlich für 15.000 Euro ein neues Vorzelt angeschafft und halten nun die Kündigung in der Hand. „Was ich komplett vermisse, ist ein fairer Umgang mit uns. Wir werden hier vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Dass er und seine Leidgenossen zumindest noch bis März nächsten Jahres bleiben dürfen, ist ein schwacher Trost, zumal Knop zu bedenken gibt, dass Camping an einer Großbaustelle auch keine Freude bereiten würde. „Und wenn dann noch ein richtiger Winter eintreten sollte, bauen einige bestimmt noch dieses Jahr ab.“

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Für Bürgermeister Christian Pospischil (SPD) ist eines jetzt wichtig – und richtig: „Beide Seiten müssen miteinander sprechen und EuroParcs sich die Wünsche und Anliegen der Dauercamper anhören.“ Was Heckmann, Rose, Gröne, Knop und Co. wollen, ist jedoch offensichtlich: Sie möchten über das Frühjahr 2023 hinaus Dauercamper an „ihrer“ Waldenburger Bucht bleiben.

+++ zusätzliche Informationen +++

Die EuroParcs Gruppe unterhält Ferienparks in den Niederlanden, Belgien und Österreich – und jetzt auch in Deutschland. Laut eigener Aussage gehört die Gruppe zu den innovativsten Ferienparkbetreibern in Europa mit mehr als 900 Mitarbeitern, die jährlich für rund 600.000 Gäste verantwortlich sind.