Menden. Kein Schutz durch die teuren Flutmaßnahmen – alles ist wie 2007: So empfinden es viele Anlieger der Hönne. Hinzu kommen Diebstähle.

Auch für den Reporter ist es wie ein Déja-vu: Es war im August 2007, als die Hönne zweimal über die Ufer trat und insbesondere die Gegend um die Kaiser- und Daimlerstraße überschwemmte. Bis zur Hüfte standen die Anlieger damals hier im Wasser – nicht im Keller, sondern mitten auf der Straße. „Es war in der Nacht auf Donnerstag genau wie damals“, erzählen Detlef Köhler und seine Nachbarn von der Kaiserstraße. Sie stapeln am Freitagabend auf den Bürgersteigen, was bis Mittwoch ihr Keller-Inventar war. Und sie stellen die bohrende Frage, warum die seither über Jahre getroffenen, millionenteuren Hochwasser-Schutzmaßnahmen ihnen rein gar nichts gebracht haben.

Als die Spundwand nachgibt, ist nichts mehr zu retten

Wie ein Menetekel wirkt da die vermatschte Spundwand, die sie alle unmittelbar schützen sollte – und doch einfach nur überspült wurde. „Als das passierte, war es vorbei“, berichtet Köhlers Nachbar, der namentlich nicht genannt werden will. „Da kam das Wasser dann nicht mehr nur von oben und unten, sondern sprudelte direkt durch die Kellerfenster und die Steckdosen herein.“ Hatten sie vorher noch versucht, den aufsteigenden Deckel des Abflusses im Keller mit einem Kantholz zu fixieren, um die Waschmaschine zu retten, traten sie jetzt nur noch die Flucht nach oben an.

Nicht alles ist Sperrmüll: Dieb schnappt sich Bierkiste vom Straßenrand

Feuerwehr mit weniger Unterstützung als 2007

Am Abend des 9. August 2007 und der darauffolgenden Nacht erlebte Menden das schlimmste Hochwasser seit 33 Jahren. In einem Feuerwehr-Bericht zehn Jahre später heißt es: „Schnell war klar, diese Lage kann die Feuerwehr Menden nicht alleine bewältigen. Um der Lage Herr zu werden, unterstützten benachbarte Feuerwehren mit Einheiten aus Fröndenberg, Balve, Neuenrade und Plettenberg, das Technische Hilfswerk entsandte Notstromaggregate und Hochleistungspumpen.“ Dies war in der Nacht zum Donnerstag anders: Aufgrund der landesweiten Katastrophen konnte Unterstützung diesmal nur aus Detmold kommen.

Als sie am Freitag die Keller ausräumen, beobachten wir einen Mann, der nebenan vor dem ausgelagerten Mobiliar stehen bleibt, unschlüssig umher guckt und sich schließlich eine halbvolle Bierkiste schnappt. Als Anwohner ihn zur Rede stellen, tut er ganz unschuldig und überrascht. Die Leute hier kennen auch dieses unsägliche Verhalten schon: „Was soll das? Hier stehen jetzt doch auch Sachen zum Trocknen draußen, das ist ja nicht alles Sperrmüll!“ Den man übrigens auch nicht einfach so mitnehmen dürfte.

Elementar-Versicherungen gibt es entweder gar nicht oder für viel Geld

Die Bodelschwinghstraße am Samstag: Vor jedem Wohnhaus stapelt sich der Sperrmüll, der am Donnerstag in einer Sonderabfuhr weggebracht werden soll.
Die Bodelschwinghstraße am Samstag: Vor jedem Wohnhaus stapelt sich der Sperrmüll, der am Donnerstag in einer Sonderabfuhr weggebracht werden soll. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Sind die Schäden wenigstens von Versicherungen abgedeckt? Der Nachbar von Detlef Köhler zuckt resigniert mit den Schultern: „Spätestens seit 2007 gibt es für diese Häuser keine Elementarversicherung mehr.“ Ein Anlieger der Unnaer Straße berichtet, dass er damals, 2007, noch eine Versicherung haben aushandeln können – allerdings für 3000 Euro im Jahr. Seither habe er also etwa 42.000 Euro für diese Police bezahlt. Viel höher könne sein Schaden auch nicht sein.

Und was ist nun mit der großen Hönne-Aufweitung zum Schutz der VHS, die damals, anno 2007, noch die Westschule war? Auch hier dasselbe Bild wie vor den umfangreichen Buddelarbeiten: „Die VHS mit Turnhalle, die Musikschule und leider auch die Hausmeisterwohnung hat es erwischt“, sagt Stadt-Pressesprecher Johannes Ehrlich.

Ohne Flutschutz wäre es noch schlimmer: Erklärungen kein Trost für Betroffene

Den Verantwortlichen der Stadt bleibt da erstmal nur Verständnis für einen Unmut, dessen Ursache sie gleichwohl nicht gelten lassen wollen. Bürgermeister Dr. Roland Schröder erklärte schon auf einer improvisierten Pressekonferenz am Donnerstag um Mitternacht vor der Feuer- und Rettungswache: „Es werden diese Fragen kommen, klar. Ich kann dazu nur sagen, dass dieses Hochwasser noch höher ist als das von 2007. Und so zynisch das in den Ohren von Betroffenen klingt: Ohne die Maßnahmen, ohne die neuen Überschwemmungsflächen am Walzweg und an den Oeseteichen, ohne den Abbau der Brücken und Wehre als Fluthindernisse wie an der Kaiserstraße oder am Battenfeld wäre es für Menden noch schlimmer geworden.“

30 Zentimeter mehr am Pegel sorgen für ähnliche Verhältnisse wie 2007

Die Spundwand zur Hönne sollte Kaiser- und Daimlerstraße schützen – sie wurde einfach überflutet.
Die Spundwand zur Hönne sollte Kaiser- und Daimlerstraße schützen – sie wurde einfach überflutet. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Diese Haltung machte kürzlich auf eine WP-Anfrage auch Rainer Lückermann aus der Umweltabteilung im Mendener Rathaus deutlich, die für die Planung der Hochwasser-Abwehr verantwortlich zeichnet. Bei Pegelständen der Hönne jenseits von drei Metern seien massive Überschwemmungen nicht zu verhindern. 2007 habe das Hönnewasser 2,95 Meter erreicht, diesmal 3,22 Meter. Diese knapp 30 Zentimeter im Pegel seien wohl entscheidend gewesen. Ablesbar sei dies unter anderem am Hellweg-Baumarkt am Hönnenwerth. Der Markt sei diesmal deutlich stärker geflutet worden als damals.

Spundwand zur Hönne hält erst lange, wird dann aber doch überspült

Damit wäre für die betroffenen Anlieger nur scheinbar alles beim alten geblieben. Tatsächlich haben sie an der Kaiserstraße auch berichtet, dass die Spundwand lange standgehalten habe, bis sie am Ende doch überschwemmt wurde. Ein schwacher Trost, wenn das Ergebnis dann doch wieder aussieht wie vor 14 Jahren.