Hagen. Eine Coronainfektion kann für eine Mutter und ihr Baby gefährlich sein. Wir sprachen mit Hagener Ärzten über Impfungen in der Schwangerschaft.
Viele Frauen haben durchaus noch Vorbehalte – das betrifft junge Frauen mit Kinderwunsch wie Schwangere und Mütter gleichermaßen. „In vielen Gesprächen spüre ich noch eine gewisse Skepsis“, bestätigt die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Dr. Karen Kuper-Heuel aus Hagen und verweist gleichzeitig auf eine Empfehlung von elf medizinischen Fachverbänden, die für eine Impfung bei Schwangeren und Stillenden plädieren. „Ich halte das für sehr sinnvoll. Ich selbst habe es bei mir in der Praxis leider schon erleben müssen, dass eine Schwangere erkrankt ist und die Infektion einen schweren Verlauf auf die Schwangerschaft genommen hat. Das ist leider keine Seltenheit.“
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Zwar können bislang noch nicht alle Schwangeren in den Praxen geimpft werden, da es noch keine generelle Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) gibt – „aber viel Aufklärungsarbeit können wir schon leisten“, sagt Karen Kuper-Heuel: „Bislang dürfen sich nur Kontaktpersonen von Schwangeren oder bereits stillende Frauen, die besonders gefährdet sind, impfen lassen.“
Der Hagener Gynäkologe Dr. Thomas Göpfrich, der sich zuletzt angesichts zu hoher bürokratischer Auflagen zunächst aus der Impfkampagne (für Erstimpfungen) zurückgezogen hatte, hat bereits Impfungen in der Schwangerschaft für stark gefährdete Frauen (Vorerkrankungen wie Lungen- oder Herzkrankheiten) angeboten, „was auch von der Fachgesellschaft ausdrücklich empfohlen wird.“
Hohe Gefahr bei Erkrankung
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Hintergrund für die aktuelle Entwicklung ist ein Positionspapier von mehreren Fachverbänden, darunter der Berufsverband der Frauenärzte, die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und die Deutsche Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin. Diese sprechen sich klar für eine Impfung für schwangere und stillende Frauen mit einem mRNA-basierten Impfstoff aus.
Denn die wissenschaftliche Datenlage zeige, dass eine Corona-Erkrankung eine deutlich höhere Gefahr darstellen könne: „Im Vergleich zu Nicht-Schwangeren macht ein entsprechender Ausbruch sechsmal häufiger eine intensivmedizinische Betreuung nötig. Eine Beatmung ist sogar 23-mal häufiger notwendig als bei der nicht schwangeren Vergleichsgruppe“, heißt es in dem Papier.
Lebensumstände und Vorerkrankungen
Allein auf Grundlage der publizierten Beobachtungen aus den USA wolle die Stiko keine generelle Impfempfehlung für Schwangere aussprechen. „Der freien Entscheidung der Schwangeren für eine Impfung soll jedoch durch die aktualisierte Stiko-Empfehlung mehr Raum gewährt werden“, heißt es dazu. „Schwangeren mit Vorerkrankungen und einem daraus resultierenden hohen Risiko für eine schwere COVID-19-Erkrankung oder mit einem erhöhten Expositionsrisiko aufgrund ihrer Lebensumstände kann nach Nutzen-Risiko-Abwägung und nach ärztlicher Aufklärung eine Impfung mit einem mRNA-Impfstoff ab dem 2. Schwangerschaftsdrittel angeboten werden.“
„In der Schwangerschaft ist das Immunsystem weniger leistungsfähig. Deshalb verläuft bei diesen Frauen die Corona-Infektion schwerer, und die Todesrate ist höher“, erklärt Göpfrich den Hintergrund. Daten lägen dazu bereits aus verschiedenen Ländern vor.
„Auch wir im AKH haben schon mehrere Fälle beobachtet, in denen schwangere Frauen während einer Corona-Erkrankung mit Luftnot und Rettungswagen ins Krankenhaus eingeliefert wurden“, erinnert sich Dr. Hiltrud Nevoigt, Oberärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Allgemeinen Krankenhaus Hagen (AKH). „Zwar glücklicherweise ohne schlimmen Verlauf auf die Schwangerschaft, aber die Situation war nicht ungefährlich.“
Hingegen genügend Datenmaterial gebe es, um starke Komplikationen bei einer Impfung zumindest größtenteils auszuschließen: „Bei allen Corona-Impfstoffen handelt es sich um sogenannte Tot-Impfstoffe (keine Lebendimpfstoffe). Die Impfsubstanz verbleibt im Körper der Mutter, der Abwehrstoffe bildet. Diese Antikörper können auf das Kind übergehen und es schützen. Das ist sehr gut“, betont Dr. Göpfrich, der auch mit einem Mythos aufräumen will: „Keine Frau kann durch eine Corona-Impfung unfruchtbar werden, niemand kann Krebs bekommen. Diese Behauptungen werden von Personen in die Welt gesetzt, die andere verunsichern wollen.“
Infektionsschutz für Neugeborenes
Und dennoch sind sie da. Die Sorgen bei den Frauen, die oft nur durch viel Aufklärungsarbeit genommen werden können: „Wir werden seit einem Jahr täglich mit den Sorgen und Fragen konfrontiert“, so Karen Kuper-Heuel. „Aber es werden durchaus auch andere Impfungen während der Schwangerschaft empfohlen – wie ganz aktuell eine Impfung gegen Keuchhusten oder schon seit langem eine Impfung gegen Grippe.“
Sinnvoll sei eine Corona-Impfung erst nach Abschluss des ersten Trimesters, „in dieser Zeit macht der Embryo eine ganz sensible und wichtige Entwicklung durch, die Organe und Extremitäten bilden sich aus“, erklärt Dr. Nevoigt. „Die mütterlichen Antikörper können durch die Impfung einen Infektionsschutz für das Neugeborene bewirken. Auch beim Stillen können die Antikörper an das Baby weitergegeben werden. Übrigens: Es gilt sogar die Empfehlung, die Babys während einer Coronaerkrankung zu stillen. Ganz wichtig ist mir noch: Sollte es zu Komplikationen kommen, eine Gefahr für Mutter oder Kind bestehen, dann kann und muss man natürlich zum Arzt. Egal ob man Coronainfiziert ist oder nicht!“
Dr. Göpfrich will in diesem Zusammenhang betonen, „dass auch Frauen, die eine Schwangerschaft planen, sich so bald wie möglich impfen lassen sollten, wenn die Priorisierung aufgehoben ist. Selbst wenn sie in der Zeit zwischen erster und zweiter Impfung schwanger werden sollten, profitieren sowohl die werdende Mutter als auch das Kind.“