Breckerfeld. Überraschung im Breckerfelder Totschlagsprozess: Der junge Mann, der einen Werkstattbesitzer getötet haben soll, könnte freigesprochen werden.
Der dritte Prozesstag gegen einen 20-Jährigen, der am 6. Juli einen Breckerfelder Werkstattbesitzer durch 23 wuchtige Messerhiebe getötet haben soll, brachte um 16.04 Uhr die große Überraschung: Nach vorläufiger Einschätzung der Strafkammer am Landgericht Hagen deutet vieles darauf hin, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Tat schuldunfähig war. Demnach müsste er am Ende des noch laufenden Verfahrens freigesprochen werden.
Doch: Da von ihm weiterhin eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit ausgehe, so der psychiatrische Sachverständige Dr. Nikolaus Grünherz (69) in seinem vorläufigen Gutachten, sei eine Unterbringung des Angeklagten in einem geschlossenen psychiatrischen Krankenhaus dringend angeraten.
Die Kammer unter Vorsitz von Richterin Heike Hartmann-Garschagen schloss sich der Empfehlung des Experten an und verkündete noch am Nachmittag den Beschluss: Der Angeklagte kommt nicht zurück in die Untersuchungshaft nach Herford, sondern wird einstweilig, aber sofort in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen.
Merkwürdiges Verhalten
Bereits während der Beweisaufnahme hatten sich über die Mittagsstunden durch mehrere Zeugenaussagen die Hinweise verdichtet, dass sich der Angeklagte bereits während seines Probearbeitstages in der Kfz-Werkstatt an der Egenstraße mehr als „merkwürdig“ verhalten habe.
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So schilderte ein Aushilfsmechaniker (66) dem Gericht auffällige Verhaltensweisen: „Der stand vor dem Schrank mit den Schraubenschlüsseln und hat immer dieselbe Schublade minutenlang auf und wieder zu gemacht. Auf und wieder zu, auf und wieder zu.“ Auch hätte er „komisch in sich hineingebrummelt“, also mit sich selbst gesprochen und ständig gekichert oder gelacht.
Äußerst aggressiv hätte der Angeklagte hingegen reagiert, als ihm der Zeuge fachliche Hilfe bei Reparaturarbeiten angeboten hat: „Ich weiß das und kann das selbst.“ Das Auto seines Onkels, das er eigentlich an dem Probearbeitstag reparieren sollte, „hat er ohne Grund erstmal komplett zerlegt“, so der Zeuge, „und zwar alles, was man dafür gar nicht zerlegen musste.“
Komische Schmatzgeräusche
Weitere Verhaltensauffälligkeiten des Angeklagten, bereits längere Zeit vor der ihm zur Last gelegten Tat und auch in der Zeit danach, konnten auch andere der insgesamt 17 vernommenen Zeugen berichten: Der junge Mann sei häufig geistig abwesend gewesen, hätte komische Schmatzgeräusche gemacht oder oft abwesend gewirkt, als hätte er unter dem Einfluss von Drogen gestanden.
Gutachter Dr. Grünherz: „Daraus ergibt sich der erhebliche Verdacht, dass er sich in einer zunehmenden schizophrenen Psychose befand und, so die vorläufige Einschätzung, „eine Aufhebung der Schuldfähigkeit aufgrund dieser krankhaften Störung vorerst zu vermuten sei.“
Unterbringung in Klinik könnte von Dauer sein
Sollte das Gericht am Ende des Verfahrens den Angeklagten aufgrund seiner psychischen Erkrankung für schuldunfähig befinden, müsste er vom Vorwurf des Totschlags freigesprochen werden. Doch die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik könnte für den 20-Jährigen von Dauer sein und dann tatsächlich „lebenslang“ bedeuten.
Bis 2019 sei sein Leben in einer guten Bahn verlaufen, danach hätte es einen Bruch in der normalen Lebenslinie gegeben.
Die Kammer traf den Beschluss, den Angeklagten vorerst, bis zu einer endgültigen Entscheidung, in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik unterzubringen: Es liege der dringende Verdacht einer krankhaften seelischen Störung vor und es gäbe auch hinreichende Indizien für eine Schuldunfähigkeit.
Der 20-Jährige legte seinen Kopf in den Nacken und starrte zur Decke: „Ich habe am Freitag noch im Gefängnis eingekauft. Kann ich meine Zigaretten auch in die Psychiatrie gebracht bekommen?“, fragte er. Verteidiger Martin Düerkop versprach: „Ich werde mich darum kümmern.“