Fley. Aus der angekündigten Sanierung des Vincke-Grabes in Hagen wurde bisher nichts. Ein pensionierter Lehrer schlägt die Verlegung der Gruft vor.
Still ruht die Erbgruft. Niemand stört die Totenruhe derer von Vincke, und so soll es ja auch eigentlich sein auf einem Totenacker. Doch die im Fleyer Wald gelegene Familiengrabstätte atmet den Hauch des Verfalls, so als wolle das Gemäuer den unter der Erde liegenden Abkömmlingen von hohem Rang demnächst folgen. „Niemand würde meinen, dass es sich hier um ein Denkmal handelt und dass hier einige der wichtigsten Personen der Hagener Zeitgeschichte begraben liegen“, sagt Heinz-Dieter Kohaupt, Bezirksbürgermeister im Hagener Norden.
Und tatsächlich hat sich seit unserem letzten Besuch an dieser bald 200 Jahre alten Grabanlage im April nichts getan. Das Mauerwerk ist rissig, Efeu und Kriechpflanzen überwuchern die Grabplatten und das zwischen zwei mit Kapitellen bestückten Pfeilern stakende Eisentor. Zwar hat der Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) seinerzeit angekündigt, das Vincke-Grab für 330.000 Euro zu sanieren, wobei das städtische Tochterunternehmen 160.000 Euro aus Eigenmitteln aufbringen will. Doch getan hat sich nichts.
Viele historische Spuren
1827 ließ Ludwig von Vincke (1774 bis 1844) die Grabstätte etwa 700 Meter entfernt vom Familienbesitz – dem Haus Busch – errichten. Der Freiherr war preußischer Oberpräsident der Provinz Westfalen, baute eine moderne Verwaltung auf, ließ Straßen herrichten, die Ruhr schiffbar machen und den Duisburger Hafen, heute der größte Binnenhafen der Welt, ausbauen.Ihm zu Ehren wurde der Vincke-Turm neben der Hohensyburg errichtet. Außerdem tragen heute eine Straße in Altenhagen sowie die Grundschule in Boele den Namen des Verwaltungsreformers.Auch Vinckes Sohn Georg (1811 bis 1875), der ebenfalls in der runden Anlage mit einem Durchmesser von 25 Metern bestattet wurde, war im 19. Jahrhundert eine Berühmtheit – nicht weil er Landrat des Kreises Hagen war, sondern als Politiker in Berlin zeitweise der führende Kontrahent Otto von Bismarcks, mit dem er sich im Jahr 1852 am Tegeler See ein legendäres Pistolenduell, bei dem sich beide gegenseitig verfehlten, lieferte.Ihren Stammsitz hat die Familie allerdings seit dem 13. Jahrhundert in Ostenwalde in Melle. Dort leben noch heute Nachfahren von Ludwig von Vincke. Der letzte Vincke in Hagen war Fritz Freiherr von Vincke, der keine Nachfahren hatte. Daher wurde die Linie in Hagen nicht weitergeführt. Eine Verbindung zu Hagen hat die Familie demnach nicht mehr.
Stattdessen hat inzwischen der pensionierte Lehrer Werner Hense die Denkmalverwaltung im Hagener Rathaus und einige Politiker mächtig aufgeschreckt. Mit seinem geradezu revolutionären Vorschlag, die Gruft aus dem Fleyer Wald auf den Friedhof am Loxbaum zu verlegen, hat er der erstarrten Diskussion um Erhalt oder Verfall der Grablege neues Leben eingehaucht. „Denkmal heißt sich erinnern“, so Hense: „Also mal nachzudenken, ob es nicht eine Lösung gibt, die dem Vincke-Grab nachhaltig eine bessere Zukunft als den weiteren Verfall ermöglicht.“
Zaun schreckt Besucher ab
Der jetzige Standort des Grabes im Wald liege zu isoliert und versteckt, argumentiert Hense. Es sei immer verschlossen und werde von der Stadt Hagen dem Verfall preisgegeben: „Die notwendigen Mauerarbeiten waren nie nachhaltig, in den ausgebrochenen Maueröffnungen brüten Vögel und wachsen Pflanzen.“ Ein Zaun, der vor Vandalismus schützen soll, schreckt Spaziergänger davon ab, sich näher an die Anlage heranzupirschen.
Eine Translozierung (Umsetzung) zum Waldfriedhof Loxbaum würde die Situation des Denkmals dagegen entscheidend verbessern, glaubt Hense. Dort wäre die Anlage nicht nur besser vor Vandalismus geschützt, sondern würde den Friedhof als immaterielles Erbe der Friedhofskultur nachhaltig bereichern: „Der Loxbaum hätte ein besonderes Alleinstellungsmerkmal mit einer Strahlkraft, die Vincke wieder etwas mehr in den westfälischen Mittelpunkt rücken würde.“ Platz genug biete der Waldfriedhof mit seinen vielen Freiflächen allemal.“ Mit Mut und Ausdauer sollte eine Translozierung für die Grabplatten, die Stele und Tafeln zu erreichen sein.
Skeptischer Blick auf Verlagerung
Doch bei Mirjam Kötter, Leiterin der Unteren Denkmalbehörde in Hagen, beißt Hense mit seinem Ansinnen auf Granit. Im Falle einer Translozierung würde ein Teil der „Objektgesamtheit“ verloren gehen, beantwortet sie seinen Vorschlag: „Das Denkmal verliert die städtebaulichen, siedlungs- und sozialgeschichtlichen Bezüge, in denen es entstanden ist.“ Die Folge wären Verluste sowohl an der Substanz als auch in der Überlieferung der Bau- und Nutzungsgeschichte. Daher solle es bei der mit dem Wirtschaftsbetrieb Hagen abgestimmten, denkmalgerechten Sanierung der Grabanlage an ihrem jetzigen Standort bleiben.
Dass bei einer Umsetzung des Grabes ein hoher Substanzverlust zu befürchten sei, wolle er gar nicht in Abrede stellen, so Hense: „Aber bei einer Sanierung vor Ort würde das gleiche passieren.“ Die Beibehaltung am alten Standort widerspreche eindeutig dem Hagener Anspruch und gesetzlichen Auftrag einer sinnvollen Nutzung: „Es gibt keine Gründe, den Erhalt des Vincke-Grabes an seiner jetzigen Stelle beizubehalten.“ Am Loxbaum könne es dagegen durch eine offene Begräbnisstelle für Schulen, Fernuniversität und Volkshochschule zu einem didaktischen Mehrwert kommen, der auch die Erinnerung an die fast vergessene Familie von Vincke neu beleben könne.
Bezirksbürgermeister Heinz-Dieter Kohaupt und die Mitglieder der Bezirksvertretung Nord ließen zuletzt durchblicken, dass sie einer Verlegung des Grabes eher kritisch gegenüber stehen. Eine solche Angelegenheit müsse man der Fachverwaltung überlassen. . .
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