Hagen. Städtische Mitarbeiterinnen mit Roma-Hintergrund helfen als Brücke zwischen Kindern, Schule und Eltern in Hagen. Ein Blick auf ihre Arbeit.

Sie sind Bildungsmediatorinnen. Hinter dieser Bezeichnung, unter der man sich zunächst so wenig vorstellen kann, steckt so viel mehr: Sie sind Türöffnerinnen. Ansprechpartnerinnen. Sie helfen, wo Hilfe benötigt wird: Anca Lacatus und Narcisa Moldoveanu. „Als ich 2015 nach Deutschland gekommen bin, war das sehr schwierig für mich und meine Familie. Wegen der Sprache. Weil man das System nicht kennt, die Stadt nicht kennt. Und weil ich es selbst schwer hatte, will ich es für andere leichter machen“, sagt Anca Lacatus.

Die beiden Frauen helfen rumänischen und bulgarischen Familien in Hagen, den Schulalltag zu bewältigen, Zugang zur Schule und zum System zu finden, Anträge auszufüllen, sich krankzumelden. Eben bei Dingen, die für viele alltäglich scheinen – es für viele aber nicht sind. Die beiden Frauen machen Hausbesuche, sie übersetzen im Unterricht oder bei Vorlesestunden. Sie sind Vermittlerinnen zwischen Lehrern, Sozialarbeitern und Familien mit osteuropäischem Hintergrund.

Das Projekt läuft seit einem Jahr – vier Schulen nehmen bislang teil. Die Verträge der beiden Frauen sind mittlerweile entfristet. „Die Rückmeldungen, die von den Schulen kommen, sind toll“, sagt Güler Kahraman vom Kommunalen Integrationszentrum der Stadt. Ihr Kollege, Dr. Dominik Schreiber, hat das Projekt maßgeblich über Jahre vorangetrieben. Und es soll nun wachsen.

Starker Zuzug seit 2014 in Hagen

Seit 2014 hat der Zuzug von osteuropäischen Familien in der Stadt massiv zugenommen. Kinder aus Familien, die in Hagen ankommen, werden nach einer Seiteneinsteiger-Beratung einer Schule zugewiesen, „möglichst wohnortnah, manchmal geht das aber auch nicht“, so Kahraman. 1412 Schüler mit osteuropäischem Hintergrund besuchten im letzten Schuljahr eine Hagener Schule, „davon waren rund 40 Prozent der Kinder an Grundschulen“, so Björn Bauernfeind vom Kommunalen Integrationszentrum.

Das Hauptproblem: Viele Familien haben Bedenken, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Die Schulpflicht wird nicht ernstgenommen. Das Vertrauen fehlt. In den Herkunftsländern, aber auch hier, machen die Familien Ausgrenzungserfahrungen. Eine Schulpflicht gebe es in Rumänien zwar auch, so Bauernfeind, sie werde aber längst nicht so streng kontrolliert. Im Hagener Rathaus ist man derweil überzeugt: „Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung“, so Kahraman. Unabhängig von Herkunft oder sozialen Lebensverhältnissen.

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Drei Grundschulen (Erwin-Hegemann, Emil-Schumacher, Funckepark) und eine weiterführende Schule (Ernst-Eversbusch) nehmen bislang am Programm teil.

„Ich lebe seit 2014 mit meiner Familie in Deutschland“, sagt Narcisa Moldoveanu. „Mein Sohn hat die Hauptschule besucht. Ein Lehrer erzählte mir vom Projekt und ich war sofort begeistert und wollte helfen“, sagt die Frau, die – genau wie ihre Kollegin – etwas mehr als eine halbe Stelle hat und im engen Kontakt zu den Familien steht. „Das Vertrauen zu uns ist einfach größer“, sind beide sich einig. Weil sie die Probleme etwas besser verstehen können. Und weil es keine Sprachbarrieren gibt.

Familien möglichst früh erreichen

Jedenfalls, so zeigt das Projekt, wird der Kontakt zu den Familien besser. „Es zeigt sich, dass die Eltern zum Beispiel viel schneller am Schulleben teilnehmen“, sagt Natalia Keller. Jetzt sollen weitere Grundschulen ins Programm aufgenommen werden.

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„Wir schauen darauf, dass Schulen ins Programm kommen, wo die Zahl der Schüler mit osteuropäischem Hintergrund hoch ist“, so Keller. Möglich wäre das noch in diesem Jahr, „weil die Stadt eine beträchtliche Summe aus dem Förderprogramm ,Aufholen nach Corona’ erhalten hat“, gibt Keller Einblicke. Zwei weitere halbe Stellen können damit geschaffen werden.

Mit Blick auf die Grundschulen sagt Kahraman: „Je früher man ansetzt, desto besser sind die Chancen auf einen guten Bildungsweg für die Kinder.“