Hohenlimburg. Die Stadt muss 2800 Euro Schmerzensgeld an eine 48-jährige Hohenlimburgerin zahlen. Die Frau war über Äste an einem Bürgersteig schwer gestürzt
Mindestens 28 Tage lang lagen die Äste verstreut auf dem Bürgersteig der Straße „Im Ölm“ in Hohenlimburg. „Warum war die Stadt in dieser Zeit nicht in der Lage, die Teile an die Seite zu schaffen?“, fragte verständnislos Jürgen Wrenger, Vorsitzender Richter am Landgericht. Die nicht beseitigte Stolperfalle wird jetzt teuer: 2800 Euro Schmerzensgeld erhält eine Fußgängerin, die dort gestürzt ist. (Az. 8 O 158/ 21).
Stürmischer Tag
Der 4. Januar 2020 war ein unwirtlicher Tag: kalt, regnerisch und leicht stürmisch. Trotzdem musste eine Hohenlimburgerin (48) in der Dunkelheit noch einmal aus dem Haus. Sie hatte einen wichtigen Brief einzuwerfen. Den Regenschirm aufgespannt und gegen Wind und Tropfen schützend dicht vors Gesicht gehalten, beschritt sie abends gegen 20.30 Uhr den Bürgersteig der Straße „Im Ölm“. Dann passierte es.
In Höhe der Bushaltestelle fiel sie plötzlich hin: „Dann saß ich auf dem Po“, bringt es die Frau, die die Stadt Hagen vor der 8. Zivilkammer verklagt hat, klipp und klar auf den Punkt. Gestürzt sei sie aufgrund von Baumzweigen, die dort verstreut auf dem Bürgersteig lagen. Ob sie daran hängen geblieben oder darauf ausgerutscht ist, könne sie nicht sagen: „Ich habe nicht gesehen, wo ich hingelaufen bin, sondern mich darauf verlassen, dass ein Bürgersteig für Fußgänger frei ist.“
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„Astwerk gut erkennbar“
Diese Äußerung war zwar ehrlich, doch damit räumte die Klägerin zugleich auch ihr Mitverschulden an dem Unfall ein: „Sie müssen schon hingucken, wo Sie hergehen“, merkte Richter Wrenger deutlich an. So sah es auch die verklagte Stadt Hagen, die die Auffassung vertrat, die gestürzte 48-Jährige hätte besser aufpassen müssen: „Das Astwerk war sehr groß und durch die Straßenbeleuchtung sehr gut erkennbar gewesen“, heißt es in der Klageerwiderung.
Zumal am Unglückstag zwischen dem Bushaltestellen-Schild „Im Ölm“ und einem nahen Laternenpfahl ein rot-weißes Flatterband gespannt war, um Fußgänger auf die Gefahrenquelle aufmerksam zu machen. „Das Sicherungsband hätte aber so gespannt sein müssen, dass die Äste alle hinter dem Band liegen, was hier offensichtlich nicht der Fall war“, kommentierte der Vorsitzende Richter beim Blick auf das Beweisfoto, das am nächsten Morgen an der Unfallstelle aufgenommen worden war.
Feuerwehr-Einsatz auf Grundstück
Birgit Korth vom Rechtsamt hat den Hintergrund der Geschichte recherchiert: Bereits am 11. Dezember 2019 war es auf dem herrenlosen Grundstück zu einem Einsatz der Feuerwehr gekommen. Ein umgestürzter Baum wurde dort zersägt und am Gehwegrand abgelegt. Die Baumteile auf dem Bürgersteig wären mit dem Flatterband abgesichert worden. Am 16. Dezember hätte es eine Nachkontrolle vor Ort gegeben, einen Tag später sei eine Firma damit beauftragt worden, das Holz dort wegzuschaffen. Dieser Auftrag wurde jedoch erst am 7. Januar 2020 ausgeführt – drei Tage nach dem verhängnisvollen Unfall.
Folgeschäden nach dem Sturz
Die Klägerin leidet bis heute unter den Folgen des Sturzes: Sie könne nicht mehr so gut laufen, ihre Kniekehle werde schnell dick und schmerze dann. In ihrem Beruf als Altenpflegerin sei sie auch erheblich beeinträchtigt, schildert ihr Anwalt Lutz Mollenkott (Gevelsberg), „schwere Arbeiten kann die Klägerin nicht mehr ausüben“. Die Parteien verständigten sich vor der Kammer: Die Stadt zahlt 2800 Euro Schmerzensgeld, „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“, wie es von Richter Jürgen Wrenger zu Protokoll genommen wurde. Die Kosten der Anwälte muss jede Seite selbst tragen.
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Achte Zivilkammer
Die 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen hat eine Spezialzuständigkeit für Klagen auf Staatshaftung und Regressansprüche aufgrund von Amtspflichtverletzungen. Dazu zählen auch Verfahren auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz gegen Städte und Kommunen.
Regelmäßig werden dort Fälle verhandelt, in denen Bürger die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht beklagen, weil sie durch umgekippte städtische Bäume oder herabfallende Äste zu Schaden gekommen sind.
Auch Stolperfallen auf Gehwegen und Straßen oder nicht vom Schnee befreite öffentliche Wege sind Themen vor dieser Kammer.