Hagen-Mitte. Wer ist der junge Mann, der verdächtigt wird, einen Anschlag auf die Hagener Synagoge geplant zu haben? Und wie geht es jetzt mit ihm weiter?
Der vor fünf Tagen festgenommene 16-jährige Syrer, der verdächtigt wird, einen Sprengstoffanschlag auf die Hagener Synagoge geplant zu haben, könnte mehrere Monate in Untersuchungshaft verbringen müssen. Über den jungen Mann ist wenig bekannt. Ein Besuch in seinem Wohnumfeld zeichnet ein eher unscheinbares Bild des Festgenommenen. +++ Lesen Sie auch: Innenminister Herbert Reul über den Hagener Fall und die „islamistische Bedrohung“ +++
„Gar nicht auffällig“, antwortet ein benachbartes Ehepaar in dem Mehrparteienhaus auf die Frage, wie der Tatverdächtige so auf sie gewirkt hätte. Fünf bis acht Jahre lang lebe die aus Syrien kommende Familie bereits im Bahnhofsviertel, sagen die Nachbarn. Ein in die Jahre gekommenes Mehrfamilienhaus mit lackbröckelnden Balkon-Fassaden. Eine unscheinbare Wohnungstür, einige Schuhe davor.
Abends schon mal lauter Musik gehört, aber immer alles sehr gemäßigt
Der Nachbar bekam mit, wie das Haus am vergangenen Donnerstag in den Morgenstunden von SEK-Beamten gestürmt worden war. „Eine ganz normale Hose und immer eine braune Jacke“, habe der Verdächtige im Alltag getragen, beschreibt Adem Demirel das Äußere des festgenommenen Jugendlichen. Demirel arbeitet in einem Geschäft ein paar Meter weiter.
Er kenne ihn, und auch seinen Vater, der fast jeden Tag bei ihm einkaufe. Abends habe der Jugendliche schon mal etwas lauter Musik gehört, sie aber auf Nachfrage sofort leiser gestellt – ein gewöhnlicher Teenager, der seiner Vermutung nach „einfach eine Dummheit im Internet“ geschrieben habe.
Überwiegend Türken im Viertel, sagen die Nachbarn – alles unauffällig
Demirel sagt, er sei selber Moslem. In dem Viertel wohnten überwiegend Menschen mit türkischem Hintergrund – so wie er. Er will nicht glauben, dass es sich bei dem 16-Jährigen mit syrischer Staatsbürgerschaft tatsächlich um einen extremistischen Islamisten handele – er ginge lediglich einmal die Woche in die Moschee und, soweit er es mitbekommen habe, regelmäßig zur Schule. +++ Lesen Sie auch: So reagiert die jüdische Gemeinde in Hagen +++
Der Inhaber eines weiteren Geschäfts an der Straße sagt, er habe den verdächtigen Jugendlichen häufiger mit seinem Vater gesehen, „immer in diesen weißen langen, arabischen Gewändern“.
Untersuchungshaft kann bis zum Abschluss eines Hauptverfahrens andauern
Die Untersuchungshaft, in der sich der 16-Jährige jetzt befindet, kann bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens andauern, erklärt Holger Heming, Oberstaatsanwalt bei der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf. „Eine zeitliche Limitierung ist den gesetzlichen Regelungen im Grundsatz nicht zu entnehmen. Es gilt – insbesondere natürlich in einem Verfahren gegen einen Jugendlichen – ein besonderes Beschleunigungsgebot zur Durchführung des Verfahrens. Neben den Möglichkeiten der Haftprüfung auf Antrag und der Haftbeschwerde werden die Voraussetzungen der Untersuchungshaft spätestens nach sechs Monaten ihres Vollzuges durch das zuständige Oberlandesgericht überprüft; es sei denn es ist bereits mit einer Hauptverhandlung begonnen worden.“ +++ Auch interessant: Die doppelte Bedrohung für Juden in Hagen +++
Wenige Angaben über laufenden Fall – auch nicht zum Thema Salafismus
Die Stadtredaktion hatte die Generalstaatsanwaltschaft mit mehreren Details konfrontiert, die überregionale Medien über den Hagener Fall berichten. Unter anderem heißt es, der junge Hagener sei der salafistischen Szene nah. Dazu kann die Generalstaatsanwaltschaft keine Auskünfte erteilen.
Auch nicht darüber, ob er beispielsweise auch aus Reihen von Menschen gelockt wurde, die arabischstämmige Jugendliche für ihre Ideologien manipulieren wollen. Dass es solche Strukturen gibt, darüber könnte in Hagen die Beratungsstelle „Wegweiser“ etwas sagen, die NRW-Innenminister Herbert Reul hier 2019 eröffnet hatte. Reul sagte damals: „Wir müssen den islamistischen Rattenfängern das Wasser abgraben. Deshalb gilt: Aufklärung statt Hass. Offene Wege statt Sackgassen. Und eben Ausstieg vor dem Einstieg“, so der Minister.
Beratungsstelle „Wegweiser“ hält Rücksprache mit dem Landesinnenministerium
Auf Anfrage hieß es bei der Beratungsstelle in Hagen gestern, dass man sich vor einer Einordnung der Fälle zunächst mit dem Innenministerium kurzschließen wolle.
Der Anwalt des jungen Syrers war auf Anfrage der Redaktion gestern nicht zu erreichen.