Hagen. Gudrun Fischer war eine Institution in Hagen. Doch am Samstag verkauft sie zum letzten Mal Fleisch und Wurst am Raiffeisenmarkt auf Haßley.

Es gibt Menschen, die mit dem, was sie tun, dazu beitragen, dass eine Stadt lebenswert ist. Dass sie sich unterscheidet von anderen Städten. Dass nicht alles graue Masse und Konsum ist.

Gudrun und Walter Fischer hören auf. Die Bauersleute aus Niggenbölling beenden die Direktvermarktung von Fleisch und Wurst. Am Samstag steht Gudrun Fischer (65) zum letzten Mal mit ihrem Verkaufswagen vor dem Raiffeisenmarkt in Hagen-Haßley, wo sie seit 2002 jeden Freitag und Samstag zu finden war. „Die Ära Fischer endet“, sagt die Landwirtin selbst mit der ihr eigenen, dunkel timbrierten Stimme.

Vergebliche Suche nach einem Metzger

Eigentlich möchte sie gar nicht aufhören zu arbeiten. Doch der Metzger, der zum Wursten und Zerlegen auf den Hof in Niggenbölling gekommen ist und dort 25 bis 30 Stunden pro Woche gerackert hat, ist abgesprungen. Und einen Ersatz findet sie nicht. Sie habe viele Metzger angesprochen, berichtet Gudrun Fischer: „Aber die wollen alle nicht oder haben keine Zeit. Für drei Stunden pro Woche hätte ich jemanden bekommen, aber dann kann ich es auch gleich ganz lassen.“

Fischers Hof in den Dahler Bergen, noch mehr aber der Verkaufswagen in Haßley sind über die Jahre zu einer Institution in Hagen geworden. Pfarrer Matthias Heuer von der evangelischen Dreifaltigkeits-Gemeinde Eppenhausen hat hier immer eingekauft: „Und die Ware war immer von bester Qualität. Ich bedaure es sehr, dass Frau Fischer ihren Wagen schließen muss.“ Auch Jutta Schulte gehörte über all die Jahre zu den Stammkunden von Gudrun Fischer: „Wir kennen uns schon so lange, es ist sehr schade.“

Mutterkühe und Nachzucht

In Niggenbölling, 371 Meter über dem Meer, herrscht noch so etwas wie bäuerliche Idylle. Nein, Fischers betreiben keine Biolandwirtschaft, aber die Kühe stehen im Sommer doch den ganzen Tag mit ihren Kälbchen auf der Weide und fressen außer Gras nur Heu, Silage und Getreideschrot. Und seine Schweine hat Walter Fischer (67) ausschließlich mit Gerste, Weizen und ein bisschen Soja gefüttert. „Antibiotika haben sie nicht gekriegt“, betont er.

Geschlachtet wurde das Vieh auf einem Schlachthof in Unna, das Fleisch anschließend zum Zerlegen nach Niggenbölling zurückgebracht. Der Metzger machte mit seinen Messern daraus Schinken, Fleischwurst, Mettenden, Fleischkäse, Zunge und Teewurst, er schnitt Filets, Braten und Steaks zurecht. Per Handarbeit wurden die Gläser eingekocht, das Fleisch vakuumiert und die Waren etikettiert.

Direktvermarktung seit 1997

Mit der Direktvermarktung begonnen hatten Gudrun Fischer und ihr Mann 1997 auf dem Bauernmarkt in Dahl. Es war die Zeit, in der die Verunsicherung der Verbraucher infolge des BSE-Skandals groß war und die Kunden sich verstärkt regionalen Produkten zuwandten.

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Die Nachfrage bewog Gudrun Fischer fünf Jahre später dazu, ihren Verkaufswagen auf Haßley aufzustellen – bei Wind und Wetter. Manchmal sei es so kalt gewesen, dass der Braten in der Kühltheke gefroren sei, erinnert sie sich: „Und einige wenige Male habe ich mir hitzefrei genommen – vor allem in den vergangenen heißen Sommern.“

Sie hätten sich schweren Herzens dazu entschlossen, das Geschäft auslaufen zu lassen, sagt Gudrun Fischer: „Aber ohne Metzger können wir einfach nicht mehr.“ Sohn Steffen komme als Nachfolger nicht in Betracht, der sei Lehrer und habe nebenbei mit der Forstwirtschaft genug zu tun. Und das Alter hätten sie ja auch erreicht, sagt Gudrun Fischer, mit Mitte 60 darf man sich guten Gewissens zurückziehen.

Die letzten Kühe und Schweine werden sie verkaufen, und dann wird es noch ein bisschen ruhiger und versunkener und abgelegener zugehen in Niggenbölling. Und das Leben geht weiter.

Aber Gudrun Fischer und ihr Verkaufswagen werden eine Lücke hinterlassen in Hagen.