Arnsberg. Tatort Rosenberger Straße in Arnsberg: Landgericht gibt weiteren Klagen statt - betrogene Belgier siegen erneut. Auch in Ostwestfalen feiern Kläger einen Erfolg.
Tatort Rosenberger Straße im Arnsberger Ortsteil Gierskämpen: „160 Flamen verlieren wegen Immobilienschwindel 10 Millionen Euro“, titelte die belgische Zeitung Het Laatste Nieuws (HLN) bereits im Dezember 2019. Wir haben vor einigen Wochen mit Liesbeth Beeckman über den Immobilienskandal gesprochen, dessen Schauplätze Arnsberg und Ostwestfalen sind. Die Belgierin ist dabei eine der Verliererinnen: Sie kaufte eine Wohnung in Arnsberg und zahlte 65.000 Euro. Ein unabhängiger Makler klärte sie dann auf, der tatsächliche Wert liege bei etwa 10.000 Euro. Doch mit der Rolle der Verliererin wollte Mevrouw Beeckman sich nicht abfinden, gründete mit weiteren Geschädigten den Verein „Samen Sterk!“ (gemeinsam stark) und zog vor Gericht. Die Richter am Arnsberger Landgericht urteilten im Sommer 2024 erstmals zugunsten von „Samen Sterk“; und vor Kurzem durften sich die „gemeinsam Starken“ über weitere Urteile freuen, in denen zu ihren Gunsten entschieden worden ist.
Schwelle für Wucher überschritten
„Im Dezember 2024 haben wir vor dem Landgericht Arnsberg erneut sechs Nichtigerklärungen bzw. Rückabwicklungen von Kaufverträgen für Wohnungen in der Rosenberger Straße 14 bis 18 in Arnsberg erhalten“, berichtet Liesbeth Beeckman. Bei allen Wohnungen habe der Verkäufer, der belgische Bauträger Creadomus Invest NV, nach Ansicht der Richter „die Schwelle für Wucher“, das heißt, eine Überzahlung von mindestens 90 Prozent, überschritten, so die Samen Sterk-Vorsitzende weiter. Damit habe ihr Verein in Arnsberg derzeit insgesamt 47 Nichtigerklärungen bzw. Rückabwicklungen vor Gericht erstritten.
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Eines der Urteile ( Landgericht - 4. Zivilkammer - Arnsberg) liegt der Redaktion in Kopie vollständig vor; es ähnelt denen früher im Jahr 2024 in der Sache gefällten Urteilen. Der vielleicht wichtigste Auszug: „(...) im vorliegenden Verfahren liegt, wie dargelegt, die Überschreitung des Verkehrswertes nicht nur bei den nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erforderlichen 90 Prozent, sondern bei 191 Prozent. Bei einer so eklatanten Überschreitung des Verkehrswertes bestehen zur Überzeugung der Kammer auch unter Berücksichtigung eines Unsicherheitszuschlags auf den Verkehrswert keinerlei vernünftige Zweifel an der Feststellung der erforderlichen verwerflichen Gesinnung der Beklagten (Creadomus Invest N.V. , Anmerkung der Redaktion), ohne dass noch weitere Umstände hinzutreten müssten.“ Die Folge: Creadomus wurde verurteilt, „an die Kläger 84.249 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 23. August 2019 Zug um Zug (...) zu zahlen“. Auch in Ostwestfalen, dem zweiten Schauplatz des Immo-Skandals, hatte Samen Sterk Erfolg.
„Inzwischen haben wir auch ein neues Urteil vor dem Landgericht Bielefeld erfochten, mit Nichtigerklärungen bzw. Rückabwicklungen von Kaufverträgen von vier Wohnungen in Löhne“, so Liesbeth Beeckman. Auch dort sei die Schwelle für Wucher überschritten worden. Die Flämin wertet dieses Urteil als ganz besonderen Erfolg. Warum? Die Creadomus-Geschäftsführer hätten in der belgischen Presse die Urteile immer mit zwei Argumenten bestritten, führt sie aus: Zum einen: Die Richter würden ihnen keinerlei Fehler vorwerfen, es handele sich lediglich um eine technische Diskussion über den Wert der Erbbaurechte. Zum anderen: Die Kläger - „Samen Sterk“ - seien Teil einer Verschwörung, die einzig darauf abziele, das Unternehmen und die dahinterstehenden Personen zu schädigen. Beide Punkte habe die Richterin in Bielefeld widerlegt.
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Zur verwerflichen Gesinnung von Creadomus formuliert die Juristin u.a.: „Für die Beklagte, die eine Vielzahl von Wohnungserbbaurechten in verschiedenen Regionen der Bundesrepublik Deutschland professionell und äußerst umfangreich vermarktet hat, war es jedenfalls zumutbar, sich über die zuverlässige Bewertung der Werte der Wohnungserbbaurechte zu informieren und eine belastbare Wertermittlung vorzunehmen. Dies gilt umso mehr, als sie in großem Umfang auf dem belgischen Markt an belgische Staatsangehörige in Deutschland gelegene Wohnungserbbaurechte verkaufte, dessen Konstrukt dem belgischen Recht fremd ist. Sie hat demnach ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen und durfte die Ermittlung der von ihr aufgerufenen Kaufpreise nicht allein anhand einer erwarteten Rendite vornehmen. Sie wäre gehalten gewesen, die Kaufpreise anhand zuverlässiger Kriterien zu ermitteln wie beispielsweise eines Wertgutachtens - insbesondere, da ihr der Zustand der einzelnen Wohnungen einschließlich des teilweise vorherrschenden Leerstandes bekannt war. Dadurch, dass sie sich lediglich auf eine Berechnung der Rendite zurückgezogen hat, hat sie sich der Erkenntnis des groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung leichtfertig verschlossen.“
Zur Geschädigten-Gemeinschaft heißt es: Dass „Samen Sterk“ die Creadomus Invest N.V. lediglich in Anspruch nehme, um dem Unternehmen zu schaden, habe dieses nicht substantiiert vorgetragen. Die Tatsache, dass sich die Kläger als geschädigte Anleger zu einer Interessengemeinschaft zusammenschlossen, um ihre Ansprüche gemeinsam zu verfolgen, rechtfertige einen solchen Schluss jedenfalls nicht, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Kläger als private Anleger einem großen Immobilienunternehmen gegenüber sehen und zudem ihre Ansprüche vor deutschen Gerichten unter Anwendung des deutschen Rechtes geltend machen müssen. Bleibt abschließend erneut die Frage: Was meint Creadomus selbst dazu?
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Bereits vor einigen Tagen wurde eine Anfrage mit der Bitte um eine Stellungnahme per E-Mail an das Unternehmen geschickt - in deutscher Sprache, aber auch auf Flämisch. Auf eine Antwort wartet die Redaktion bisher vergeblich. Wie bereits im Vorfeld unserer Berichterstattung im Oktober 2024, waren Versuche einer telefonischen Kontaktaufnahme zuvor mehrfach gescheitert.
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