Arnsberg. Vergessenes Juwel: Dieses denkmalwürdige Haus an der Jägerstraße 5 soll den Besitzer wechseln - Erinnerungen an längst vergangene Zeiten werden wach.

Die älteren Arnsberger werden sich noch erinnern: In der Jägerstraße 5 war bis Ende der 1960er Jahre das Lebensmittelgeschäft „Brusis“ zu finden. Im damaligen „Tante Emma Laden“ oder vielmehr beim „Butterkopp“ kaufte man Käse, Kaffee und Konserven, hielt ein Schwätzchen und tauschte Neuigkeiten mit dem Ladenbesitzer oder den Nachbarn aus. Doch seit 55 Jahren bleiben die Rollläden nun unten. Das Geschäft ist seit langem geschlossen. Oben sind Wohnungen, die bis heute wohl noch genutzt werden.

Das denkmalwürdige Haus an der Jägerstraße 5 in Arnsberg kommt demnächst in die Zwangsversteigerung.
Das denkmalwürdige Haus an der Jägerstraße 5 in Arnsberg kommt demnächst in die Zwangsversteigerung. 5 © WP | Wolfgang Becker

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Hannelore Becker (91, geborene Wortmann) aus Arnsberg erzählt: „Das Lebensmittelgeschäft Brusis war nicht sehr geräumig, aber man bekam alles, wenn auch in kleinem Rahmen. Da hab ich gerne Käse gekauft, der wurde noch per Hand mit einer Kurbelmaschine geschnitten. Besonders beliebt bei den Kundinnen waren die frischen Eier und der leckere Schinken.“

Das denkmalwürdige Haus an der Jägerstraße 5 in Arnsberg kommt demnächst in die Zwangsversteigerung.
Ein Original-Türklingelbeschlag. © WP | Wolfgang Becker

Hinter der Verkaufstheke, die immer mit weißen Papierdecken ausgelegt war, bedienten Frau Brusis und ihre Tochter, erinnert sich die 91-Jährige. „Zum Service gehörte auch ein Lieferdienst, der gerne in Anspruch genommen wurde. Die Tochter, die einen Führerschein und ein Auto besaß - was in den 1950er Jahren nicht alltäglich war, lieferte die bestellte Ware tags darauf an die angegebene Adresse. Ich erinnere mich an den Laden auch deshalb noch so genau, weil nebenan in den 1960er Jahren ein Tanzlokal eröffnete, wo wir am Wochenende oft hingingen und feierten.“

Hintergrund Jägerstraße 5

Theodor Brusis war in der Kaiserzeit Inhaber des Lebensmittelgeschäftes an der heutigen Jägerstraße (früher Chausseestraße und Arnsbergs Hauptgeschäftsstraße). Den Beinamen „Butterkopp“ erhielt er nicht für sein Aussehen, sondern vielmehr für den „Butterkopfsalat“ den er in seinem Laden verkaufte und für den „Butterkopfsalatsamen“ den er Arnsbergs Gartenfreunden zum Selbstanbau anbot. Nach streng geheim gehaltenen Hausrezept eingelegt, gab es bei Theodor Brusis auch die damals in Arnsberg beliebten „Brusis´ butterzarten sauren Heringe“ – allerdings nur fässchenweise zu kaufen.

Aber die Arnsberger standen trotzdem Schlange und auch die benachbarten Beamten der Königlich-Preußischen Regierung haben davon regen Gebrauch gemacht, und im Dienst zwischen Aktenordnern oder zu Hause beim Abendessen, den ein oder anderen sauren Hering von Brusis „Butterkopp“ vertilgt Theodor Brusis war in der Kaiserzeit Inhaber des Lebensmittelgeschäftes an der heutigen Jägerstraße (früher Chausseestraße und Arnsbergs Hauptgeschäftsstraße). Den Beinamen „Butterkopp“ erhielt er nicht für sein Aussehen, sondern vielmehr für den „Butterkopfsalat“ den er in seinem Laden verkaufte und für den „Butterkopfsalatsamen“ den er Arnsbergs Gartenfreunden zum Selbstanbau anbot.

Nach streng geheim gehaltenen Hausrezept eingelegt, gab es bei Theodor Brusis auch die damals in Arnsberg beliebten „Brusis´ butterzarten sauren Heringe“ – allerdings nur fässchenweise zu kaufen. Aber die Arnsberger standen trotzdem Schlange und auch die benachbarten Beamten der Königlich-Preußischen Regierung haben davon regen Gebrauch gemacht, und im Dienst zwischen Aktenordnern oder zu Hause beim Abendessen, den ein oder anderen sauren Hering von Brusis „Butterkopp“ vertilgt

Zurück in die Zukunft: Am 25. Februar soll das historisch geprägte und denkmalwürdige Wohn- und Geschäftshaus um 9 Uhr beim Amtsgericht Arnsberg zwangsversteigert werden. Laut Gutachten ist es im Jahre 1908 erbaut worden. Das nicht mehr genutzte Ladenlokal wird auf 69 Quadratmeter geschätzt. Die Wohnfläche, in den drei Etagen über dem ehemaligen „Tante Emma Laden“, soll 156 Quadratmeter groß sein. „Eine Begehung war nicht möglich“, steht im Exposé des Briloner Sachverständigenbüros, das von Silke Hillebrand geleitet wird.

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Der Verkehrswert der Immobilie mit Grundstück sei nun mit 56.000 Euro angesetzt. „Eine Versteigerung oder gar Zwangsversteigerung ist oftmals eine sehr emotionale Angelegenheit“, sagte Ursula Dyk, Geschäftsleiterin am Arnsberger Amtsgericht, unserer Redaktion in einem vorausgegangenen Gespräch. Allerdings seien Zwangs- oder Teilungsversteigerungen für die Öffentlichkeit sehr interessant. „Manchmal kommen sogar Nachbarn bzw. Interessierte, die wissen möchten, mit wem sie künftig zu tun haben.“

Das Gebäude ist wohl renovierungsbedürftig

Bei der Versteigerung des historischen Gebäudes an der Jägerstraße 5 ist ebenfalls ein hohes Interesse zu erwarten. Schließlich könnten die alten Wände Geschichten über mehrere Generationen erzählen. Da kommt das Gutachten über den Wert des immer noch hübsch anzusehenden Gemäuers eher nüchtern daher. Es sei stark renovierungsbedürftig - vielleicht sogar ohne funktionierende Heizungsanlage. „Die gewerblichen Nutzungen im Erdgeschoss sind in der Straße ohnehin nicht mehr zeitgemäß. Das Gebäude wird in dieser Wertermittlung daher als reines Wohnhaus bewertet.“

Der Schornsteinfeger soll im Jahr 2017 das letzte Mal dagewesen sein. Demnach sei das Haus seit dieser Zeit nicht mehr bewohnt. Doch die Gutachterin hat am Tag des Ortstermins, Mitte vergangenen Jahres, eine Katze auf einer Fensterbank im ersten Obergeschoss gesehen. Außerdem standen wohl einige Fenster auf Kipp. An der Haustürklingel stehen vier Nachnamen. All das deute darauf hin, dass das das Gebäude trotz allem genutzt wird.

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Eine Innenbesichtigung sei der Gutachterin nicht möglich gewesen. „Auftragsgemäß erfolgt die Wertermittlung auf der Grundlage der äußeren Inaugenscheinnahme. Ein Risikoabschlag wird in dieser Wertermittlung berücksichtigt“, schreibt sie. Ein Risiko für den potentiellen Käufer. Derjenige, der das Haus am 25. Februar ersteigert, sollte sich diesen Schritt gut überlegen. Er erwirbt mit dem Zuschlag alle Rechte und Pflichten, die ein Eigentümer eines Hauses mit Grundstückes erhält.

Haus steht im Verzeichnis zu schützender Kulturgüter

Denkmalgeschützt sei es laut Gutachten nicht. Das hätte eine Bürde für den künftigen Eigentümer sein können. Allerdings sei das Haus bei der Unteren Denkmalbehörde im „Verzeichnis zu schützender Kulturgüter“ eingetragen. Demnach könnte es bedeutsam für das kulturelle Erbe im historischen Arnsberger Altstadtbereich sein, der geprägt von denkmalgeschützten Bauwerken ist.

Das denkmalwürdige Haus an der Jägerstraße 5 in Arnsberg kommt demnächst in die Zwangsversteigerung.
Die Rollläden tragen noch das Firmenschild des Herstellers: „Rolladenfabrik Ferd. Kettler, Neheim/Ruhr. © WP | Wolfgang Becker

Das Ladenlokal der Jägerstraße 5 fällt jedenfalls ins Auge. Denn die Schaufenster sind mit schweren Holzbauteilen verkleidet. Die Rollläden tragen noch das Firmenschild des Herstellers: „Rollladenfabrik Ferd. Kettler, Neheim/Ruhr“. In den darüber liegenden Geschossen finden sich stilvolle Fassadenverzierungen und Stuckarbeiten aus der Gründerzeit. Die Gartenseite ist mit Kunstschiefer verkleidet.