Hüsten. Nach Jahren im Integrationsrat und in Ausschüssen: Parteimitglied aus der Partei „Die Partei“ aus Arnsberg verabschiedet sich aus der Politik.
Er mag Satire. Er liebt auch mal das ein oder andere provokative Wort. Er ist homosexuell, hat einen Migrationshintergrund und auch mal schwarze Fingernägel. Damit fällt er in das Hassbild vieler Menschen, die der rechten Szene zugewandt sind. Genau das nutzt er nun auf Tiktok - um insbesondere junge Menschen auf unterhaltsame, aber auch kurzweilige Art und Weise aufzuklären. Sein Nickname: Remigriert euch ins Knie!
„Wir brauchen uns nicht zu wundern, dass die Jugendlichen sich zu den Rechten hingezogen fühlen, denn die beherrschen TikTok echt gut“, sagt der 43-Jährige. „Die Grünen machen das mittlerweile ganz gut, die Linken sind auf dem Vormarsch, die CDU hat scheinbar kein Interesse und die FDP versucht es so ein bisschen.“ Und genau das sei der Fehler - man dürfe „den Rechten“ nicht das Feld auf TikTok überlassen.
Marco Rafolt legt alle politischen Ämter ab
Genau deshalb hat Marco Rafolt nun alle politischen Ämter, die er in Arnsberg innehatte, niedergelegt. „Ich bin beruflich eh schon viel unterwegs und kaum zu Hause. In den letzten sechs Wochen bin ich dreimal nach Auschwitz gereist“, sagt er, „bin nur kurz zu Hause gewesen.“
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Betroffen sind seine Position im Vorstand des Ortsverbandes „Die Partei“ Arnsberg, sein Sitz im Integrationsrat der Stadt Arnsberg sowie in verschiedenen Ausschüssen und sein Engagement im Verein Vielfalt pur. „Es befreit mich total, dass nun mal Lücken in meinem Kalender stehen und ich abends auch mal wieder zu Hause sein kann“, so Rafolt, „Ich habe auch mal wieder Bock auf eine Serie.“ Und „Die Partei“? „Thorsten, Daniel und David sind ein gutes Team - ich kenne sie alle seit Jahren. Die bringen die Partei nach vorne - haben viel Kreativität. Da mache ich mir wenig ‚nen Kopf drum.“
Er sei in zu viele Engagements und Aktivitäten verstrickt - daher habe er sich ernsthaft Gedanken machen und abwägen müssen, worauf er sich fokussieren möchte. „In Zukunft möchte ich mich ausschließlich dem Kampf gegen Faschismus widmen. Meine Energie were ich auch weiterhin in den Bereich Social Media einbringen, insbesondere Instagram und TikTok.“
Wartezeit am Flughafen überbrückt: Zack, Tiktoker.
Eigentlich, so sagt Marco Rafolt, sei sein erstes TikTok-Video völlig spontan gewesen. „Hallo, ich bin Marco. Ich bin gerade am Frankfurter Flughafen. Ich habe 100-prozentigen Migrationshintergrund und ich fliege jetzt ins Ausland und wollte deswegen kurz die AfD grüßen. Ich komme wieder ...“, heißt es in diesem Spontanschuss als Reaktion auf das Geheimtreffen in Potsdam. Er lud das gerade einmal 15-sekündige Video hoch und stieg in den Flieger. Elf Stunden später dann die Überraschung: „Als ich dann gespannt auf meinen Account schaute, waren schon die ersten ‚Likes‘ und Kommentare da“, sagt er, „Das Video hatte in der Zeit schon mehrere Hunderte Aufrufe. Das hat mich wirklich überrascht.“
Noch im Urlaub folgt das zweite Video: „Hallo. Guten Morgen. Viele Grüße aus Neuseeland. Bevor ich wieder zurück nach Deutschland komme, habe ich noch eine Frage an die AfD: Ich habe ja nicht nur Migrationshintergrund, sondern ich bin auch noch schwul. Was ist denn jetzt schlimmer? Migrationshintergrund oder Homosexualität? Remigriert euch ins Knie!“
Es beginnt mit weiteren „Fragen an die AfD“ - doch ziemlich schnell schwenkt Marco Rafolt um. Mit der Serie ‚Lerne Fakten zum Holocaust‘ verdoppelte er nicht nur die Views seiner Videos, sondern steigerte auch seine Follower. Inzwischen sind es immerhin 3.760, die seinem Account folgen. Fast 4.000 Likes zählen seine TikToks, die er auch auf Instagram veröffentlicht - ebenfalls unter dem Nickname „Remigriert euch ins Knie“. Das Thema „Holocaust“ kennt Marco Rafolt in- und auswendig, führt er doch bereits seit 20 Jahren regelmäßig Reisegruppen durch das Konzentrationslager Auschwitz.
Drohungen und Holocaust-Leugnungen werden angezeigt
Mittlerweile sind viele seiner Videos nicht mehr „kurz und schmerzlos“, reichen auch schon einmal an eine Länge von fünf Minuten - und klären beispielsweise auf oder nehmen Stellung zu Kommentaren. Sein bisher erfolgreichstes Video fasst 2.978 Likes, 384 Kommentare und 306 gespeicherte Inhalte auf - bei über 28.000 Views. „Ich bin kein Influencer“, sagt er und lacht, „bin keine große Nummer.“ TikToker Daniel, mit dem Marco Rafolt auch einen Podcast macht (Mit Spatzen und Kanonen schießen), habe da schon weitaus mehr Reichweite - und damit auch mehr Hater.
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„Da gab es auch schon rechte Kommentare, die mir komplett absprechen Deutscher zu sein“, sagt Marco Rafolt, „Negative Kommentare gibt es viele - auch schon Morddrohungen.“ Anzeigen seien raus - nicht ausschließlich wegen Bedrohungen, sondern viel auch wegen Holocaust-Verleugnungen. Marco Rafolt ist in seinem Element angekommen - und bleibt dran.
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