Sundern. Die Verwaltung möchte durch ein Moratorium die Windkraftplanung am Klarenberg in Sundern verzögern: In der Politik herrscht Uneinigkeit darüber.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben - eine bekannte Redewendung. Unter Umstände trifft diese Redewendung bald auch auf die Windkraftpläne am Klarenberg in Sundern zu. Seit dem Sommer gibt es eine intensive Diskussion über die Errichtung von Windkraftanlagen (WEA) auf der Anhöhe zwischen Stockum, Dörnholthausen und Endorf. Besonders in Stockum und Dörnholthausen hatte sich unter einem Teil der Anwohner Widerstand gegen solcher Anlagen gebildet. CDU und Grüne nahmen den Ball dankbar auf und sprachen sich im Juli gegen den Bau von Windrädern auf städtischen Flächen auf dem Klarenberg aus. Was aber mit den privaten Grundstücken passiert, war lange unklar.

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Nun ist zuletzt neue Bewegung in die Angelegenheit gekommen. Ursprünglich hatte die CDU einen Antrag für die letzte Ratssitzung vorbereitet. Zentraler Bestandteil des Antrags war die Forderung, dass die städtischen Flächen im Bereich des Windenergiebereichs Klarenberg bis zu einem anderslautenden Beschluss des Rates nicht als Standort für WEA genutzt werden. Sollte in den kommenden Jahren eine regionale Wertschöpfung durch eine Beteiligung an einem privatwirtschaftlich initiierten Flächenpool im genannten Bereich möglich sein, so sei über eine solche Beteiligung durch gesonderte Beratung des Rates zu entscheiden.

Das muss man zum Moratorium noch wissen

Was ist ein Moratorium?
Bei einem Moratorium handelt es sich, vereinfacht dargestellt, um ein Stillhalteabkommen. In der Wirtschaft wird der Begriff oft dann benutzt, wenn sich Gläubiger und Schuldner darauf verständigen, das Begleichen der Schulden aufzuschieben.

Ist das Moratorium schon seitens der Politik beschlossen worden?
Nein, die Mehrheit der Fraktionen hat sich lediglich dazu entschieden, die Verwaltung zu beauftragen, Gespräche mit den Flächenbesitzern zu führen und ein solches Moratorium rechtlich prüfen zu lassen.

Wie geht es nach der Ratssitzung weiter?
Die Verwaltung der Stadt Sundern wird sich mit einem offiziellen Schreiben an die Flächenbesitzer am Klarenberg wenden und versuchen, Verhandlungsgespräche mit den Besitzern zu vereinbaren. Die Politik soll regelmäßig über den Stand der Gespräche/Verhandlungen informiert werden. Im Dezember soll dann entschieden werden, ob das Moratorium zustandekommt.

Wie bewerten Experten den Bau solcher WEA auf dem Klarenberg?
Aufgrund erster Eindrücke will Marc Messerschmidt von Wald und Holz NRW den Bau von Windkraftanlagen auf dem Klarenberg nicht ausschließen. Es sei zwar ein alter Eichenbestand - der grundsätzlich schützenswert ist - dort zu finden, dieser befinde sich allerdings an einer steilen Stelle, an der ohnehin nicht direkt gebaut werden könne.

Doch die CDU hatte den Antrag bei der Sitzung zurückgestellt, denn unmittelbar vor der Sitzung präsentierte die Sunderner Verwaltungsspitze für viele Beobachter völlig überraschend ein sogenanntes Moratorium. Bürgermeister Klaus-Rainer Willeke und die Erste Beigeordnete Dr. Jacqueline Bila hatten dieses Moratorium am Wochenende relativ spontan erdacht. „Alle Flächenbesitzer von Flurstücken im Windenergiebereich ‚Klarenberg‘ sollen sich darin verpflichten, in den nächsten fünf Jahren keinen Beitrag zur Entstehung von Windenergieanlagen zu leisten“, sagt Willeke. Weiterhin sollen die Flächenbesitzer u.a. darauf verzichten, Verhandlungen mit Projektierern zu führen, Verträge zur Sicherung von Flächen zu unterzeichnen, Projektieren Pläne und Unterlagen für Planungen zur Verfügung zu stellen und Gutachtern Zugang zu den Flächen zu ermöglichen. Pikant an der Angelegenheit ist, dass nicht alle Fraktionen vor der Ratssitzung die Vorlage ausgehändigt bekommen hatten. „Wir sind Sundern“ und „Bürger für Sundern“ erfuhren anders als etwa die CDU oder die SPD erst während der Sitzung von den Inhalten.

Größter Grundstücksbesitzer auf dem Klarenberg ist die Stadt Sundern. Doch es gibt noch mehr als 20 andere Flächenbesitzer, die für Projektierer interessante Geschäftspartner sein könnten.
Größter Grundstücksbesitzer auf dem Klarenberg ist die Stadt Sundern. Doch es gibt noch mehr als 20 andere Flächenbesitzer, die für Projektierer interessante Geschäftspartner sein könnten. © DPA Images | Patrick Pleul

Andreas Bahde von den „Bürgern für Sundern“ ist irritiert angesichts der unterschiedlich gehandhabten Informationspolitik seitens der Verwaltung. „Für uns war es gar nicht möglich, kurzfristig eine vernünftige Bewertung dieses Moratoriumsvorschlags vorzunehmen.“ In der Fraktion habe man sich bei der Abstimmung teils enthalten, teils auch dagegen gestimmt. Er selbst stelle sich die Frage, ob man es sich als Stadt Sundern vor dem Hintergrund der knappen Stadtkassen überhaupt erlauben könne, ein solches wirtschaftliches Faustpfand aus der Hand zu geben.

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Die SPD in Sundern kritisiert den Verwaltungsvorschlag deutlich, wie Ratsmitglied Andre Klammt betont: „Das Moratorium verzögert den Bau von Windkraftanlagen am Klarenberg, schützt die betroffenen Anwohner jedoch nicht. In fünf Jahren werden die Anlagen genauso gebaut wie heute – nur verzögert.“ Gleichzeitig verliere die Stadt Sundern wertvolle Einnahmen, da der Bau städtischer Windkraftanlagen blockiert werde, während private Investoren ihre Projekte weiter vorantreiben würden. Stattdessen verursache der Vorschlag einen enormen Verwaltungsaufwand, der wertvolle Zeit und Ressourcen verschlinge, ohne die eigentlichen Probleme zu lösen. Zudem sei die rechtliche Bindung dieses Moratoriums bislang unsicher.

Der Finger zeigt auf die grau markierte Fläche im Regionalplan. Dort befindet sich das Gebiet Klarenberg. Hier könnten weitere Windräder aufgestellt werden, was vielen Menschen in Stockum überhaupt nicht gefällt.
Der Finger zeigt auf die grau markierte Fläche im Regionalplan. Dort befindet sich das Gebiet Klarenberg. Hier könnten weitere Windräder aufgestellt werden, was vielen Menschen in Stockum überhaupt nicht gefällt. © Eric Claßen | Eric Claßen

Hans Klein von „Wir sind Sundern“ bezweifelt ebenfalls die rechtliche Grundlage dieser Moratoriumspläne. „Wenn nur einer der Flächenbesitzer nicht mitmacht, könnte alles ausgehebelt sein.“ Bei über 20 Flächenbesitzer auf dem Klarenberg sei das nicht unwahrscheinlich. „Vor allem, wenn man als Stadt in solchen Verhandlungen ja gar nichts anbieten kann. Die Flächenbesitzer sollen auf die Errichtung der WEA auf ihren Grundstücken und die damit verbundenen garantierten jährlichen Einnahmen verzichten. Das kann sich innerhalb von fünf Jahren auf eine sechsstellige Gesamtsumme belaufen. Welchen Vorteil hätten die Flächenbesitzer, wenn sie darauf verzichten. Die Stadt kann ja nichts als Gegenleistung bieten. Ich wünsche viel Glück bei diesen Verhandlungen“, wird Klein deutlich.

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Irmgard Harmann-Schütz von den Sunderner Grünen sieht in dem möglichen Moratorium „eine Chance, die man nutzen sollte, um die Situation zu entschärfen.“ Sie halte den Bau solcher Anlagen mitten in Sundern für nicht gut. „Wir dürfen die Akzeptanz der Menschen für Windkraft nicht verlieren. Grundsätzlich stehen wir weiterhin hinter der Windkraft, aber nicht an solch sensiblen Stellen.“ Die Errichtung der WEA müsse in Einklang mit dem Naturschutz und vor dem Hintergrund des Regionalplans erfolgen. „Es ist meiner Meinung nach nicht aussichtslos, eine Lösung mit den Besitzern am Klarenberg zu finden.“

Auch Stefan Lange von der CDU hofft auf diese Gespräche: „Wir gehen davon aus, dass nach Ablauf des Moratoriums – wenn bereits zahlreiche Windenergieanlagen im Stadtgebiet entstanden sind, die öffentliche und politische Meinung zur Fläche Klarenberg einen Bau von Windenergieanlagen dort dauerhaft verhindern wird.“ Der von der Bezirksregierung vorgeschlagene Windenergiebereich Klarenberg ziehe sich mitten durch das Stadtgebiet, würde das Landschaftsbild massiv verändern und Tausenden Bürgerinnen und Bürgern über 200 Meter hohe Windenergieanlagen in direkte Sichtweite rücken. Bereits in der Vergangenheit hatten sich die Christdemokraten für die Errichtung von Windkraftanlagen ausschließlich in den Randlagen Sunderns ausgesprochen.

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Bei der FDP gehen innerhalb der Fraktion die Meinungen auseinander, wie René Winter erklärt: „Die einen wollen den Bau der Anlagen, um die angespannte Haushaltslage durch künftige Einnahmen zu stabilisieren. Andere wiederum fürchten dadurch einen Verlust der Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürger.“ Er sei dankbar für den Vorschlag eines solchen Moratoriums, könne aber nicht ausschließen, dass nicht jeder Verhandlungspartner auf den Vorschlag der Verwaltung eingehe.