Sundern. Die 22-Jährige lebt in einer Wohngruppe für inklusionsgerechtes Leben in Sundern. Für ihre Mutter war es gar nicht so leicht, sie ziehen zu lassen.

„Jeder will leben“, sagt Diana Solbach, Leiterin der Franz-Sales-Wohnverbunde in Sundern für ein inklusionsgerechtes Leben. Franz-Sales-Häuser sind Einrichtungen der Behindertenhilfe. „Jeder will selbstbestimmt leben.“ Das möchte auch Lea Orlando - sie wohnt in einer der insgesamt drei Wohngruppen in Sundern.

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Lea Orlando ist 22 Jahre alt. Sie liebt das Radfahren, geht gerne ins Kino, verbringt mit Schwimmen und Basteln eine Menge Zeit. „Mensch ärgere dich nicht“ macht ihr nur gelegentlich Spaß, denn „es kommt drauf an, wer mich rausschmeißt“, sagt sie. Aber dafür fangen bei dem Gedanken daran, shoppen zu gehen, ihre Augen umso mehr an zu strahlen.

Ihr Zimmer ist im „Soy Luna-Style“ eingerichtet und auf ihrem Nachtisch steht eine kleine Stereoanlage mit Mikrofon. Denn Lea ist zudem auch leidenschaftliche Sängerin. „Ich singe auch auf Spanisch“, erzählt sie stolz. Diese Leidenschaft wurde nicht zuletzt von ihrem großen Idol, dem Sänger Vincent Weiss, ausgelöst. Dessen Konzert sie auch vor einigen Wochen zusammen mit ihrer Betreuerin Laura besuchte. Aber die Vincent-Weiss-Bewunderin hat noch größere Pläne: „Das nächste Mal möchte ich mit auf die Bühne.“

Lea Orlando auf einem Vincent Weiss Konzert
Lea Orlando auf einem Vincent-Weiss-Konzert mit selbstgebasteltem Plakat. © WP | Privat

Vor etwa einem Jahr bezog Lea Orlando ein Zimmer in ihrem neuen Zuhause. Ihr damaliger Freund wohnte schon dort. Sie lernte die Betreuer und Betreuerinnen kennen und den Alltag der Bewohner und Bewohnerinnen. Dann äußerte sie schnell den Wunsch, auch Teil dieser WG zu werden. Mit Glück bekam sie einen Platz und nach dem mehrtägigen Probewohnen war Lea sich sicher, dass sie dorthin gehört. Mit Hilfe eines mit Piktogrammen gestalteten Wochenplans ist die junge Frau mittlerweile eingespielt im Alltagsgeschehen. So weit, dass sie sagt: Einkaufen, staubsaugen, Tisch abdecken und so weiter, „das macht mir Spaß“.

Verwirklichung der Lebensqualität

Die Wohngruppen in Sundern seien nahezu einzigartig, berichtet Diana Solbach. Und weiter: „Wir wollen hier weg von dem systematischen Denken und hin zu dem personenzentrierten Denken.“ Es gehe um die Verwirklichung der Lebensqualität, um die individuellen Wünsche und Bedürfnisse eines jeden einzelnen - und das vor allem auch im Alltag. Das Ziel sei ein ganz „normales“ Leben. Diana Solbach sagt deutlich: „Lea darf alles!“

Lea Orlando Wochenplan
Lea Orlando vor dem mit Piktogrammen gestaltenen Wochenplan in ihrer Wohngruppe. © WP | Emma Krengel

Momentan arbeitet Lea Orlando in der Caritas-Werkstatt in Arnsberg, wohin sie jeden Morgen mit dem Bus fährt. Doch ihr eigentlicher Traumberuf sei etwas anderes, sagt sie, sie würde gerne Kindergärtnerin sein. „Mein größter Wunsch ist ein Praktikumsplatz im Kindergarten“, sagt sie. Schon bei der Vorstellung daran wirkt sie aufgeregt. Die Bewerbung sei schon in Arbeit.

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Sylvia Hasky (56), Betreurin in Lea Orlandos Wohngruppe, erklärt: „Die Arbeit ist so besonders, weil wir keinen stationären Richtlinien unterlegen sind.“ Der Tagesablauf sei individuell auf den Menschen abgestimmt. Jeder Bewohner habe zwei Paten, was bedeute, dass die Unterstützung viel spontaner sein könne. Es gehe generell immer um die Frage: „Was will der Mensch?“, und dann um die konkrete Umsetzung. Für Lea Orlando ist einer der Paten sehr bedeutsam - Niko. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht sagt Lea: „Er ist wie ein zweiter Papa.“ Er sei vor Ort ihr stetiger Ansprechpartner, aber auch telefonisch immer zu ereichen.

Ein Urlaub in Italien

Diana Solbach erzählt, dass auch die Eltern lernen müssten, ein stückweit loszulassen. Erika Orlando (53), Mutter von Lea, berichtet auch, dass durch der Auszug ihrer Tochter verschiedene Gefühlswelten aufeinander getroffen sind. „Es war so halb-halb.“ Die gelernte Friseurin habe erneut angefangen zu arbeiten, ihren Alltag anders strukturiert und auch sich selbst mehr wiedergefunden. „Aber trotzdem vermisse ich Lea natürlich auch sehr“, sagt sie. Allerdings habe sie auch immer gewusst, dass es Leas größter Wunsch ist, in eben diese Wohngruppe zu ziehen. So sei das Loslassen einfacher gefallen.

Und Lea? Lea träumt weiter: Einer ihrer größten Wünsche ist ein Urlaub in Italien. „Damit die ganze Familie zusammen ist“, erklärt sie. Ein Teil ihrer Familie wohne an der Spitze des Stiefels. Aber auch für leckeres italienisches Eis und Badegänge im Mittelmeer sei dieser Besuch mehr als lohnenswert. Tatsächlich fahren Betreuer und Bewohner und oftmals auf eine sogenannte „Bewohnerfreizeit“. Letztes Jahr seien sie in Griechenland gewesen. Und vielleicht geht es im nächsten ja nach Italien.