Neheim. Nach schwerem Schicksalsschlag gibt es für Adél Hoffnung: Sie wird von Familie Tepel aufgenommen. Wie die Familie nun zusammenwächst.
Meist steckt ein hartes Schicksal dahinter: „Wenn Eltern das Sorgerecht entzogen wird, Kinder ohne Mama und Papa aufwachsen oder Jugendliche ohne einen Sorgeberechtigten nach Deutschland einreisen, dann benötigen diese Kinder einen gesetzlichen Vertreter. Einen sogenannten Vormund“, erklärt Artur Lichtner von der Koordinierungsstelle für ehrenamtliche Vormundschaften des Kreisjugendamtes. In den meisten Fällen übernimmt das örtliche Jugendamt diese Aufgabe, im Rahmen einer beruflich geführten Vormundschaft.
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Auch Artur Lichtner betreut mehrere Minderjährige und kennt sich diesbezüglich aus. Darüber hinaus dürfen zudem ehrenamtliche Vormundschaften geführt werden. Dafür hat sich beispielsweise Sylvia Tepel (54) entschieden. Ihre Geschichte ist eine besondere, denn ihre Familie hatte ursprünglich gar nicht vor, eine Vormundschaft für ein Kind zu übernehmen. Doch wie so oft im Leben kam alles anders als geplant: „Es begann mit einer Freundschaft zwischen unserer Tochter Valea und Adél, einem Mädchen aus der Parallelklasse am St. Ursula Gymnasium in Neheim“, erinnert sich Sylvia. Das war vor ungefähr vier Jahren.
Die beiden lernten sich näher kennen und wurden Freundinnen. „Letztes Jahr in den Sommerferien fragten wir Adél, ob sie nicht mit uns in den Urlaub nach Dänemark fahren möchte“, so die 54-Jährige. Alles kein Problem. „Wir mochten Adél von Anfang an. Sie ist sehr ruhig und hat eine nette Art.“
„Wir mochten Adél von Anfang an. Sie ist sehr ruhig und hat eine nette Art.“
Im neuen Schuljahr schien die Freundschaft zwischen den beiden Mädchen abzukühlen. „Ich fragte meine Tochter, warum Adél nicht mehr vorbeikäme“, erinnert sich Sylvia. Erst hieß es, sie habe keine Zeit und müsse für die Schule lernen. Doch Valea blieb standhaft und erfuhr schließlich, dass es Adéls Mutter nicht gut ginge. „Die Mutter schien schwer krank zu sein und wir erfuhren, dass Adéls Vater vor ein paar Jahren verstorben war“, erklärt Sylvia. So kümmerte sich die 16-jährige Adél um ihre kranke Mutter und um den Haushalt. Familie Tepel wollte helfen und nahm Adél zu sich auf, als die Mutter zwischenzeitlich ins Krankenhaus musste. „Es wurde zwar nie ausgesprochen, aber mir war klar, dass die Mutter es nicht schaffen wird. Sie hatte Krebs im Endstadium und wurde palliativ behandelt.“ Adéls Mutter musste dann häufiger ins Krankenhaus. Die Abstände wurden immer kürzer. „Am Ende war sie sehr schwach. Ein paar Wochen zuvor schickte sie mir noch eine Sprachnachricht und bat mich, dass ich mich um Adél kümmern sollte, falls sie es nicht schafft.“
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So kam es dann auch im Mai dieses Jahres. Adéls Mutter erlag ihrer Krankheit auf der Palliativ-Station in Meschede. Es gab noch eine Großtante, die bei der Haushaltsauflösung half. „Mein Mann und ich fragten unsere Kinder, ob wir Adél für immer zu uns aufnehmen sollten. Es kam zwar sehr plötzlich, aber unsere Familie hielt zusammen und wir beschlossen gemeinsam, dass Adél zu uns zieht.“
Zum Glück bietet das Haus der Tepels genug Platz, sodass Adél ein eigenes Zimmer beziehen konnte. „So hat sie einen Rückzugsort. Es ist nicht einfach für das Kind, doch mit der Zeit gewöhnt sie sich ein.“ Und für die Familie Tepel begann mit dem Einzug des Kindes nicht nur ein neues Leben, sondern auch ein Behördenmarathon. Nachlass- und Familiengericht, Beerdigung, Wohnungsauflösung, Jugendamt und vieles mehr. „Die Mitarbeitenden der Stadt Arnsberg waren sehr hilfsbereit“, betont Sylvia Tepel. Sie und ihre Familie bereuen den Schritt nicht. „Ich kann zwar nicht Adéls Mutter ersetzen, aber ich will versuchen, ihr das Leben so leicht wie möglich zu machen“, sagt Sylvia. Sie hat Adél ins Herz geschlossen und schenkt ihr ebenso viel Liebe wie ihren eigenen beiden Kindern.
„Es ist natürlich eine Umstellung, aber auch ein Gewinn für die Familie“, so Sylvia Tepel. Sie sei beispielsweise seit Adéls Einzug viel ruhiger und gelassener geworden. „Es ist ein schönes Gefühl, trotz des ganzen Trubels.“ Sylvia und die ganze Familie blicken hoffnungsfroh in die Zukunft.
Der Hochsauerlandkreis sucht Interessierte, die ebenfalls eine ehrenamtliche Vormundschaft übernehmen wollen. Dazu findet am Dienstag, 29. Oktober, 17 Uhr, im Kreishaus in Brilon, am Rothaarsteig 1 (Raum 999), eine Informationsveranstaltung statt. Interessierte erhalten dort Antworten zum Thema. Dazu gibt es die Möglichkeit, ein unverbindliches Gespräch bei der Koordinierungsstelle für ehrenamtliche Vormundschaften des Kreisjugendamtes zu führen. Ansprechpartner ist Artur Lichtner, Tel. 02961-943021, E-Mail: artur.lichtner@hochsauerlandkreis.de.