Neheim. Thomas Dahlhoff diskutiert die Rolle von Messern in Straftaten und betont: „Das Problem ist der Mensch, nicht die Waffe.“

Warum werden Messer so oft für Straftaten benutzt? - Diese Frage kann Thomas Dahlhoff vom Schneidwaren-Fachgeschäft Vehrenberg nicht beantworten. Er zuckt die Schultern. Doch natürlich sind die jüngsten Ereignisse von Solingen ein Gesprächsthema in seinem Laden. Das Attentat von Solingen ist in aller Munde - ausgerechnet die Stadt, die für ihre Klingen weltweit bekannt ist. Auch bei Vehrenberg gibt es Messer aus Solingen. Als Waffe sieht Thomas Dahlhoff sie trotzdem nicht. „Bestenfalls dienen sie zur Selbstverteidigung. In jeder Küchenschublade sind Messer zu finden. Wenn es danach geht, könnte alles eine Waffe sein.“

„Alles kann zur Waffe werden“

Anschaulich präsentiert er ein harmlos wirkendes Fahrtenmesser und einen Füllfederhalter in Form eines Kubotans. „Das ist ein Gegenstand, der als Waffe für den Nahkampf in verschiedenen Kampfkünsten Verwendung finden kann“, erklärt er. Er besitzt selbst einen solchen Kubotan. „Er ist sehr schlicht, fällt nicht auf und könnte trotzdem als Waffe eingesetzt werden.“

Messer aller Art vom Schneidwaren-Fachgeschäft Vehrenberg in Neheim.
Messer aller Art vom Schneidwaren-Fachgeschäft Vehrenberg in Neheim. © WP | Anja Jungvogel

Dahlhoff ist nicht der Ansicht, dass man das Gesetz - genauer Paragraf 42a - ändern müsste und formuliert seine Begründung messerscharf: „Einer Schlange schlägt man den Kopf ab und nicht den Schwanz.“ Butterfly-, Faust-, Fall- und Springmesser sind ohnehin verboten. „Kann man bei uns nicht kaufen!“, so der Experte. Sollte man die Umsetzung der Waffenrechtsnovelle voranzutreiben, würden sich potenzielle Attentäter im Baumarkt eine Axt kaufen. „Sogar ein Schraubenzieher kann zu einer gefährlichen Waffe werden“, meint Dahlhoff. Online gibt es natürlich einige Anbieter, die verbotene Messer trotzdem verkaufen. „Und dafür muss man nicht mal ins Darknet.“

Lesen Sie auch:

In seinem Fachgeschäft, das er gemeinsam mit seiner Frau Gabriele Vehrenberg in der Neheimer Fußgängerzone betreibt, ist die Auswahl an Schneidwaren sehr groß. Für jede Arbeit, sei es im Haushalt oder für Tätigkeiten im Garten, ist hier etwas zu finden. Auch Sammlerstücke wie Macheten, Dolche und Schwerter werden im Fachgeschäft angeboten. Grundsätzlich lässt sich Thomas Dahlhoff von seiner jüngeren Kundschaft den Personalausweis zeigen, wenn sie „scharfe Sachen“ kaufen möchten. Und jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter im Laden habe zudem die Freiheit, selbständig zu entscheiden, ob und an wen verkauft wird.

Messer aller Art vom Schneidwaren-Fachgeschäft Vehrenberg in Neheim.
Messer aller Art vom Schneidwaren-Fachgeschäft Vehrenberg in Neheim © WP | Anja Jungvogel

Zu Thomas Dahlhoffs Messer-Kundenkreis zählen übrigens mehr Männer als Frauen. Haushaltswaren sind hingegen für die weibliche Kundschaft interessanter. Zuweilen auch Pfefferspray - und eher selten scharfe Klapp- oder Einhandmesser. „Es gibt natürlich auch Frauen, die danach fragen, aber nicht so oft.“

Auch interessant

Messer übten besonders auf das männliche Geschlecht eine Faszination aus. „Schon als Kind wollte ich unbedingt ein Taschenmesser haben“, erinnert sich Thomas Dahlhoff. Trotzdem kann er nicht nachvollziehen, dass Messer für terroristische Attentate oder Amokläufe missbraucht werden. „Das Problem ist nicht die Waffe, sondern der Mensch, der sie in der Hand hält“, betont er. Innenminister Herbert Reul wählte bei der heutigen Konferenz zum Bekämpfungskonzept von Messergewalt ähnliche Worte: „Erst der Mensch, der es in der Hand hat, macht aus dem Messer eine Waffe. Wir müssen mehr über Täter, Taten und Opfer erfahren, wenn wir diese schrecklichen Messerangriffe verhindern wollen. Die Auswertung sagt uns, dass Messergewalt jung und männlich ist. Mich sorgt, dass - gemessen am Ausländeranteil in der Bevölkerung - Tatverdächtige ohne deutsche Staatsangehörigkeit überproportional vertreten sind. Sich zu bewaffnen, hat sicher auch etwas mit Männlichkeitsgehabe zu tun. Mit dem Messer mag sich ein mancher stärker und unbesiegbarer in der dunklen Nacht fühlen. Dieses mittelalterliche Bild von Männlichkeit tut unserer Gesellschaft nicht gut.“

Für 95 Prozent seiner Kunden würde Schneidwarenhändler Thomas Dahlhoff die „Hand ins Feuer“ legen, dass sie nichts Schlimmes mit den Schneidwerkzeugen im Sinn hätten. „Natürlich gibt es auch ein paar Leute, für die ich mich nicht verbürgen würde“, betont er. „Aber wir sind nicht verpflichtet, denen unsere Waren zu verkaufen.“

Messer aller Art vom Schneidwaren-Fachgeschäft Vehrenberg in Neheim.
Messer aller Art vom Schneidwaren-Fachgeschäft Vehrenberg in Neheim. © WP | Anja Jungvogel

Um Messergewalt einzudämmen, stellte Minister Reul am 28. August verschiedene Maßnahmen vor, die in den Kreispolizeibehörden, angepasst an örtliche Gegebenheiten und Kriminalitätsgeschehen, individuell umgesetzt werden. Die Präventionsarbeit in Flüchtlingsunterkünften wird künftig verstärkt. Neben individueller Waffentrageverbote und Waffenverbotszonen gehört auch mobile Videobeobachtung und strategische Fahndung dazu.

Innenminister Herbert Reul: „Jede Kreispolizeibehörde muss selbst schauen, was individuell vor Ort funktioniert. Deshalb soll auch vor Ort analysiert und geprüft werden, welche Maßnahmen am besten greifen. Das wollen wir hier aus Düsseldorf nicht vorgeben. Die eine richtige Lösung gegen Messergewalt gibt es nicht. Verschiedene Maßnahmen müssen ineinandergreifen.“