Arnsberg/Sundern. Ehemaliger Lufthansa-Kapitän teilt Erfahrungen mit Turbulenzen und betont die Bedeutung von Ruhe und Transparenz für die Sicherheit.

Erst kürzlich in den Nachrichten: Auf einem Flug von London nach Singapur spielten sich dramatische Szenen ab: Bei heftigen Turbulenzen, bei denen ein Mensch aufgrund eines Herzinfarkts ums Leben kam und zahlreiche Passagiere verletzt wurden, kam Panik auf. Mit einem Mal herrschte Chaos in der sonst so entspannten Atmosphäre über den Wolken. „Ich kann mich an einen ähnlichen Fall in meiner Dienstzeit erinnern“, verrät der pensionierte Lufthansa-Kapitän Alfred Heidbrink aus Sundern. „Wir hatten damals das Glück, dass eine Boeing vor uns die Lage kurz zuvor durchflogen hatte und uns warnen konnte.“

Blitzschnell habe er daraufhin eine Anweisung an die Stewards gegeben, alle Kleinteile zu sichern, die eventuell herumwirbeln könnten. Zeitgleich blickten zudem die Anschnallzeichen für die Passagiere. „In solchen Situationen war es mir stets wichtig, Ruhe zu bewahren und möglichst transparent die Informationen an alle Fluggäste über das Mikrofon weiterzugeben.“

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Denn Turbulenzen seien für viele Reisende der schlimmste Teil des Fliegens, „und der jüngste Vorfall aus den Nachrichten könnte die Flugangst bei manchen Leuten verstärken“, meint Heidbrink. Wenn man dem 67-Jährigen zuhört, fasst man schnell Vertrauen zu dem, was er sagt und vor allem - wie er es sagt. Seine Stimme ist tief und klingt sonor. Niemals verhaspelt er sich oder spricht undeutlich. Das sei ihm auch während seiner Zeit als Flugkapitän sehr wichtig gewesen. „Die Passagiere, der Co-Pilot und die Flugbegleiter müssen Vertrauen haben und sollten die Zeit über den Wolken möglichst unbeschwert genießen“, sagt er.

In solchen Situationen war es mir stets wichtig, Ruhe zu bewahren und möglichst transparent die Informationen an alle Fluggäste über das Mikrofon weiterzugeben.
Alfred Heidbrink, ehemaliger Lufthansa-Kapitän

Dazu werden Pilotenanwärter nicht nur während der Ausbildung geschult, sondern bereits im Vorfeld getestet. „Man bekommt eine Anzahl an Mathematikaufgaben, die in der vorgegebenen Zeit niemals zu schaffen sind“, weiß der ehemalige Lufthansa-Pilot. „Dadurch erkennen die Prüfer, wie ‚stressresistent‘ die Bewerberinnen und Bewerber sind.“

Zum Alltagsgeschäft eines Piloten bzw. einer Pilotin gehören übrigens auch regelmäßig Gesundheitschecks für Körper und Geist. Denn auch Flugkapitäne könnten schließlich mal die Nerven verlieren. „Alles schon in der Vergangenheit passiert“, weiß Alfred Heidbrink. Dabei spielten besonders persönliche und private Schicksalsschläge eine Rolle. „Die Aufgabe der Prüfer ist es, so etwas zu erkennen und die Betreffenden für die Zeit der Genesung aus dem Flugverkehr herauszuziehen.“

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Die psychologische Beraterin und Angstexpertin Ute Becker aus Arnsberg befürwortet diese Maßnahmen. „Das Gegenteil von Angst ist nicht - wie oft angenommen - Mut, sondern Vertrauen“, sagt sie. Vertrauen sei für die Passagiere eines Fluges als auch für die Piloten der Maschine elementar. „Den Gefühlen Angst und Vertrauen liegt der Glaube an etwas zugrunde, was noch nicht sichtbar ist.“

Jeder Mensch habe stets die Wahl, wofür er sich entscheidet. Wenige Minuten vor dem Flug könnten oftmals entscheidend sein. „In meiner Zeit als Kapitän stand ich meist am Eingang des Flugzeuges und begrüßte die Gäste“, erinnert sich Heidbrink. Dabei beobachtete er die Menschen ganz genau. „Wenn jemand nervös wirkte oder blass aussah, versuchten die Crew und ich bereits im Vorfeld beruhigende Worte und Gesten zu finden.“

Auch, dass man die als bedrohlich empfundenen Geräusche des Flugzeuges recht simpel erklären kann - das wissen scheinbar nicht alle. „Aus diesem Grund bieten wir in Sundern demnächst Flugangst-Seminare an“, sagt Heidbrink. Die Kurse beleuchten die Gründe, warum Menschen sich wiederholt für Angst entscheiden und erörtern die Schritte, um Vertrauen zu entwickeln. „Veränderung erfordert ein umfassendes Verständnis dafür, welche Mechanismen unser Verhalten beeinflussen und warum wir handeln, wie wir handeln. Durch die vertiefte Auseinandersetzung mit diesen Aspekten erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars die Möglichkeit, wirkungsvolle Veränderungen in ihrem Leben einzuleiten“, verspricht Ute Becker.

Bei den Flugangst-Seminaren wird individuell auf jeden einzelnen Teilnehmenden eingegangen und versucht, Blockaden und Ängste zu lösen. „Hier bekommen die Gäste die Möglichkeit, in einer sicheren Umgebung Flugsituationen zu erleben und ihre Ängste schrittweise zu überwinden. Die realistische Simulation ermöglicht es, Vertrauen aufzubauen und sich auf kommende Flüge vorzubereiten“, erklärt Ute Becker abschließend. Nähere Infos und alle Termine sind auf der Homepage zu finden: https://www.flugangst-sauerland.de/seminar-termine/

In einem ausrangierten Flugzeug werden in Sundern reale Flugsituationen simuliert.
In einem ausrangierten Flugzeug werden in Sundern reale Flugsituationen simuliert. © Anja Jungvogel | Anja Jungvogel