Arnsberg/Soest. Waldbaden als Modetrend? Das sagt Umweltbildungsreferentin Claudia Seidel aus Soest dazu. Ein Gespräch über die Wirkung der Natur.
„Wald wirkt!“ Das ist das Motto von Claudia Seidel. Seit 12 Jahren ist die Frau aus Soest selbstständige Umweltbildungsreferentin im Raum Arnsberger Wald und Umgebung. In ihren Kursen der Stressprävention und Gesundheitsvorsorge sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst üben. Im Interview erzählt sie von ihrer Arbeit.
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Frau Seidel, ist Waldbaden eher ein Modebegriff für Sie oder was steckt wirklich dahinter?
Claudia Seidel Also für mich ist Waldbaden ein Modebegriff. Das Programm, das ich unter dem Begriff Waldbaden anbiete, praktiziere ich schon seit 15 Jahren unter dem Stichwort „Kraftort Wald“. Nur das googled niemand. Für viele Menschen ist Waldbaden immer noch sehr abstrakt.
Und was bedeutet dann der „Kraftort Wald“ für Sie?
Für mich ist das ein intensives Eintauchen mit allen Sinnen in die Natur. Mit dem Zweck, dass wir komplett runterfahren und Stresshormone abbauen können, die wir in unserem Alltag sammeln. Im Wald haben wir alles, was uns besänftigen kann: schöne Farben, Licht, sanfte Klänge, Wohlgerüche. Bereits ohne die speziellen Methodiken, die ich anwende, haben wir im Wald alles, was positiv auf unser Nervensystem wirkt. Abschalten ist für manche Menschen dennoch sehr schwierig.
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Warum ist das so?
In der Regel ist das Nervensystem bei diesen Menschen übersteuert. Sie schütten zu viele Stresshormone aus. Dadurch bilden sich Kaskaden an Botenstoffen. Ein Entspannungszustand kann aber nie gleichzeitig mit einer Verspannung stattfinden. Deshalb fällt es manchen Menschen schwer, abzuschalten. Den übersteuerten Stoffwechsel versuche ich dann mit verschieden Methoden herunterzufahren. Beim Waldbaden können die Menschen dann den Kontakt mit der Natur aufnehmen.
Wie kann das gelingen?
Die Menschen sollen Methoden lernen, die sie im Alltag umsetzen können. Hilfreich sind zum Beispiel Atemtechniken. So kann die Atmung dem Schritttempo angepasst werden. Das kann jede Person alleine anwenden. Für die Übungen im Wald schaue ich besonders nach Plätzen, wo ich ungestört sein kann. Dort trainiere ich mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmer autogenes Training. Für Anfänger oder Kinder sind aber auch Fantasiereisen eine Möglichkeit der Entspannung.
Waldbaden im Arnsberger Wald: „Natur kann Stress minimieren.“
Viele Menschen haben einen stressigen Alltag. Erholung kommt dann häufig zu kurz. Reicht ein 15-Minuten-Spaziergang durch den Wald zum Abschalten aus?
Die Natur bietet alles, um den Stress zu minimieren. Denn Stress ist eigentlich ein normaler Zustand und von der Natur gewollt, um unser Überleben zu gewährleisten. Wir sind mittlerweile aber auf einem permanent hohen Stresslevel. Das kann die Natur unter anderem durch Farben, Licht oder Gerüche ausgleichen. 15 Minuten sind dabei besser als gar nichts, aber zwei bis drei Stunden bewirken viel mehr. Wichtig ist dabei: Das Handy einfach liegen lassen oder nur für den Notfall mitnehmen aber ausschalten. Wir haben uns schon daran gewöhnt, dass wir Medien ständig bei uns haben. Für eine richtige Erholung sollte ich aber achtsam sein und einfach nur den Wald beobachten. Dann merken sie schnell, dass der Wald ein Mikrokosmos mit unvollstellbaren Möglichkeiten ist.
Sie sind häufig in der Natur unterwegs. Können Sie auch eine „Überdosis Wald“ bekommen?
Nein, eigentlich nicht (lacht). Aber mein Körper hat Grenzen. Wenn ich bei zwei Grad und Nieselregen draußen bin, dann komme ich auch an das Ende meiner Kräfte. Es ist aber auch ein super Training.
Die Natur hilft uns bei der Stressprävention. Doch der Wald leidet selbst – auch aufgrund der Menschen. Auf was müssen wir künftig achten?
Viele Menschen verhalten sich bereits achtsam. Wir müssen aber alle etwas tun, um an der Klimaschraube zu drehen. Durch die Flutkatastrophen ist es nun noch mal deutlich geworden. Aber die Menschen, die nicht direkt davon betroffen sind, vergessen es auch schnell wieder. Unsere große Aufgabe ist es, in allen Bereichen klimaneutral zu werden. Damit wir auch weiter in der Natur gesunden können.