Arnsberg. Ein Jahr nach der Flut in Arnsberg: Sportplatz und Gewerbegebiet in Müschede wurden überflutet. Jetzt sind Damm und größeres Flussbett geplant.

Als vor einem Jahr außergewöhnlich starker Regen im Westen Deutschlands angekündigt wurde, blieb Dieter Hammerschmidt recht gelassen. „Bei der Prognose für Arnsberg habe ich ruhig schlafen können“, erinnert sich der Hochwasser- und Gewässerexperte im Fachbereich Umwelt bei der Stadt Arnsberg heute. Fast 365 Tage später weiß er: „Die Röhr aber hatten wir nicht auf dem Schirm“. Und nun steht er auf einem trostlos verlassenen und seit der Flut am 14. Juli 2021 nicht mehr nutzbaren Kunstrasen-Fußballplatz des TuS Müschede.

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„In Arnsberg sind wir eigentlich glimpflich davongekommen“, sagt Dieter Hammerschmidt vor allem mit Blick auf das Ruhrtal. Es habe zwar bei dem Starkregen- und Unwetterereignis überflutete Bereiche der Ruhrstraße, der Mühleninsel Arnsberg und auch im Binnerfeld (vollgelaufene Tiefgaragen durch dem Regen) gegeben, doch „das waren alles nur Werte eines 20-jährlichen Hochwassers“. Anders an der Röhr: Hier, so hat die Stadt berechnen lassen, müsse von einem 100-jährlichen Hochwasser gesprochen werden, das in Arnsberg - unterhalb der großen Überschwemmungen im benachbarten Sundern-Hachen - den Müscheder Sportplatz komplett zerstört und weite Teile des Gewerbegebiets rund um die Firma Cronenberg überflutet hatte.

So sieht der Müscheder Sportplatz heute noch aus.
So sieht der Müscheder Sportplatz heute noch aus. © Unbekannt | Martin Haselhorst

Normalerweise gibt die Sorpe rund einen Kubikmeter Wasser pro Sekunde ab, das vermengt mit dem Zufluss der Röhr dann ins Tal in Richtung Ruhr fließt. Hydraulische Berechnungen haben aber gezeigt, dass es am Nachmittag und Abend des 14. Juli 2021 fast 100 Kubikmeter gewesen sein müssen. Das konnte das Gelände nicht verkraften.

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War das absehbar? Warum muss ein Sportplatz direkt an die Röhr gebaut werden? „Das hier war nicht als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen“, sagt Dieter Hammerschmidt. Ohne jegliche Vorwürfe an die zuständigen Stellen beim Kreis stellt er fest: „Das wurde schlichtweg falsch berechnet“. Möglicherweise, weil das Fassungsvermögen des Mühlengrabens an der Müscheder Röhr überschätzt worden war. Auch daher habe das Problem niemand im Blick gehabt. Inzwischen wurde das komplette Areal auf sämtliche Hochwasser-Eventualitäten in Modellrechnungen „durchleuchtet“. Das Modell errechnete mit Hilfe von Luftbildern der damaligen Überschwemmungsausmaße einen Wasserdurchfluss von 98 Kubikmeter pro Sekunde am Sportplatz. In Modellrechnungen wurde nun geschaut, welche Hochwasserschutzmaßnahmen welche Wirkungen erzielen könnten.

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Das Ergebnis: „Eine Hochwasserwand oder ein Damm können den Sportplatz und auch das Gewerbegebiet bei einem sich so wiederholenden Ereignis schützen“, sagt Dieter Hammerschmidt. Politisch wurde daher bereits ein Planungsauftrag erteilt, um die Hochwassermaßnahmen an dieser Stelle umzusetzen. Geplant sind eine Hochwassermauer oder Damm, eine Verbreiterung der Röhr im Bereich des Sportplatzes und mehr renaturierter Flutraum unterhalb von Sportplatz und Gewerbebereich. Das Ziel: Damm oder Hochwasserwand sollen die Fließgeschwindigkeit erhöhen und die Wassermenge in diesem Bereich somit reduzieren, der renaturierte Flutraum senkt dann die Pegelstände.

Regenkarte bot Überraschungen

„Das sind eigentlich typische Maßnahmen, wie wir sie an anderen Stellen schon seit 2003 umsetzen“, erläutert Hammerschmidt, „durch die Ereignisse von 2021 kam jetzt hier an der Röhr Dynamik hinein“.

Noch ehe am 14. Juli 2021 das große Hochwasser der Röhr kam, hatte sich die Stadt Arnsberg bereits auf den Weg gemacht, um eine zuverlässige Starkregenkarte zu erhalten. Diese liegt nun vor. Die bot auch Überraschungen: „Die Probleme in den engen Tälern waren uns ja zum Beispiel aus dem Wannetal bekannt“, so Hammerschmidt, „verblüfft hat uns aber die Überschwemmungswahrscheinlichkeit in den Tallagen der Ruhr“. Hier kann die Stadt nur bedingt Abhilfe schaffen, in dem sie für Abflüsse sorgt und Stauungen verhindert. „Wir können private Haushalte nicht komplett vor Starkregenfolgen schützen“, so der Hydraulik-Experte der Stadt, „da ist Eigeninitiative gefragt“. Entwickelt werde aktuell aber ein Konzept für das Starkregen-Risikomanagement, das von Akut- bis Planungsmaßnahmen das Thema fachlich fundiert im Fokus hat.

Starkregen sind in der Regel lokale Ereignisse und müssen nicht zwingend Hochwasserlagen auslösen. Das Hochwasser am 14. Juli 2021 resultierte aber aus einer großen überregionalen Unwetterzelle, die zudem noch sehr statisch war und somit langanhaltenden starken Regen brachte. Zudem werden die Vorwarnzeiten geringer: So stieg am 14. Juli des Vorjahres in Oeventrop die Ruhr rasant an, so dass bereits Sandsäcke zum Schutz der Schützenhalle aufgetürmt wurden. Es kam nicht so schlimm wie befürchtet, weil das Ruhr-Hochwasser an diesem Tag eben kein „100-jährliches“ und erst Recht kein „extremes“ war.

Die Stadt Arnsberg hat drei Millionen Euro Mittel für Maßnahmen des technischen Hochwasserschutzes in den aktuellen Haushalt eingestellt, will aber nicht in Aktionismus verfallen. Das Hochwasserschutzkonzept, das seit 2003 verfolgt werde, soll fortgeführt werden. Renaturierungsmaßnahmen hätten sich da aus Gründen der Effektivität, Ökologie und Wirtschaftlichkeit als sehr gutes Instrument gezeigt, das zumal zu 80 Prozent aus Landesmitteln finanziert wird. Nach der ersten Phase der nahezu abgeschlossenen Renaturierungen gehe es nun aber auch um technische Maßnahmen - zum Beispiel an der Ruhr in Unterhüsten im Bereich des Rathauses oder auch am Viadukt in Alt-Arnsberg. Letztere Maßnahme solle auch helfen, den Grundwasserspiegel in Muffrika zu senken und so häufig volllaufende Keller zu vermeiden.

„Wir haben die gesetzliche Pflicht, Flächen vor einem 100-jährlichen Hochwasser zu schützen“, erklärt Dieter Hammerschmidt. Klar sei aber auch: Was heute noch als 100-jährliches Ereignis gelte, könne aufgrund des Klimawandels auch bald heruntergestuft werden.

In Müschede kann der Wiederaufbau des Kunstrasenplatzes erst beginnen, wenn das Areal vor einem 100-jährlichen Hochwasser als geschützt gilt. „Vorher gibt es für den Neuaufbau des Platzes keine Fördermittel“, so Hammerschmidt. Er rechnet im optimalsten Falle damit, dass im kommenden Jahr im Juli und August mit der Umsetzung der Hochwasserschutzmaßnahme begonnen werden könne. Die Sportplatzplanung könne natürlich schon parallel aufgenommen werden. Vorab müssten noch wasserrechtliche Genehmigungen für ein Schutzbauwerk eingeholt werden. Schwer absehbar ist die Verfügbarkeit von Unternehmen zur Umsetzung. „Die Nachfrage ist ja gerade sehr hoch“, weiß Hammerschmidt.

So sah nach der Modellrechnung die Überflutung in 2021 aus. Das Bild unten zeigt, wie das Wasser bei gleichem Ereignis mit Hochwasserschutzmaßnahmen fließen würde.
So sah nach der Modellrechnung die Überflutung in 2021 aus. Das Bild unten zeigt, wie das Wasser bei gleichem Ereignis mit Hochwasserschutzmaßnahmen fließen würde. © Unbekannt | Stadt Arnserg
Diese Maßnahmem sind geplant - und so wäre das Wasser mit ihnen im Juli 2021 durch Müschede geflossen.
Diese Maßnahmem sind geplant - und so wäre das Wasser mit ihnen im Juli 2021 durch Müschede geflossen. © Unbekannt | Stadt Arnsberg