Neheim/Hüsten. Was lokale Experten Hausbesitzern kurz vor Start der neuen Grundsteuererklärung raten. Exklusive Beratung für Leser dieser Zeitung.
Eigentümerinnen und Eigentümer von Wohngrundstücken erhalten dieser Tage Post von der Finanzverwaltung. Denn erstmals seit 1964 wird die Grundsteuer reformiert, und es ist eine gute Portion Eigeninitiative gefragt, um den neuen Antrag ordnungsgemäß auszufüllen.
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Haus und Grund Neheim-Hüsten und der Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e.V. informierten nun darüber, wie man am besten handelt, wenn der entsprechende Brief vom Finanzamt eintrudelt. Allein in NRW werden so in den nächsten Monaten 6,5 Millionen Anträge erwartet. 370 neue Mitarbeitende in den Finanzverwaltungen wurden für die Bearbeitung eingestellt.
„Ruhe bewahren und ganz genau nachlesen“
Eine Mammutaufgabe, für Eigentümer wie Verwaltung. „Im Zuge der Grundsteuerreform wird von Laien durchaus viel Fachwissen erwartet“, sagt Lucas Vogt, Vorsitzender von Haus und Grund Neheim-Hüsten. Eine anspruchsvolle, aber lösbare Aufgabe sei es, zumindest für Internet-affine Personen, sagt Rik Steinheuer, Rechtsanwalt und Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler in NRW. Er rät: „Ruhe bewahren. Ganz genau nachlesen, vorsichtig bei den Angaben sein und am besten nicht der erste sein, der den Antrag ausfüllt.“
Zwei Online-Optionen
Zwischen dem 1. Juli und dem 31. Oktober haben Hausbesitzerinnen und -besitzer Zeit, die Grundsteuererklärung beim Finanzamt einzureichen, die ab sofort übrigens alle sieben Jahre fällig sein wird. Angefangen beim Baujahr, Quadratmeterzahlen der Wohn- und Nutzfläche, über die Lage des Grundstücks, Gemarkungen, Flurstücke, Stellplätze bis zu Angaben der Grundstücksart und Grund und Boden, hilft eine Checkliste der Finanzverwaltung NRW dabei, keinen Punkt zu vergessen. Eingereicht werden können die Anträge über die Steuerplattform „Elster“ oder über eine extra eingerichtete Homepage (grundsteuererklaerung-fuer-privateigentum.de). Und natürlich sei es grundsätzlich auch noch möglich, den Antrag analog auszufüllen, erklären die Experten.
Der Knackpunkt sei jedoch eher, die Korrektheit der anzugebenden Werte, wie Wilfried Gothe, Geschäftsführer von Haus und Grund in Neheim, erklärt: „Ich empfehle Eigentümern zum Beispiel, sich an den Angaben für die Nebenkostenabrechnung zu orientieren. Hier ist jedoch zu beachten, dass oft Balkone und Terrassen nicht berücksichtigt sind. Auch ist darauf zu achten, ob sich in den vergangenen Jahren eine Nutzungsveränderung der Immobilie ergeben hat. Aus der Erfahrung weiß ich, dass es viele nicht genehmigte, ausgebaute Dachböden mit Einliegerwohnungen in der Region gibt.“
Veränderung der Nutzung beachten
Das habe zum Beispiel zur Folge, dass rechtlich aus einem Einfamilienhaus ein Zweifamilienhaus wird und dies auch dringend so anzugeben ist. Im Ernstfall könnten Eigentümer für fahrlässig falsch angegebene Zahlen und Werte sogar belangt werden. Eine etwaige Nutzungsänderung sei aber nicht die einzige Tücke, auf die zu achten ist. Hans-Ulrich Liebern, u.a. Leiter der Steuerabteilung beim Bund der Steuerzahler NRW, berichtet, dass die tatsächliche Wohnfläche meist größer ist, als Eigentümer vermuten. „Bürger müssen dies eigentlich selbst aus den Bauunterlagen ermitteln oder beim Bauamt nachfragen. Bei gewerblicher Nutzung von Immobilien wird es allerdings noch komplizierter – und in speziellen Fällen ist es sicher ratsam, einen Sachverständigen hinzuzuziehen“, so Liebern.
Was gilt als Kernsanierung?
Vorsicht sei außerdem bei potenziellen Kernsanierungen geboten. Denn wer tatsächlich kernsaniert, muss nicht mehr das ursprüngliche Baujahr seiner Immobilie in der Grundsteuererklärung angeben, sondern das Jahr der Kernsanierung. „Hier ist es allerdings so, dass die Kriterien für eine Kernsanierung nur selten erfüllt werden. Wer über mehrere Jahre Schritt für Schritt Modernisierungen am Eigenheim vornimmt, kernsaniert zum Beispiel nicht“, erklärt Lucas Vogt. Da sich die Restnutzungsdauer einer Immobilie durch die Angabe eines jüngeren Baujahrs verlängert, steigt auch die Grundsteuer, wie Hans-Ulrich Liebern an einem Beispiel erklärt: „Beim Vergleich zweier komplett identischer Häuser, die sich am gleichen Ort befinden, eines von 1970, das andere von 2015, ist es zum Beispiel so, dass die Eigentümer des 2015 errichteten Hauses 150 Euro mehr an Grundsteuer im Jahr zahlen. „Das darf eigentlich nicht sein. Die Bewohner nehmen ja dieselben Leistungen in der Kommune in Anspruch, dann sollte sich auch die Grundsteuer nicht unterscheiden“, kritisiert Liebern diese Vorgehensweise.
Einheitliche Lösung wäre wünschenswert
Beim Bund der Steuerzahler hätte man sich jedoch auch grundsätzlich eine einheitliche – und einfachere – Lösung für ganz Deutschland gewünscht. Während man sich in NRW am bundesweiten Gesetz orientiert, würde in Bayern z.B. ein viel simplerer Faktor genutzt, um die neue Grundsteuer zu ermitteln. Eine umfangreiche Steuererklärung mit teils schwierig zu ermittelnden Angaben gebe es dort nicht.
Wer Hilfe beim Ausfüllen benötigt, bekommt diese in Neheim-Hüsten unter anderem als Mitglied bei der Eigentümerschutz-Gemeinschaft Haus und Grund.
Deren Vorsitzender Lucas Vogt betont, dass man sich hier durchaus auf potenzielle Fragen vorbereitet habe und Hilfestellungen anbiete, ausfüllen müssten die Eigentümer ihre Anträge jedoch eigenständig. „Wir können schließlich nicht die Verantwortung für die Steuererklärung übernehmen“, sagt der Immobilien-Experte.
Zum jetzigen Zeitpunkt müsse man ohnehin noch abwarten, welche Probleme sich in der Praxis ergeben. „Problem genannt, Problem gebannt“, so Vogt, gelte hier keinesfalls.
Kostenloses Webinar für Leser
Nicht nur für Mitglieder, sondern für alle Leserinnen und Leser dieser Zeitung bieten Haus und Grund Neheim Hüsten und der Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen am 8. Juli zwischen 11 und 12.30 Uhr ein sogenanntes Webinar zum Thema Grundsteuererklärung an. Dabei wird Hans-Ulrich Liebern, Diplom-Betriebswirt, Geschäftsführer sowie Leiter der Steuerabteilung beim Bund der Steuerzahler NRW, Schritt für Schritt durch die Grundsteuererklärung führen. „Über eine Chatfunktion können Fragen gestellt werden“, erklärt er. Da bis zu 500 Teilnehmende erwartet werden, sind Zwischenfragen nur schriftlich möglich.
Für das Webinar ist eine Anmeldung online, unter www.steuerzahler.de/webinare nötig. Die Teilnahme ist kostenlos.